Kinder und Tiere

Gerade zu Weihnachten rückt die Frage nach einem Haustier verstärkt in den Fokus. Ganz generell sei gesagt: Unter dem Weihnachtsbaum haben Tiere nichts verloren, denn es handelt sich um Lebewesen und die Entscheidung, ein Tier als Familienmitglied aufzunehmen, muss wohl überlegt sein. Dazu einige wichtige Gedanken.

Alice Siebenbrunner, Obfrau des Tierschutzvereins „Wir fürs Tier“ / 29. November 2023

Foto©LEXI

Alice Siebenbrunner und ihre drei Kinder leben mit zahlreichen Tieren im gemeinsamen Haushalt

„Kindern wird hier kein Haustier gegeben. Kinder könnten die Katze ja umbringen.“ Eine Kritik an unser Tierheim, die mich doch schmunzeln lässt. Ich finde solche Vorwürfe immer wieder sehr interessant, weil sie widerspiegeln, was von den ausführlichen Gesprächen und Beratungen, die wir mit Interessenten vorab führen, angekommen ist. In diesem Fall war es wohl leider nicht viel.

Vorweg: Kinder sollten mit Tieren aufwachsen. Wer, wenn nicht ich mit einem Haus voller Tieren und Kindern, würde dafür plädieren. Aber, damit es wirklich gewinnbringend für beide Seiten ist, müssen die Rahmenbedingungen passen.

Die Entscheidung für ein Kleintier ist wohl für die meisten Eltern eine praktische. Tiere, die in einem Käfig oder im Garten sitzen, machen keinen Schmutz im Haus, sind immer „unter Kontrolle“. Für die Tiere ist die vorgestellte Haltung meistens alles andere als artgerecht. Sie sind entgegen der Meinung vieler sehr anspruchsvoll und keinesfalls „billig“. Für die Kinder bieten Kleintiere wie Kaninchen, Hamster oder Meerschweinchen selten wirklich das, was sie durch ein Haustier erleben sollten: Einen wirklichen Freund zu haben, jemanden, mit dem sie gerne ihre Freizeit verbringen und Freude wie Kummer teilen können. Natürlich können Kleintiere auch tolle Haustiere sein, man kann viel Spaß haben beim Füttern, Gehegebauen oder Beobachten. Kuscheln ist aber nicht das, was Kleintiere brauchen oder haben wollen. Das muss eben mit den Kindern vorab ganz genau besprochen werden.

Hunde und Katzen sind da anders. Sie suchen meistens von sich aus den Kontakt zu ihren Menschen. Sie agieren sehr empathisch, vor allem zu Kindern haben sie sehr oft eine innige freundschaftliche Beziehung. Den Erwachsenen muss aber bewusst sein: So etwas kann nur entstehen, wenn man die Tiere auch wirklich als Familienmitglieder behandelt und aufnimmt. Ein Familienmitglied würde man wohl kaum im Garten sitzen oder in der Garage hausen lassen. Man würde auf seine Bedürfnisse und Gefühle achten. Seine Eigenheiten respektieren. Mit so einem Zugang und dem vom Charakter her wirklich geeigneten Tier steht dann dem harmonischen Miteinander nichts mehr im Weg.

Wichtig ist natürlich, dass die Rahmenbedingungen passen. Überlegungen, ob man überhaupt genug Zeit hat oder ausreichend zuhause ist – vor allem bei der Überlegung für einen Hund – sind ebenso wichtig, wie die räumlichen Gegebenheiten. Hier spielt im Zusammenleben zwischen Kindern und Tieren auch eine Rolle, ob es genug Rückzugsmöglichkeiten gibt. Idealerweise ein eigenes Zimmer, wo das Haustier von sich aus auch einmal eine Auszeit vom Familienleben nehmen kann. Katzen kann man auch zusätzlich gut über die Höhe via Kratzbaum oder Cat Walk ausweichen lassen.

Ebenso sollte man sich vorab genau über eine artgerechte Haltung informieren. Etwa, dass man Katzen immer zumindest zu zweit hält, oder für Hunde ein Garten keinen Ersatz für einen Spaziergang bietet.

Kann man diese Rahmenbedingungen nicht erfüllen, sollte man auf ein eigenes Haustier verzichten und seinem Kind auf andere Weise positiven Kontakt zu Tieren ermöglichen. Über diverse Vereine oder Kontakte im Umfeld ist das sicher gut realisierbar.

Ein Haustier unüberlegt aufzunehmen und zu riskieren, dass es dann im Tierheim landet, ist für das Tier wie auch das Kind eine sehr leidvolle Erfahrung, die jedenfalls ausgeschlossen werden sollte.

Immer wieder höre ich Sätze wie „man wolle die Kinder Verantwortung lehren und deshalb ist es Zeit für ein Tier.“ Nichts ist für mich abwegiger und absurder als der Gedanke, einem Kind die Verantwortung für ein Lebewesen aufzuerlegen. Wie soll man jemandem, dem man auch nicht zumuten würde, sich schon um sich selbst zu kümmern, die Verantwortung über ein anderes Lebewesen geben?

Kinder lernen durch Nachahmung. Erwachsene leben also vor, wie man sich um ein Tier kümmert und wie man es behandelt. Kinder können natürlich Aufgaben erledigen – aber ihnen die Verantwortung für ein Tier übertragen zu wollen, ist niemanden gegenüber fair. Den Kindern nicht, denn sie können dem niemals gerecht werden. Und den Tieren gegenüber ebenso wenig, denn es geht um ihr Leben. 

Bei einem Kennenlernen im Tierheim ist es für mich weniger entscheidend, wie sich Kinder den Tieren gegenüber verhalten, als wie die Erwachsenen darauf reagieren. Einem Kind kann man gut erklären, warum das Tier dieses und jenes nicht gut findet. Kleine Kinder sind sehr empathisch und können sich sehr gut in andere hineinversetzen, wenn man sie darauf aufmerksam macht. Das ist die Aufgabe der Erwachsenen.

Bevor man ein Tier adoptiert, sind viele Überlegungen nötig, die gemeinsam als Familie vorab besprochen und geplant werden sollten. Tiere bedeuten eine langfristige Verantwortung. Ein Tier kann also niemals als Überraschungsgeschenk einziehen. Ein Umzug ist immer mit großem Stress verbunden. Es sollte also nicht nur vorab alles vorbereitet sein, sondern auch sichergestellt sein, dass während der Eingewöhnung – diese kann durchaus über ein Monat betragen – Ruhe im Haus herrscht. Weniger ist da meistens mehr. Für große Feste ist also in dieser Zeit kein Platz.

Gerade nach den Feiertagen landen leider viele Tiere in Tierheimen. Doch die haben längst keine Kapazitäten mehr. Einmal mehr also die Bitte, kein Tier zu verschenken! Es ist das Glück eines fühlenden Lebewesens, das man zu verantworten hat, eine größere Verantwortung kann man ja kaum haben.

Tiere „mit Vergangenheit“ können sich zu großartigen Familienmitgliedern entwickeln. Wichtig ist, sich gut beraten zu lassen und sich Zeit zu nehmen. Gerade bei nicht auf Profit, sondern auf das Tierwohl ausgerichteten Tierschutzorganisationen ist man bei der Beratung wohl am besten aufgehoben und sollte auf deren Erfahrung vertrauen.

Ein kleiner Tipp am Rande: Nicht immer sind Jungtiere die beste Entscheidung. Oft sind ältere Tiere, deren Charakter man schon kennt, die weitaus bessere Wahl für Anfänger und die „sicherere“ Entscheidung für ein Leben mit Kindern.

Wichtig ist vor allem eines immer vor Augen zu haben: Wie man sich sein Kind nicht im Katalog bestellen kann, so sollte es eben bei Tieren auch nicht sein. Man sollte es wertschätzen, ein Individuum zu haben mit all seinen Stärken und Schwächen. Denn meistens ist es genau das, was die stärksten Beziehungen und die tiefsten Bindungen hervorbringt. Bindungen, die prägend für die geistige, soziale und emotionale Entwicklung sind. Genau darum sollte jedes Kind Kontakt zu Tieren haben.  

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