Porträt

Bunt wie der Garten Eden

Sie beherrscht die Technik der präzisen Pinselführung für kleine Detailarbeiten und Porträts ebenso wie die Wandmalerei, die vollen Körpereinsatz erfordert. Die Werke von Agostina Suazo sind jedoch unverkennbar: bunt mit einem Hauch von Vintage. Der Weg einer Künstlerin über rund 18.000 Kilometer bis ins Südburgenland und welche Rolle der Baum der Erkenntnis gerade in ihrem Leben spielt.

Foto: Lexi

Agostina Suazo hat ihre Werkstätte und ihr Atelier im Schloss Kohfidisch – ein kraftvoller Ort, an dem sie gut arbeiten kann.

 

Niemals hätte sie gedacht, dass das Südburgenland ihre Heimat wird. In Chile geboren und aufgewachsen, in Mexico City gelebt und von dieser neun Millionen Einwohner Stadt ins südburgenländische Edlitz mit knapp 100 Einwohnern gezogen. „Das war nie mein Plan“, sagt Agostina Suazo und ihre ohnehin schon großen Augen treten noch deutlicher hervor. „Mexiko ist ein gefährlicher Ort für eine Frau“, sagt sie. Aber ihren Beruf als Restauratorin für Wandmalerei im „Museo Regional de la Revolución Mexicana“ hat sie dort geliebt und diese Detailarbeit, die die Restaurationstechnik erfordert, lässt sie auch in ihre eigenen künstlerischen Werke einfließen. Mit einem kleinen Pinsel viele Feinheiten herauszuarbeiten wie etwa das Fell eines Tieres, ist eine Technik, die ihre Werke prägen. Aber nicht alle. Diese präzise Arbeit ist nur der eine Teil ihrer Kunst. Mit ihrem Umzug nach Edlitz – der Liebe wegen – war es, als hätte das Leben einen Reset-Knopf gedrückt.

Wenn dir das Leben Zitronen gibt, mach Limonade daraus.

Willkommen sein, fühlt sich anders an. Mit ihrem „dunklen Teint und dem dichten, langen, schwarzen, gelockten Haar“ sei sie sich „wie ein Paradiesvogel im Südburgenland vorgekommen“, berichtet die zierliche Agostina Suazo. Als ihr Motorrad einmal direkt auf der Straße den Geist aufgab und sie beim nächstgelegenen Haus um Hilfe bat, wurde sie verscheucht. „Dieses Erlebnis erzählt alles über mein erstes Gefühl hier“, sagt sie. Die Blicke, die ihr verstohlen zugeworfen werden, bemerkt sie heute noch. „Aber es stört mich nicht mehr“, behauptet sie. Auch nicht, dass sie in den Geschäften beinahe immer den Inhalt ihrer Tasche herzeigen muss. Das ist auch nach sieben Jahren so.

Die ersten drei Wochen in diesem neuen Land waren für sie eine Art Kulturschock. Dann trat der Neuberger Künstler Norbert Art-Uro in ihr Leben und Agostina wurde neugierig, nun selbst die Wandmalerei zu erlernen. „Zeig mir, wie das geht!“, hat sie ihn bei ihrer ersten Begegnung in ihrem spanischen Akzent aufgefordert. Er tat es und vier Jahre lang lernte sie von ihm diese Technik, die so konträr ist zu der delikaten Restaurationskunst und feinpinseligen Malerei, die sie bisher kannte. „Ich brauche viel Kraft, wenn ich eine Wand bemale. Die Bewegung zieht sich durch den ganzen Körper. Es ist so völlig anders als meine Bilder. Ich liebe beide Techniken. Ich bin eben eine bipolare Künstlerin“, lacht sie. Üblicherweise steht die zierliche Frau auf einem Gerüst, die dichten Haare versucht sie vergeblich durch einen Zopf zu bändigen. Ihre Latzhose sieht aus, als würde sie den Pinsel daran abstreifen. „Ich bin immer schmutzig“, lacht sie. Derzeit arbeitet sie an einem vierstöckigen Gebäude in Wien und stellt sich der Herausforderung, dieses graue Objekt mit gemalten Reliefs zu verschönern.

Inzwischen sind die Wandgemälde von Agostina Suazo auf vielen Hausfassaden des Pinkatals zu sehen. Sie malt sich durch die Dörfer und hinterlässt ihren eigenen Fußabdruck in der Welt. „So bunt wie möglich“, sagt sie. Weil Malen für sie Freude ist. Aber es gibt noch einen dritten Teil ihres Kunstschaffens. Agostina Suazo malt Porträts. Knallig, mit einem Hauch von Vintage. Sie liebt diese Auftragsarbeiten und die Reaktion der Porträtierten, wenn sie das erste Mal ihr Bild sehen. Und da sind auch die anderen Porträts. Ihre frei gestalteten Werke der letzten Jahre, in denen sie Frauen darstellt. Anfangs, in ihrer ersten Zeit im Südburgenland, waren die Gesichter verdeckt. Heute sind sie zu sehen. Es sind starke Frauen, die dem Betrachter entgegenblicken. Es ist ihre eigene Verwandlung, die sich darin spiegelt, sagt Agostina. Ihr eigener Weg des Ankommens.

Dann kam das Schloss

Edlitz ist nicht mehr ihr Zuhause. Ihr Radius hat sich erweitert. Zurück nach Mexiko möchte sie aber nicht mehr. Selbst Wien wäre ihr zu groß. Ihre Heimat ist letztlich doch das Südburgenland geworden. Einzig ihre Muttersprache fehlt ihr. „Aber mit meinem Sohn Diego spreche ich Spanisch“, sagt sie. Das Leben habe es doch gut mit ihr gemeint. Die Begegnung mit Sarah Keil, der Besitzerin vom Schloss Kohfidisch, sei so eine wunderbare Wendung in ihrem Leben. Eine halbe Stunde haben sie gebraucht, um einander kennenzulernen und zu besiegeln, dass sich Agostina mit ihrem Atelier im Schloss einmietet. Für die Gartentage im Schloss arbeitet sie gerade an der biblischen Szene von Adam und Eva und dem Baum der Erkenntnis im Garten Eden. Es wird nichts Sündhaftes, verrät sie. Vielmehr soll es neckisch sein, vielleicht ein wenig frech, aber vor allem bunt – wie sie das Leben immer sieht.


Eine Wandmalerei von Agostina Suazo:
Green Leisure Apartments in Wien

Gartentage im Schloss Kohfidisch
Für die Gartentage im Schloss Kohfidisch hat Agostina Suazo eine Holzwand mit der biblischen Szene von Adam und Eva und dem Baum der Erkenntnis im Garten Eden bemalt.

Adam und Eva im Garten Eden

„Der Garten Eden – der erste Garten der Menschheit“ – ist das Motto der heurigen Gartentage im Schloss Kohfidisch am 4. und 5. Juni 2022 jeweils von 10 bis 18 Uhr. Die Veranstalterinnen Schlossherrin Sarah Keil und Gartenfreundin Martina Schabhüttl haben zu diesem besonderen Thema die Künstlerin Agostina Suazo beauftragt, die bekannte Szene der Verführung im Garten Eden darzustellen. Die Figuren werden auf Holz gemalt und am Eingang des Schlosses platziert. Die Gesichter von Adam und Eva sind ausgeschnitten und die Besucher*innen können dies zum Anlass nehmen und ihr eigenes persönliches Selfie machen.

prima! hat dieses starke symbolische Motiv als erstes Cover der neuen prima! gewählt. Mit Schlossherrn Gunhard und Schlossherrin Sarah Keil als Adam und Eva. Ein Cover, so bunt wie das Leben!


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2 Antworten

  1. Grossartig recherchiert und zu Papier gebracht. Besonders das Vorwort dieser Ausgabe ist sehr berührend. Es spricht mir aus dem Herzen.
    Danke für diesen wunderbaren Artikel und danke für die damit verbreitete Leichtigkeit !