Wo bleiben die Frauen?
2015 twitterte der Account „Crack The Road” ein bearbeitetes Foto des Lineups des britischen Reading and Leeds Festivals und löschte alle Acts, die keine weiblichen Mitglieder enthielten. Das Ergebnis: insgesamt blieben nur 10 Gruppen von knapp 200 übrig. Traurig, aber kein Einzelfall, denn bei den meisten Festivals scheint das Geschlechterverhältnis nur in puncto BesucherInnen ausgeglichen zu sein. Je größer die Schrift auf dem Plakat, desto eher ist der Act männlich. Da stellt sich die Frage, warum ist das so? Und muss das sein?
Foto zVg
Die Suche nach Antworten gestaltet sich schwieriger als erwartet, ist der Musikhimmel doch eigentlich voll mit weiblichen Stars und Popsternchen – Taylor Swift, Beyoncé, Miley Cyrus, Ariana Grande, Florence and the Machine, Lana Del Ray, nur um ein paar zu nennen. Da sollte es doch relativ einfach sein, ein ausgeglichenes Lineup zu schaffen, in Zeiten in denen Rassismus, Sexismus und dem Patriarchat der Kampf angesagt wurde. Doch leider weit gefehlt – auch diesen Sommer bleiben 50:50 Lineups eine Traumvorstellung. Und das größte Problem: keiner möchte so richtig darüber sprechen.
Geht man mit den Fragen zu Festival-Veranstaltern, kommen nur zu oft Absagen zurück oder Antworten, die schon jeder kennt: man würde es jedes Jahr versuchen, wisse aber nicht so richtig, wen man buchen sollte. Doch ist da was Wahres dran? Laut Lucy Wood, Bookerin des britischen Latitude Festivals, ginge es bei den beliebten Musikevents vorrangig um Zahlen: „Letztendlich müssen wir über den Ticketverkauf nachdenken und, dass die Künstler, die wir auswählen, Menschen zum Kauf von Tickets anziehen.“ Letzten Endes basiere der Buchungsprozess für Festivals, insbesondere für große kommerzielle, immer noch darauf, welche Künstler derzeit touren oder ein neues Album promoten würden, wer am wahrscheinlichsten beim Publikum ankomme und wer bereits eine gewisse Größe besitze. Daher, je größer und bekannter das Festival, desto mehr schwinden die weiblichen Acts.
Für Wood wäre daher ein Umschwung im Herzen der Musikindustrie der notwendige Schritt, um für eine tatsächliche Veränderung zu sorgen. Heißt also, aktiv mehr Künstlerinnen und Bands mit weiblichen Mitgliedern fördern, um sie so in die Öffentlichkeit zu bringen und zu potentiellen Headlinern zu machen. Ein Ansatz, der vor allem bei einem essentiellen Punkt ansetzt – nämlich den BesucherInnen und Musikfans selbst, denn letzten Endes bestimmt immer noch die Nachfrage das Angebot. Zuallererst bei den Spotify und iTunes Playlisten für Geschlechtergleichheit zu sorgen, könnte also nachhaltig tatsächlich für ausgeglichenere Lineups sorgen.
Womit man aber schon gegenwärtig versucht, eine wenig Veränderung ins Rollen zu bringen, ist die von der PRS Foundation, dem gemeinnützigen Zweig des Musiksammelunternehmens PRS, geleitete europaweite Initiative „Keychange“, die mit EU-Mitteln unterstützt wird und darauf abzielt, bis 2022 bei Festivals ein Gleichgewicht von 50:50 zwischen den Geschlechtern zu erreichen. Eine Reihe unabhängiger europäischer Festivals, sowie Veranstaltungen und Konferenzen in den USA und Kanada, darunter etwa das Waves Festival in Wien, das Hamburger Reeperbahn Festival und das beliebte Bestival in England, haben sich bereits dem Versprechen angeschlossen und beweisen heute schon, wie einfach es sein kann, mehr Weiblichkeit in die Lineups zu bringen. Von den großen Festivals bleibt leider noch jede Spur, doch auch hier macht sich langsam ein Wandel breit. Und ein wichtiger, denn letzten Endes wird es nur durch globale Zusammenarbeit und den nötigen Druck von Seiten der BesucherInnen möglich sein, Frauen endlich auf die Festivalbühnen dieser Welt zu bringen und weibliche Headliner zu “The New Normal” zu machen.
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