Porträt

Die Kunst der Entrüstung

Mehr als zwei Jahrzehnte hat Renate Holpfer in der Frauenberatung gearbeitet. Und genau so lange beschäftigt sie sich mit Malerei und später mit Druckgrafik. Demnächst geht sie in den beruflichen Ruhestand. Wobei dieser Begriff für die lebensfrohe Südburgenländerin nur eine Formalsache ist. Denn ruhig wird es bestimmt nicht um sie. prima! war in ihrem Kunstatelier zu Gast.

Foto: Eva Maria Kamper

Im Atelier von Renate Holpfer werden gesellschaftspolitische Themen und Emotionen in ihre Kunst umgesetzt.

 

Die Fensterfront ermöglicht einen weitläufigen Ausblick ins sommerliche Grün, inmitten ein großer Arbeitstisch. An den Wänden sind die Regale vollgefüllt mit Pinseln, Spachteln, Farben und anderen Materialien, die in Renate Holpfers Händen schon so vielfältig Gestalt angenommen haben. In diesem Atelier spürt man unweigerlich die produktive Kreativität, die in der Luft liegt. „Zum Glück ist es im Sommer auch der kühlste Ort im Haus“, lacht sie und streift die lange Strähne ihres mondänen Haarschnittes hinters Ohr. Das Alter von 60 Jahren nimmt man dieser Frau mit ihrer inspirierend positiven Ausstrahlung definitiv nicht ab.

Frauen für Frauen

Doch rein rechnerisch stimmt es und somit ist der Zeitpunkt gekommen, dass Renate Holpfer nach langjähriger Tätigkeit als Geschäftsführerin von Frauen für Frauen Burgenland demnächst ihren Ruhestand antreten wird. „Ich blicke auf eine spannende Zeit zurück. Unzählige Beratungsgespräche, anregende Diskussionen und schöne Projekte. Immer mit der Frage im Zentrum, ‚Was brauchen Frauen in dieser ländlichen Region für ein gutes Leben?‘. Und dabei Frauen- und Männerrollen aufbrechen, immer im Fokus: der bedürfnis- und stärkenorientierte Blick auf Frauen. Stärken benennen und nützen. Solidarisch sein, Durchsetzungskraft und Wirksamkeit entwickeln“, beschreibt sie ihren beruflichen Alltag der letzten 23 Jahre. Und dabei fallen ihr viele Beispiele ein. Wenn sie ältere Frauen ermutigen konnte, doch noch den Führerschein zu machen. Oder der Hausfrau und Mutter mit dem pendelndem Familienvater das Bewusstsein vermittelt hat, dennoch Zeiten für sich einzufordern.

Lebe, liebe, lache

Privat bezeichnet sich Renate Holpfer selbst als „quirliger“ Mensch. „Ich bin als Kind unter vielen Menschen aufgewachsen und lebe auch noch heute in einer Hausgemeinschaft zu sechst zusammen. Wenn dann noch Besuche kommen, wird es wirklich sehr lebendig bei uns“, schwärmt Renate Holpfer über gesellschaftliche Abende mit vielen Dialogen, gemeinsamen Mahlzeiten und viel Gelächter. „Corona war kein angenehmer Zustand für mich!“ Ihre Beziehung zu ihrem Ehemann Michael pflegt sie auch schon seit 23 Jahren. Dabei stand auch immer im Vordergrund, dass beide Partner sich nach ihrem Empfinden entwickeln dürfen und sich nicht „gegenseitig sprichwörtlich mit unrealistischen Vorstellungen in Korsette zwängen“. Die Themen müssen angesprochen werden dürfen – auf Augenhöhe. Und niemals soll um unangenehme Dinge „herumgetänzelt“ werden, sondern alles soll auf den Tisch gelegt werden.

Kunstwerke mit Botschaft

Für ihre Kunst holt sie sich ihre Inspirationen direkt aus ihrer Emotion. Oder es geht um gesellschaftliche Themen, die brennen. Schon als Kind hat sie zu malen und zu töpfern begonnen. Seit 2012 stellt sie ihre Kunstwerke öffentlich aus. Unterschiedliche Verfahren wendet sie an, mal auf Papier, mal handwerklich auf einer Kupferplatte, es wird immer etwas Eigenes. „Es kommt in Wellen. Ihre Objekt-Installation „Hommage an 14“ hat die Frauenmorde in Österreich thematisiert. Mit den Mordopfern, auch wenn sie diese nicht gekannt hat, fühlt sie sich verbunden. „Man darf nie aufhören darüber zu reden. Auch weltweit gibt es noch sehr viele Missstände, die Frauen betreffen. Diese Themen beeinflussen mich vermutlich mein ganzes Leben lang!“
Zur Zeit bangt sie, so wie viele, mit den Frauen und Mädchen in Afghanistan. „So lange es in unserer globalisierten Welt Staaten gibt, die die Unterdrückung, Misshandlung, Vergewaltigung und Tötung von Frauen und Mädchen billigen oder sogar zur Regel machen, ist länderübergreifendes solidarisches Handeln auf verschiedenen Ebenen unbedingt notwendig.“ Ob sich das auf ihre Kunst auswirkt, weiß sie noch nicht. „Ich stehe oft an den Grenzen des Unfassbaren. Und dann ist es besser, Entrüstung zu spüren als Ohnmacht“, sagt die einfühlsame Künstlerin, die schon so viele Frauen in schwierigen, hierarchischen oder gewaltsamen Beziehungen beraten hat.

Im (Un)ruhestand

Somit wird der Ruhestand auch nicht sonderlich still werden, denn auch wenn sie nicht mehr beruflich im Verein aktiv ist, werden ihre Themen nie ruhen. „Der einzige Unterschied ist, dass der Wecker nicht mehr klingelt“, lacht sie, „dann kann ich tun und produzieren wann ich will.“ Was die psychosoziale Frauenberaterin rückblickend ihrem jüngeren „Ich“ raten würde? „Du kannst dir selbst viel mehr vertrauen. Du kannst mehr als du denkst. Und folge deiner Neugierde!“

.

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von anchor.fm zu laden.

Inhalt laden


Schreibe einen Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

1 Antworten