Alice Siebenbrunner (Obfrau des privaten Tierschutzvereins „Wir fürs Tier“ Oberwart) / 28. Mai 2025
© Nicole Mühl
Raimond irrte zwei Monate hilflos durch die Gemeinden, bis ihn eine Autofahrerin bemerkte, mitnahm und seine Familie suchte.
Eine Autofahrerin blieb stehen, um nach dem Rechten zu sehen. Kater Raimond blieb sitzen und die Fahrerin entschied sich, weil er ihr komisch vorkam und orientierungslos wirkte, ihn mitzunehmen. Manchmal ist es nicht so eindeutig – aber wenn man das Gefühl hat, dass etwas mit dem Tier nicht stimmt, sollte man handeln. Besser einmal zu viel als zu wenig. Entweder zumindest ein Foto machen und melden, dass man eine ungewöhnliche Sichtung gemacht hat oder eben wie in Raimonds Fall, wo ja auch aufgrund der Bundesstraße Gefahr im Verzug war, das Tier mitnehmen und entsprechende Schritte setzen.
Fundtiere – alles nicht so einfach
Die Theorie sieht vor: Hat man im Burgenland ein Tier gefunden, sollte man dies zuerst der Gemeinde melden und daraufhin erfolgt die Meldung an die BH. Diese verständigt den Landestierschutz und das Tier wird abgeholt. Natürlich wäre zielführend, wenn vorab der Chip kontrolliert und eine entsprechende öffentliche Meldung gemacht wird, ob sich ein Besitzer meldet.
In der Praxis funktioniert dieses System leider weitgehend nicht. Zunächst einmal ist juristisch sehr vage definiert, was nun ein Fundtier ist und was ein Streuner. Auch wir Tierschützer befinden uns hier in einer absoluten Grauzone. Generell gilt: Ist ein Tier zugänglich, lässt sich schnell streicheln und sucht Kontakt, ist es ein Fundtier. Ist ein Tier scheu, ist es wohl ein Streuner. Da natürlich sehr viele Besitzerkatzen ebenso scheu reagieren können, ist das oft gar nicht so leicht zu beurteilen. Ideal wäre also seine Katze chippen und registrieren zu lassen, dann wäre absolut klar, wem sie gehört.
Was uns allerdings zum nächsten Problem führt: Es gibt kaum Gemeinden oder Straßenmeistereien, die Chiplesegeräte besitzen. Ein paar Euro Investition pro Gemeinde würde hier schon ausreichen, damit die Gemeinden, die ja eigentlich in erster Instanz das Fundtier verwahren sollen und zuständig sind, zumindest überprüfen können, ob es einen Chip gibt. Daran scheitert es – also fahren private Tierschützer oft ewig weite Strecken, um das abzudecken. Auch Straßenmeistereien sollten verpflichtend einen Chip auslesen müssen, um die Besitzer im Falle eines tödlichen Unfalls der Katze verständigen zu können.
Klingt alles recht banal, aber in obigem Problem spiegelt sich einfach auch die grundsätzliche Absurdität der Fundtierregelung im Burgenland wider. Denn es wäre ein Leichtes, jede Gemeinde mit einem Lesegerät auszustatten, nur ändert es nichts daran, dass man von Gemeinde zu Gemeinde vollkommen unterschiedlich an die Fundtierproblematik herangeht. Die meisten kümmert es nicht. Von Informationen wie sie seien „nicht zuständig“, „einfach sitzen lassen, das ist ein Streunertier“, „da kann man nichts machen“, bis hin zu „bringen Sie‘s in eine andere Gemeinde“, haben wir schon alles gehört. Ein bisschen verstehen wir das sogar. Es ist einfach Irrsinn, dass jede Gemeinde sich etwas überlegen müsste, um Fundtiere zu verwahren, geschultes Personal haben müsste, das auch mit Fundhunden umgehen kann, das richtige Einschätzungen weitergibt. Das ist nicht praktikabel und schlichtweg utopisch.
Was passiert?
Chaos. Die einen behalten sich das Tier einfach. Fünfmal irgendwo anzurufen, ist dann doch zu mühsam. Andere stellen es immerhin öffentlich vor. Und während diverse Social Media Kanäle übergehen vor Anzeigen gefundener Tiere, wird nur eine Handvoll dem zuständigen Landestierschutz zugewiesen. Während in der Facebook Gruppe „Tiere vermisst/gefunden“ Posting auf Posting folgt, findet man auf der offiziellen Fundtierseite des Landes zwei Fundkatzen und keinen Fundhund!
Die Fundtierregelung krankt also an allen Ecken und Enden. Die meisten Happy Ends sind auf die Initiativen von Privaten zurückzuführen. „Wo sind unsere Tiere“ – das fragen sich viele Burgenländer:innen, die ihr Tier vermissen. Eines ist klar: Im zuständigen Landestierheim Sonnenhof sind sie jedenfalls ziemlich sicher nicht.
Raimond
Zurück zu Raimond. Die Autofahrerin hatte Recht, ihn mitzunehmen.
Am nächsten Morgen wurden alle Häuser ringsum abgeklappert, ob Raimond nicht doch dorthin gehörte. Er wurde zum Tierarzt gebracht, um nach dem Chip zu sehen. Sie durchforstete Vermisstmeldungen auf Social Media Kanälen, die auf Raimond passen könnten.
Und wirklich – sie fand eine. Vor zwei Monaten war er entlaufen. Raimond kam nach Hause. Ein furchtbares Ende ist dem so verschmusten Kater erspart geblieben, weil jemand achtsam war.
Trotz des Chaos, das hierzulande im Fundtierbereich herrscht, möchten wir alle ermutigen, hinzusehen. Sie zahlen sich so aus, die Unanehmlichkeiten – in Fällen wie Raimonds retten sie Leben. Es sind wohl in den zwei Monaten seit seinem Verschwinden Tausende Autofahrer an dem verzweifelt nach seinem Zuhause suchenden Kater vorbeigefahren. Sie alle hätten helfen können. Wir können nur alle bestärken, dieser Verantwortung einem hilfesuchenden Lebewesen beizustehen, nachzukommen. Vertraut eurem Gefühl, wenn ihr meint, es stimmt etwas nicht. Meldet diese Tiere der Gemeinde (so wie es sich gehört, auch wenn die Gemeinden das manchmal anders sehen), den Tierschutzvereinen, den Social Media Kanälen! Sichert sie! Hier ist Eigeninitiative gefragt. Wir können von unserer Seite nur versprechen, unser Möglichstes zu tun und werden weiterhin eine politische Lösung für die Fundtierregelung vorantreiben. Denn eines ist klar, so wie es jetzt läuft, kann es nicht bleiben.
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