Alfred NÖHRER / 28. Mai 2025
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Sehr geehrte Redaktion,
als langjähriger ÖVP-Gemeinderat in Hartberg möchte ich meine Gedanken zur konstituierenden Sitzung des Gemeinderats am 25. April 2025 teilen – einer Sitzung, die trotz feierlichen Rahmens einen bitteren Nachgeschmack bei mir hinterlassen hat.
Der Auftakt im Rathaus war durchaus erfreulich: Die Angelobung der Mandatarinnen und Mandatare, die Begrüßung durch die Stadtgemeinde – all das verlief respektvoll und würdig. Besonders positiv fiel mir auf, wie hochqualifiziert die neuen Gemeinderatsmitglieder über alle Parteien hinweg sind. Doch dann kam der Moment der Bürgermeisterwahl – und mit ihm die Ernüchterung. Marcus Martschitsch wurde mit exakt 13 von 25 Stimmen wiedergewählt. Keine einzige Stimme kam aus den Oppositionsparteien. Für mich persönlich war diese Abstimmung ein klarer Ausdruck des Misstrauens, und zwar nicht nur gegenüber der Person, sondern gegenüber der bisherigen – meiner Meinung nach guten – Zusammenarbeit. Warum also dieser Bruch?
Die Bürgermeisterwahl wäre der Moment gewesen, um parteipolitische Gräben zu überbrücken, den Willen zur Zusammenarbeit zu bekräftigen und ein Zeichen der Geschlossenheit zu setzen. Das Gegenteil war der Fall.
Noch irritierender war der Kontrast zur anschließenden Feier. Der Bürgermeister reichte allen Fraktionen die Hand, lud alle Gäste zum gemeinsamen Feiern – ein schönes Bild. Doch für mich wirkte es wie ein Schauspiel. Ich bin der Einladung nicht gefolgt. Scheinheilige Gesten helfen uns nicht weiter.
Ich frage mich, was die Hartberger Bürgerinnen und Bürger über dieses Verhalten denken. Können sie noch Vertrauen in ein Gremium haben, das sich schon am ersten Tag in kleinliche parteipolitische Machtkämpfe zurückzieht, statt Verantwortung gemeinsam zu übernehmen? Besonders besorgniserregend empfinde ich die wachsende Parteihörigkeit. Anstatt über den Tellerrand zu blicken und gemeinsam gute Lösungen zu finden, erleben wir Taktieren, Blockieren und ein „Wenn ihr uns nicht wählt, wählen wir euch auch nicht“. Das ist kindisch – und schadet unserer Stadtgemeinde.
Vielleicht sollten alle – im übertragenen Sinn – gemeinsam nach Lebing wallfahrten gehen. Ein bisschen Demut, Selbstreflexion und ehrlicher Wille zur Zusammenarbeit täten allen gut. Denn Hartberg verdient mehr als politisches Stimmvieh. Es verdient Respekt, Dialog und echtes Verantwortungsbewusstsein.“
Mit freundlichen Grüßen
Alfred Nöhrer
Hartberg am 3. Mai 2025

Alfred Nöhrer
Alfred Nöhrer, 85, war viele Jahre politisch in der Stadtgemeinde Hartberg aktiv. Auch heute noch verfolgt der ehemalige ÖVP-Gemeinderat das politische Geschehen mit regem Interesse. Im Jahr 2025 war Nöhrer ebenfalls unter den 50 Kandidat:innen für die Gemeinderatswahl.
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