Menschen, die an Bäumen hängen

Die Kahlschläge entlang der Bäche in einigen Gemeinden des Südburgenlandes haben in den letzten Wochen ein Bild der Verwüstung hinterlassen. Die massiven Eingriffe in die Natur haben auch einen Aufschrei in der Bevölkerung ausgelöst und hoffentlich Konsequenzen für die Verantwortlichen.

Alice SIEBENBRUNNER (Obfrau „Wir fürs Tier“) / 27. März 2024

Bilder kompletter Kahlschläge. Ein Bild der Verwüstung in Unterschützen. Solche Eingriffe bringen das Ökosystem durcheinander.

Jung, idealistisch, lange Haare, Öko-Klamotten – die Menschen, die sich an Bäume ketten, um zu verhindern, dass sie abgeholzt werden. Die Mahnwachen abhalten, um sie zu betrauern. Die sich versammeln, um ihren Unmut über die Zerstörung der Natur kundzutun. Etwas belächelt vom Rest der Bevölkerung. Nicht ernst genommen also. Nun, so ein oder ein ähnliches Bild muss wohl den Entscheidungsträgern durch den Kopf gegangen sein, die die umfassenden Schlägerungen der vergangenen Wochen entlang vieler Bäche in südburgenländischen Gemeinden geplant und durchgeführt haben. Abholzungen, man kann sagen Kahlschlagungen, die zum allergrößten Teil ohne vorherige Absprache mit Fachleuten, Umweltgemeinderäten und/oder Naturschutzorganen durchgeführt wurden. Der Holzpreis ist hoch und wen interessieren schon
ein paar Bäume neben einem Bach. So kann man sich die Gedankengänge wohl zusammenreimen. Na ja, sagen wir es mal so. Der Aufschrei war nicht klein, und auch nicht leise. Die Leute, die da schreien sind Mütter, Väter, Omas und Opas, Unternehmer, Lehrer, Wissenschaftler, Ärzte; Menschen aller sozialer Schichten und aller politischen Richtungen. Denn mittlerweile hat ein großer Teil der Bevölkerung ein Bewusstsein für die Natur und die Notwendigkeit, sie zu schützen.

Auch die Tierschützer sollten aufschreien

In meiner Ausbildung zum Naturschutzorgan wurde mir gesagt, im Tierschutz ginge es um Individuen, beim Naturschutz um Art- und Lebensraumerhalt. Das seien zwei völlig verschiedene Bereiche. Ich sehe das anders. Der halbverhungerte Igel, den ich aufpäpple, ist die Spitze des Eisbergs. Es ist meine Aufgabe als Tierschützerin aufzuzeigen, warum das passiert und was wir dagegen tun können. Tierschutz muss also auch immer Lebensraumschutz und die Bewahrung der Artenvielfalt zum Ziel haben.

Warum jetzt?

In mehreren Gemeinden des Südburgenlandes wurden entlang einiger Bäche radikal Gehölze entfernt. Klingt nicht so dramatisch, Bäume stehen überall. Nunja, so stimmt das eben nicht. Die Vegetation entlang der Bachläufe ist ein wertvoller Bereich, der verschiedene Lebensräume miteinander verbindet. Er ist oftmals Rückzugsort für viele Lebewesen und damit essenziell zur Erhaltung der Artenvielfalt.
Gleichzeitig kommt ihr aber noch eine andere wichtige Funktion zu: als Schattenspender. Wasser ist ein überaus sensibles Ökosystem. Die durch den Klimawandel hervorgerufene Erwärmung der Gewässer bringt große Probleme für alle Wasserlebewesen mit sich. Die Bepflanzung gerade direkt an den Uferkanten hat also eine wichtige Funktion, um die Wassertemperatur kühl zu halten. Es ist ganz klar notwendig, diese Bereiche zu pflegen und Pflegemaßnahmen durchzuführen; doch was da in den letzten Wochen passiert ist, war alles andere als sinnvoll. Es waren nichts anderes als Kahlschlägerungen, die man nun schwindelig mit Mistelbefall und Gefahr im Verzug zu begründen versucht. Diese Handlungen waren oftmals nicht einmal entsprechend der Landesrichtlinie
zur Pflege von Ufergehölzen, weshalb auch in mehreren Fällen Anzeige erstattet wurde.

Es geht um die Zukunft

Traurig, wie gering offenbar der Wert dieses Ökosystems gehalten wird. Eine Vielzahl von Insekten, Wasserlebewesen und Vögel sind darauf angewiesen. Lebensraum ist knapp. Und da ist die Aussicht auf ein paar billige Hackschnitzel es offenbar wert, ihn noch knapper zu machen? Das kann nicht im Ernst im Sinne einer Gemeinde oder des Landes sein, geht es doch auch um den Naherholungs- und touristischen Wert des Südburgenlandes. Radeln entlang der idyllischen Bachläufe unter dem wohltuenden Schatten der Bäume? Nun, es wird ja nachgepflanzt. Vielleicht dann wieder in ein paar Jahren? Das, was geschehen ist, lässt sich nicht rückgängig machen, doch in keinem Fall sollte sich so etwas wiederholen. Bereits im Herbst sollten solche Vorhaben von den Gemeinden in Absprache mit Ökologen, Umweltgemeinderäten, Naturschutzorganen oder anderen Fachleuten geplant werden, damit wirklich sinnvolle Pflegemaßnahmen durchgeführt werden. Ebenso dringend notwendig ist es, dass von Seiten des vom Land zuständigen Wasserbauamts jedenfalls eine Begehung mit einem Vertreter des Naturschutzes stattfindet, bevor solche Vorhaben genehmigt werden.
Denn Artensterben und Klimawandel sind DIE Themen unserer Zeit. Jeder hat das verstanden. Ein schlichtes Ignorieren durch das Setzen derart undurchdachter Maßnahmen lässt man in breiten Teilen der Bevölkerung nicht mehr zu. Da geht es nicht um emotionales Betrauern einzelner Bäume, es geht um die Zukunft; die Zukunft bedrohter Tierarten, die Zukunft unserer Region und ihres touristischen Wertes und die Zukunft von uns allen.
Und wir alle werden ein Auge darauf haben und hoffen nun, dass für solche Pflegemaßnahmen zukünftig immer auch Fachleute herangezogen werden.

Die ehrenamtlichen Naturschutzorgane des Landes sind überaus engagiert im Bezirk. Nähere Informationen und
mögliche Ansprechpartner kann man unter www.naturschutz-oberwart.at finden. Zudem stehen den Gemeinden vielerorts sehr engagierte Umweltgemeinderätezur Seite (wenn sie denn miteinbezogen werden).

Foto von einer Reihe an abgefällten Bäumen enlang eines Baches
Kahlschläge

Es dürfen keine Lücken in den Uferbegleitgehölzen entstehen.“ – So heißt es in der Richtlinie zur Pflege von Bachbegleit- und Ufergehölzen. Ob diese Pflegemaßnahme am Zickenbach bei Steingraben dem entspricht? Auch hier sind die Eingriffe enorm.

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