„Lisa hat mich mutiger gemacht“

Am 21. März ist Welt-Down-Syndrom-Tag. Ein Tag, an dem die unterschiedlichsten Lebensrealitäten von Menschen mit Trisomie 21 ein wenig mehr in den Fokus der Gesellschaft rücken. Dies ist ein Einblick in die Geschichte von Monika Prenner, die vor 12 Jahren ihre Tochter Lisa zur Welt brachte. Die Geschichte erzählt aber auch von der Chance, über die eigenen Grenzen zu wachsen.

Nicole MÜHL / 28. Feber 2024

Monika Prenner mit ihrem Sohn Jonas und ihrer Tochter Lisa.

Monika Prenner muss immer wieder lachen, wenn sie über ihre Tochter Lisa redet. Ihre grauen Augen leuchten dann und richten sich blitzschnell auf ihren Sohn Jonas. Sein Grinsen zeigt, dass er in diesem Moment wohl dasselbe spitzbübische Bild von Lisa im Kopf hat wie seine Mama. Lisa ist 12 Jahre alt und für ihre Familie ein schlagfertiger Wirbelwind. Und sie liebt es, im Mittelpunkt zu stehen. Ganz anders als ihre Mama. Aber Jonas hat im Zuge eines Projektes an der HAK Oberwart kürzlich über sein großes Vorbild referiert und dabei seine Mutter ausgewählt. Das hat Monika Prenner mutig genug gemacht, auch hier über ihr Leben mit Lisa zu reden. Weitab von Begriffen wie „Powerfrau“ oder „Heldin“. Bei solchen Bezeichnungen muss sie lachen. „Das bin ich sicherlich nicht“, sagt sie. Und doch ist ihr Leben anders. 

Auf ihr zweites Kind haben sich Monika und Richard Prenner enorm gefreut. „Jonas war damals schon fünf Jahre alt und wir haben uns auf eine gesunde Tochter vorbereitet“, erzählt die in Friedberg lebende Notariatsassistentin. Alle Untersuchungen lieferten unauffällige Ergebnisse. Keine Anzeichen, dass Lisa doch nicht gesund sein könnte. Aber es kam eben anders. Kurz nach der Geburt wurden Auffälligkeiten in Richtung Trisomie 21 festgestellt. „Kinder mit Down-Syndrom haben oft auch einen Herzfehler. Lisa hat eine Herzfehler-Kombination, die sehr selten auftritt“, erzählt Monika Prenner. Bis heute hat Lisa bereits drei große Operationen hinter sich. Ihr Herz funktioniert nur durch einen Herzschrittmacher. 

Warum?

Die Frage nach dem Warum ist Monika Prenner hunderte Male durch den Kopf gegangen. Aber selbst, wenn sie während der Schwangerschaft die Diagnose erhalten hätte, hätte es nichts geändert. Lisa wäre in jedem Fall zur Welt gekommen. „Lisa zeigt uns, wie weit sie gehen mag und wo ihre Grenzen sind.“ Darin liege auch der Grund für ihre großartige Entwicklung. Kinder mit Down-Syndrom haben unglaubliche Fähigkeiten und Stärken, von denen wir lernen können, weiß Monika Prenner und betont dabei Lisas spontane Freude und unglaublichen Wortwitz: „Sie ist eine Bereicherung.“

Auch wenn es da die andere Seite gibt – die Sorge um das Kind aufgrund des Herzfehlers: „Vor jeder Operation zerreißt es dich beinahe.“ Aber Monika Prenner hat auch das angenommen. Auch, dass in Lisas Zimmer ein Gerät angebracht ist zur Überwachung des Schrittmachers in der Nacht. „Man lernt, nicht alle paar Minuten draufzublicken oder im Spital anzurufen“, sagt sie. 

Im Alter von zehn Jahren hat Monika Prenner ihren zweitältesten Bruder bei einem Verkehrsunfall verloren. Ein Schicksalsschlag, der sie enorm geprägt hat. Aber sie hat schon sehr früh gelernt, auch das Unbegreifliche zu akzeptieren und sich auf das Positive im Leben zu konzentrieren. Die Frage nach dem Warum stellt sie längst nicht mehr.

Auffangnetz

„Wenn werdende Eltern hören, dass ihr Kind mit Trisomie 21 zur Welt kommt, befürchten sie, dass jetzt das eigene Leben quasi vorbei ist und sie sich für das Kind aufopfern müssen“, erzählt Monika Prenner. Mit dieser Vorstellung will sie aufräumen. „In unserem Fall haben wir das Glück, in einer Großfamilie wunderbar eingebettet zu sein“, betont sie. Auch für ihren Sohn Jonas sei ihr das wichtig, weil immer jemand da ist. „Das ist großartig“, sagt sie und verweist gleichzeitig darauf, wie wichtig auch Lisas Platz in diesem Familiensystem ist. Seit dem Tod des Großvaters besucht sie ihre Oma täglich und spielt mit ihr Mensch-ärgere-dich-nicht. „An manchen Tagen sogar fünfmal“, lacht Monika Prenner. Lisa will eben, dass es allen gutgeht. 

Monika Prenner hat wieder zu arbeiten begonnen, als Lisa mit drei Jahren in den Kindergarten kam. „Das war mir wichtig“, sagt sie. Ihre Arbeit – zuerst in der Gemeinde und nun in einer Notariatskanzlei in Friedberg – mache sie sehr glücklich. „Und was sollte ich auch daheim tun“, lacht sie. Lisa ist inzwischen auch in der Schule wunderbar integriert.

Für ihre Tochter wünscht sie sich, dass sie einmal einen Job in der freien Marktwirtschaft findet. In einem Kaffeehaus sei sie einmal von einem jungen Mann mit Down-Syndrom bedient worden. Alle waren begeistert von seiner Freundlichkeit und Herzlichkeit. „Es wäre wunderbar, wenn mehr Unternehmen Menschen mit Behinderung eine Möglichkeit auf Arbeit geben würden. Nicht nur für ein Taschengeld, sondern für eine faire Entlohnung“, sagt Monika Prenner. Das habe etwas mit Würde zu tun. Ein inklusives Kaffeehaus wäre ihr Traum.

Monika Prenner ist nie eine gewesen, die widersprochen hat oder für eine Sache laut wurde. Durch die Behinderung und die Herzerkrankung ihrer Tochter habe sie viel erkämpfen und selbst organisieren müssen. „Aber die Liebe zu deinem Kind macht dich stark“, sagt sie. Vor acht Jahren hat sie mit einer anderen Mama eines Down-Syndrom-Kindes den Verein „Wirbelwind 21×3“ gegründet. Eine Anlaufstelle für Betroffene und eine Möglichkeit, sich auszutauschen. „Für Eltern ist es so wichtig, sich untereinander zu vernetzen. Man kann sich gegenseitig so viel weiterhelfen und es ist eine besondere Verbundenheit, weil man sich versteht“, erklärt sie ihre Beweggründe. Und auch, weil sie weiß, dass Menschen mit Down-Syndrom oft sehr sensibel sind und leicht vereinsamen. „Uns war bei der Gründung wichtig, ein Auffangnetz zu schaffen, damit das nicht passiert“, erklärt sie. 

Für ihre Tochter hat Monika Prenner gelernt, Dinge zu fordern und sich einzusetzen. Heute ist es ihr wichtig, dass sie ihre Meinung sagt und Zivilcourage zeigt. „Ohne Lisa wäre ich nie über meine Grenzen hinausgewachsen. Sie hat mich mutiger gemacht.

Veranstaltungstipp HALT! – Strategien zum Aufbau und Erhalt von Kooperation

Mag. Bernadette Wieser und/oder Dominik Dobaj
In dieser Kurzausbildung lernen die Teilnehmer:innen:
Haltlosen Kindern Halt und Wertschätzung geben
Aufbau von Impulskontrolle und kognitiver Flexibilität
Erfahrungsberichte
Dienstag, 6. August 2024, 10 – 17 Uhr, Pfarrzentrum Großpetersdorf, € 70,- inkl. Mittagsverpflegung
Anmeldung und Infos:
Sabine Pomper, 0664/1827903, kontakt@wirbelwind21x3.at

Lisa, ein junges Mädchen steht neben ihrem fünf Jahre älteren Bruder Jonas, der auf einer Bank sitzt. sie hält die Hand auf seiner Schulter. Beide sind in T-Shirts und kurzen Hosen. Lisa trägt ein weißes Shirt, Jonas ein schwarzes mit der Aufschrift "Just Chill". Sie befinden sich auf einer Terrasse vor einem Geländer.

Für ihren Bruder Jonas und ihre Eltern (am Foto unten mit Papa Richard) ist Lisa ein schlagfertiger Wirbelwind.

Vater und Tochter lächeln in die Kamera. Richard Prenner mit seiner Tochter Lisa. Der Vater trägt ein grün kariertes Sommerhemd. Lisa ist an ihn geschieht und trägt ein rotes Sommer-Shirt. Beide lächeln in die Kamera. Leere Gläser stehen vor ihnen.
Ein schwer-weiß-Foto. Lisa mit ihrer Großmutter beim Mensch-ärgere-dich-nicht-Spielen.

Ihre Großmutter besucht Lisa täglich und spielt mit ihr „Mensch-ärgere dich-nicht“.

Lisa hat Trisomie 21. Sie trägt einen hellen Strohhut, ist an einen großen Baum gelehnt und hat die Arme verschränkt. sIe trägt ein blau-weiß-gestreiftes Sommerkleid und eine Brille und lächelt in die Kamera.

Lisa ist ein richtiger Sonnenschein.

Was ist das Down-Syndrom?

Menschen mit Down-Syndrom tragen in ihren Körperzellen 47 statt der üblichen 46 Chromosomen. Das 21. Chromosom ist dreifach vorhanden, daher „Trisomie 21”. Dieses überschüssige Chromosom trägt jene Gene, die Menschen mit Down-Syndrom so unverwechselbar machen. Down-Syndrom ist keine Krankheit. Kann und braucht daher nicht geheilt werden. Menschen mit Down-Syndrom haben – wie alle von uns – unterschiedliche Talente und Begabungen. Ihr intellektuelles Entwicklungspotenzial wird mit zunehmender Forschung und Förderung viel höher als noch vor etwa 20 Jahren eingeschätzt. Sie erreichen Lernziele in ihrem individuellen Entwicklungstempo. Weltweit hat etwa jedes 700. bis 800. Baby Trisomie 21 – übrigens zu allen Zeiten und in allen Kulturen. Down-Syndrom entsteht durch Zufall.
Die Entwicklung eines Kindes mit Down-Syndrom verläuft insgesamt langsamer – gemütlicher – als die seiner Altersgenossen. Einige körperliche Besonderheiten unterscheidet es von anderen – jedoch lassen sich z.B. hohe Infektanfälligkeit, Fehlfunktion der Schilddrüse, Herzfehler, Veränderungen im Magen-Darmbereich, bei früher Diagnose und gezielter therapeutischer Intervention meist medizinisch erfolgreich behandeln. Natürlich tragen nicht alle Kinder alle Merkmale des Syndroms.
Quelle: Down-Syndrom Österreich (www.down-syndrom.at)

Wirbelwind 21×3

2016 haben Monika Prenner aus Friedberg und Sabine Pomper aus Großpetersdorf den Verein „Wirbelwind 21×3“ gegründet. Ein Verein für Kinder mit Trisomie 21 und deren Eltern, um sich auszutauschen und Freundschaften zu schließen. www.wirbelwind21x3.at

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Eine Antwort

  1. Birgit Zottler

    Liebe Monika!
    Deine Erfahrungen können wir nur BESTÄTIGEN!!! Unser David ist jetzt 19 Jahre und hat 2 grosse Schwestern die ihn in allen Lenensphasen sehr motiviert haben. Auch unser Netzwerk um uns ist großartig und stärkt uns in unserem Alltag! David ist ein begeisterter Sportler! Dieses Talent wollten wir fördern und so haben wir den Verein Union Inklusionsteam Joggland gegründet! Sport in einer Gemeinschaft erleben und Inklusion in der Region zu leben- war unser Ziel!
    Jetzt besucht David noch die Fachschule in Hartberg. Für sein Langzeit Praktikum haben wir drei Betriebe in Birkfeld gefunden die ihm die Möglichkeit geben im Freien Arbeitsmarkt Erfahrungen zu sammeln. Menschen mit Trisomie 21 sind sehr lernfähig und können sicher viel schaffen- wenn man ihnen die Möglichkeit bietet und gewisse Rahmenbedingungen schafft.