Nicole MÜHL / 28. Mai 2025
© Nicole Mühl
Dr. Margaretha Mazura ist seit 25 Jahren Sammlerin von Fächern und wird in Fachkreisen auch als renommierte Forscherin geschätzt. Ihre Botschaft; Fächer sind nicht Dekorationen oder Ramsch, sondern ein Stück Handwerkskunst, ein emotionaler Träger vergangener Epochen – Zeugnisse einer Lebensform.
Es begann mit einem Souvenir. Ein Urlaub in Kuba in den späten 1990er-Jahren. Am letzten Tag hatte Margaretha Mazura noch 100 Dollar in der Tasche, eigentlich viel zu viel für ein Mitbringsel, das man damals um 50 Cent bekam. Mazura entdeckt in einer Galerie einen handbemalten Fächer mit zwei Pfauen, auf bläulichem Grund um 90 Dollar. „Damals ein horrender Preis“, erinnert sie sich. Ihr Mann fragte sie kopfschüttelnd. „Was macht man mit einem Fächer?“ Nun, man beginnt, Geschichte zu sammeln.
Inzwischen hat Margaretha Mazura über 900 Fächer. Sorgfältig aufbewahrt an einem sicheren Ort – in Schachteln, eingehüllt in pH-neutrales Papier. „Fächer sind Zeitzeugen“, sagt sie, „nur verstehen wir ihre Sprache heute kaum mehr.“
Geboren in Wien, in einem kulturellen Milieu – der Großvater war Opernsänger, sie selbst lernte mit sieben Jahren Klavier –, machte sie sich früh auf ihren eigenen Weg. Jurastudium, Europarecht. Mit 24 Jahren, veröffentlichte sie eine Biografie über den Schauspieler Oskar Werner, den sie persönlich kannte. Lange Zeit lebte sie in Südamerika. Als sie zurückkam, absolvierte sie das Gerichtsjahr in Wien, mit ihrem Mann lebte sie schließlich 30 Jahre in Brüssel und beschäftigte sich mit internationalen Digitalisierungsprojekten. Was ihre Biografie deutlich zeigt: Neue Wege machen ihr keine Angst. Unbekanntes sieht sie als Herausforderung. Doch was wie ein spontaner Weg klingt, ist in Wahrheit ein selbst hart erarbeiteter Pfad.
Vom Flohmarkt zur Expertise
Nach dem ersten Fächer aus Kuba kam bald ein zweiter – ein antikes Stück, geschenkt von ihrem Mann. „Da begann ich mich ernsthaft zu interessieren.“ Mazura begann zu recherchieren, Bücher zu kaufen, Flohmärkte zu durchforsten. In Brüssel fand sie Zugang zu Antiquariaten und Kunstmärkten. Bald entwickelte sich aus der Neugier eine Expertise.
Zuerst kaufte sie einfach, was gefiel. Dann wuchs der Anspruch. Bald war sie in der Welt der Antikmärkte, Auktionen, Fachliteratur. „Man sammelt weniger, aber gezielter. Es geht nicht nur um Materialwert, sondern um Motiv, Geschichte, Herkunft“, sagt sie. Ein einfacher Werbefächer kann genauso wertvoll sein wie ein aufwändig gemalter aus Seide, wenn das Motiv besonders ist oder die Provenienz lückenlos. „Ich bin Privatsammlerin, habe keine Vorgaben. Ich kann das nach meinem Geschmack ordnen – und nach meinen Richtlinien.“
Heute weiß sie, wie man Epoche und Region erkennt. Sie selbst liebt den Jugendstil und das Art déco, also die Zeit von 1890 bis 1935. „Ästhetik, die schön, klar, oft etwas dekadent ist – aber in ihrer Exzentrik sehr geschmackvoll.“ Die Motive der Fächer liest sie wie die Kapitel in einem Roman. Da ist der Vogel, der aus einem Käfig fliegt – Symbol für verlorene Unschuld im 18. Jahrhundert. Ein anderer zeigt die erste Ballonfahrt 1783 – man war „in“, wenn man einen solchen besaß. Manchmal entdeckt sie Fächer mit Signaturen, die sie mit Geduld und Spürsinn zu historischen Ereignissen zurückverfolgt – wie das Fest der Familie Rothschild am 1. Mai 1881, verewigt auf einem Wiener Fächer mit kurrenter Inschrift. Zwei Jahre habe die Recherche alleine dafür gedauert. Es gibt kaum ein Thema, das nicht auf Fächern vorkommt: Landschaften, mythologische Szenen, Architektur, Mode. Manche wurden mit Perlmutt hinterlegt, andere mit Pferdehaar, manche einfach auf behandelte Baumwolle gedruckt.
Fächer als Zeitdokumente
Mazura sammelt nicht nur, sie forscht. Die Wiener Fächermacher ist ihr Spezialgebiet, über das sie 2021 ein Buch veröffentlichte („Kunst & Koketterie“). Es behandelt die Produktion von Fächern in Wien zwischen 1860 und 1916 – damit hat sie in der Forschung eine Lücke geschlossen, da es darüber bislang keine Literatur gab. Besonders interessiert sie dabei der Fächer als „Zeitzeuge“: Wer hat ihn gemacht? Wer hat ihn getragen? Was zeigt er – und was verbirgt er? „Es ist viel Recherchearbeit“, sagt sie.
Ein Leben in Bewegung – mit dem Blick fürs Feine
Heute lebt Margaretha Mazura im Südburgenland – in einem Haus, das sie liebevoll „Finca“ nennt. Hier arbeitet sie auch an ihrem zweiten Buch: Die Sprache der Blumen und der Fächer. Im 19. Jahrhundert wussten viele Frauen, was ein bestimmter Fächergriff bedeutete – oder welche Blume welches Gefühl ausdrückte. Mazura recherchiert, experimentiert mit kulinarischen Bezügen zu essbaren Blüten – und ordnet ihnen passende Fächer zu. Ein interdisziplinäres Projekt, mit Tiefgang.
Warum sie jeder Frau empfiehlt einen Fächer zu verwenden, hat nicht nur damit zu tun, diese „ökologischste Form eines Kühlgeräts“ zu nutzen. Es ist die Eleganz, die Koketterie, die Gestik, die besonders ist. Denn jeder Fächer trägt eine Geschichte in sich, sagt Margaretha Marzura. „Man muss nur genauer hinsehen, um sie lesen zu können.“
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