Kommentar

Ein Sommer wie damals

Erinnerungen eines Nordburgenländers an das Südburgenland. Als ein Sommer ohne Inform unvorstellbar gewesen wäre. An durchzechte Nächte. An eine Unbeschwertheit ohne schlechtes Gewissen. Und ganz viel Nähe – die heute noch manch melancholischen Gedanken hervorruft.

Und endlich ist der Sommer da und in uns keimt die Hoffnung, dass mit ihm auch wieder die Normalität in unser Leben einzieht. Ja, ein bisschen wird es das sicher tun. Aber es ist wie im letzten Jahr: Masken weg heißt für alle – juhu, Virus weg! Jetzt können wir endlich wieder die Sau rauslassen und tun und lassen, was wir wollen. Nicht gut, gar nicht gut. Das Deltavirus lauert bereits und es ist angeblich ansteckender als alles davor Gewesene. Und es ist auch bei uns gelandet.

Solche Sommer, wie wir sie früher hatten, wird es, wenn überhaupt, so schnell nicht mehr geben. Wenn ich so 30 Jahre zurückdenke an meine Touren, damals noch beim ORF, durch das Land: Sommerradio, Wunschkonzerte aus den Bädern und Badeseen und nicht zu vergessen die Inform, das wirtschaftliche und gesellschaftliche Highlight des Südburgenlandes. Was war da los! Nicht wenige haben sich für die Inform-Woche Urlaub genommen und einige sogar einen Kredit, der in kleinen Raten bis zur nächsten Messe abgestottert wurde. Massen strömten durch die Hallen und Zelte, Alkohol floss in Strömen und es war ein unwahrscheinlich schönes Gefühl für mich als Nordburgenländer, eine Woche Südburgenland zu genießen. Sicher, mit Arbeit verbunden, unsere Sendungen waren meist gut besucht, auch wenn die Temperaturen oft jenseits der 40 Grad lagen. Aber dort haben sich Freundschaften entwickelt, die noch bis heute Bestand haben.

Bei meiner ersten Inform hatte der ORF noch nicht einmal ein eigenes Zelt und unsere Bühne befand sich vis-à-vis eines lokalen Pelzhändlers, der Nerze und Wölfe und sonstige Felle nicht ohne Erfolg an die Frauen brachte. Abends ging‘s ins Wein- oder Bierzelt und wer dann immer noch nicht genug hatte, der hat im Kamakura noch bis zum Morgengrauen abgetanzt, um mit einem Brummschädel am nächsten Tag ein ähnliches Programm zu starten. Meist ging ich danach zwei Wochen auf Urlaub, Kur könnte man auch dazu sagen.

Wir hatten damals die Nähe zum anderen gesucht und auch gefunden. Es gab Konzerte, Kultursommer, die Heurigen am Csaterberg und Hannersberg waren voll. Jeder Ort hatte sein kleines Fest und jedes Festl seine Besucher. Man busselte sich ab, verliebte sich drei Mal und hatte Musik im Herzen. „Mendocino“, „Summer in the City“, „In the Summertime“, oder wie auch immer die Lieder hießen, die uns über den Sommer begleitet haben. Übrigens gab es damals noch kein Rauchverbot und kein Cholesterin, ich meine zumindest keines über das man diskutiert hatte. Kein schlechtes Gewissen, wenn man täglich Fleisch gegessen hat, keine Bio-Läden, keine Vinotheken. Dafür ein paar Gasthäuser in jedem Ort, Bäcker, Fleischer, Greißler. Es gab Schuster, Schneider, Tischler und Schmiede. Eine kleine Bank und überall Schulen. Es gab ein reges Dorfleben und funktionierende Vereine. Keinen großen Supermarkt, keine Einkaufszentren und keine Schnellstraßen. Allerdings mit dem Rad ist der Burgenländer schon damals nicht gefahren. Und laut Statistik ist er trotz der vielen Radwege noch immer ein Drahteselmuffel und an letzter Stelle. Aber ehrlich gesagt wäre es mir persönlich lieber, ich könnte mit dem Rad auf einem gesicherten Radweg zum Einkaufen oder zur Arbeit fahren, als rund um den Neusiedler See zu radeln. Aber das wird noch dauern bis sich da etwas bewegt…naja vielleicht erleb‘ ich das ja noch.

Der Dichter der Schilflieder, Nikolaus Lenau, ging in Ungarisch-Altenburg auf eine Agrarschule und hat sich mit einem Gutsbesitzer aus dem Seewinkel befreundet. Dort hat er auch viel Zeit verbracht und sich verliebt – unglücklich. Aber diese Stimmung, die er da beschreibt, habe ich und Sie vielleicht ebenso, schon einmal erlebt im Verlaufe des Lebens:

Auf dem Teich, dem regungslosen,
weilt des Mondes holder Glanz,
flechtend seine bleichen Rosen
in des Schilfes grünen Kranz.

Hirsche wandeln dort am Hügel,
blicken in die Nacht empor;
manchmal regt sich das Geflügel
träumerisch im tiefen Rohr.

Weinend muß mein Blick sich senken;
durch die tiefste Seele geht
mir ein süßes Deingedenken,
wie ein stilles Nachtgebet.

Einen schönen Sommer, passen Sie gut auf sich auf! Alles Liebe,
Ihr Feri Tschank


Feri Tschank

Schreibe einen Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

2 Antworten

  1. Lieber Feri!
    Ich liebe deine Kommentare, alle – aber diesen ganz besonders!
    Du triffst mit deinen Erinnerungen eines Nordburgenländers an das Südburgenland den Nagel auf den Kopf. Deine wohlüberlegten, sehr treffenden Worte beschreiben auch meine Erinnerungen an eine wunderschöne, aber leider auch längst vergangene Zeit!
    Wie schön war es damals mit dir und meinem Bruder Wilfried auf unserer Terrasse zu sitzen und guten Wein /kühles Bier zu genießen! Wow, wo sind doch diese Zeiten geblieben und was hat sich seitdem alles verändert?! Nicht immer zum Guten….
    Danke für deine Artikel, die ich immer mit Begeisterung lese! Mir gefallen dein Stil, deine etwas provokante Art zu schreiben und deine geschliffene Wortwahl!
    Perfekt, einfach perfekt!
    Ich schicke dir ganz liebe Grüße und ich hoffe, dass es dir gut geht.
    Schön, jeden Monat von dir zu lesen!
    Liebe Grüße von Eva Leirer (HICKE)