Porträt

Zwischen Himmel und Hölle

Sie heißt April Fasching. Wer einen solchen Namen trägt, macht neugierig darauf, ob die Lebensgeschichte dahinter wohl auch so bunt ist. Ist sie. Aber auch mit vielen Schattenseiten. „Vom Dschungelkind zum Gotteskind“ hat sie ihre Biografie genannt. Eine Reise über 35.000 Kilometer. Oder: vom Paradies in die Hölle – und zurück.

Foto: Prima

Die Oberwarterin April Fasching wurde in Wales geboren und hat nun ihre Biografie geschrieben.

 

April Fasching lächelt. Gerade ist ihr eine Szene aus ihrer Kindheit mit ihrer Mutter eingefallen. Sie sieht die bildschöne junge Frau, die den Wohnwagen öffnet, den Korb mit der Wäsche nimmt und sich auf den Weg in den Waschraum macht. Die vierjährige April läuft lachend neben ihr her.

Sie sind in Wales, an der Küste bei Swansea.
Bis vor drei Jahren war für April Fasching die Erinnerung an ihre Mutter völlig verschwunden. Erst in diesen letzten Jahren ist sie wiedergekehrt. Wie ein Puzzle setzt sich seither Stück für Stück alles wieder zusammen. Dazwischen steckt ein Leben, das mitunter einer Achterbahnfahrt gleicht.

Der Schock, der die Erinnerungen an die Mutter ausgelöscht hat, passierte April Fasching im Alter von 8 Jahren.  35.000 Kilometer hat April als Kind mit ihren Eltern innerhalb eines Jahres quer durch die halbe Welt zurückgelegt. Ausgangspunkt war Malaysia. Dann, knapp vor ihrem Heimatort in Wales, kam der Moment, der alles im Leben veränderte. Der Anfang der Hölle. Doch die Geschichte beginnt mit einer wunderbaren Kindheit.

England im Wohnwagen

April wurde in Wales geboren. „Meine Eltern stammen beide aus Niederösterreich, aber mein Vater wollte schon immer nach England. Als er hörte, dass er dort in einem Bergwerk arbeiten kann, packte er seine Frau zusammen, und so wurde ich in Wales geboren. Es war meine erste Heimat“, erzählt April Fasching. Weil die Eltern kein Geld für ein Haus hatten, kauften sie einen Wohnwagen und stellten diesen an einen der schönsten Strände Großbritanniens – an die Küste bei Swansea. Es war Mitte der 1960er- Jahre. „Für mich war das als Kind einfach unbeschreiblich schön.

Wenn ich morgens die Tür des Wohnwagens aufmachte, sah ich die unendliche Weite des Ozeans. Ich habe meine ersten fünf Jahre in dieser wunderbaren Freiheit ohne Zwang erfahren dürfen“, erzählt April Fasching. Der Wohnwagen war lange Zeit ihr Zuhause. Mehr brauchte die Familie nicht. Als dann das Angebot für den Vater kam, im Dschungel von Malaysia an einem Wasserkraftwerk mitzubauen, war die Entscheidung für die abenteuerlustige Familie klar. Die deutsche Firma hat für die Arbeiter und deren Familien eigens eine Siedlung mitten im Dschungel errichtet.

Das Dschungelkind

Sie lebten in Bungalows, und ein Hausmädchen half bei den täglichen Arbeiten. „Es gab dort sogar eine extra für uns Kinder errichtete Schule. Aber es gab keinen Zwang. Wenn es mir gefiel, verbachte ich den Tag beim Wasserfall mit meinen Freunden. Ich kannte keine Verbote“, erzählt April Fasching.

Der Vater war für sie immer wie Indiana Jones. Wenn er frei hatte, nahm er seine Tochter huckepack, steckte ein paar Konservendosen ein, sein Buschmesser und machte sich mit seiner kleinen Familie auf zu den Ureinwohnern im Dschungel. Diese Weltoffenheit und das Zugehen auf andere hat April Fasching von ihren Eltern gelernt. Und auch, dass damit Brücken niedergerissen werden können.

„Zum Häuptling entwickelte sich mit der Zeit eine tiefe Freundschaft“, sagt April. Dieser lehrte die Familie, wie man Pfeile mit Bambusrohren abfeuert oder Schlangen fängt und wie man sie zubereitet. „Ich hatte als Kind vor nichts Angst“, sagt sie heute. Als das Projekt nach drei Jahren abgeschlossen war, plante der Vater den nächsten Vertrag für Saudi Arabien. Aber vorher wollte er sich eine Auszeit von einem Jahr nehmen, um mit seiner Familie im Auto – einem Opel Rekord – von Malaysia ausgehend zurück nach England zu fahren.

Die Reise

Indien, Pakistan, Iran, Jordanien, Libanon. Sie sahen den Taj Mahal, den Palast des Schahs von Persien, April ritt bereits als 8-Jährige durch die Schlucht der Felsenstadt Petra. 35.000 Kilometer legte die Familie im Auto zurück und sah sich dabei die halbe Welt an. Während der Autofahrten wurde April von ihren Eltern unterrichtet. Zum Schlafen wurden die Rückbänke des Opels umgelegt. Auf einer Kiste am Autodach wurden Matratzen, Gaskocher und Lebensmittel transportiert. „Wenn wir ein Land besucht hatten, schrieb mein Vater den Namen auf die Kiste“, erzählt sie.

„Es ist eigentlich unvorstellbar, dass wir damals in Ländern, die heute durch Krieg und Terror völlig zerstört sind, einfach irgendwo unseren Wagen abgestellt und dort übernachtet haben“, sagt April Fasching. Es war ein Jahr, das für die 8-Jährige voller unglaublicher Eindrücke und Erfahrungen war. Und vor allem – „ich war rund um die Uhr mit meinen Eltern zusammen. Für mich war dies alles wie das Paradies.“

Das Ende kam in Cardiff, der Hauptstadt von Wales. Etwa eine Stunde vor dem Heimatort, wo bereits Freunde die Familie mit einem Fest in der alten Heimat begrüßen wollten. Es war ein völlig verregneter Tag. Der Wagen kam wie aus dem Nichts und raste frontal in das Auto der Heimkehrer. Aprils Mutter war sofort tot.

Einmal Hölle…

Der Vater wusste sich in England nicht zu helfen mit der 8-Jährigen. So kam sie nach Wien zu Verwandten und wurde in die vierte Klasse Volksschule eingeschult. „Die Lehrer bezeichneten mich als völlig verwildert“, erinnert sich April Fasching. Lernschwierigkeiten hatte sie nie. Aber mit dem Gehorsam gab es einige Probleme. „Ich hatte ja sehr frei gelebt und mir wurde nie ein Wille aufgezwängt. Für mich war das damals ein riesiger Schock“, sagt sie. Es folgte ein Schulverweis und ihr Onkel meinte, dass es wohl am besten sei, sie in einer Klosterschule unterzubringen. Dort werde sie schon Disziplin lernen.

April erfuhr dort viele Misshandlungen. Nächtelanges Beten im Waschraum, kein Toilettengang nach 20 Uhr, das erbrochene Essen musste sie nochmals hinunterwürgen. „Aber meinen Glauben an mich selbst konnten sie nicht zerstören, denn ich hatte so viel Selbstbewusstsein und Liebe durch meine Eltern in meiner Kindheit mitbekommen, dass die Klosterschwestern mich zwar misshandeln, aber niemals meinen Willen brechen konnten“, sagt sie.

Der Vater konnte nur gelegentlich aus England auf Besuch kommen. Im letzten, dritten Jahr in der Klosterschule bemerkte er Verletzungen am Kopf seiner Tochter, die ihr durch das Reißen der Klosterschwestern an den Haaren zugefügt wurden. Die Erlösung aus dem Martyrium folgte für April unmittelbar. Wenige Monate später zog sie mit ihrem Vater nach Oberwart, wo dieser die Inhaberin eines Modehauses heiratete.

…und zurück

April Fasching hat sich heute mit der Hölle, die sie damals erlebt hat, ausgesöhnt. Vor etwa zehn Jahren hat sie die Klosterschule nochmals besucht und Frieden geschlossen.

Auch mit vielen anderen Begebenheiten in ihrem Leben. Lange Zeit versuchte sie in der Esoterik Antworten auf offene Fragen zu finden. Vor allem, warum sie sich nicht mehr an ihre Mutter erinnern konnte. Der Esoterik-Szene hat sie vor drei Jahren völlig den Rücken gekehrt, denn ihre Antworten hat sie erst gefunden, als sie begann, die Bibel zu studieren. Und eines Tages passierte es wie von selbst. Die Erinnerungen an ihre Mutter kamen zurück. An ihr Gesicht, an Szenen mit ihr in England und Malaysia und an die vielen Erlebnisse mit ihrer Mutter auf der Reise quer durch die halbe Welt. April Fasching lächelt. Gerade hat sie wieder ein Bild von ihr im Kopf.

Vom Dschungelkind zum Gotteskind
Vom Paradies in die Hölle und wieder retour
April Fasching
erhältlich bei
Buchhandlung Desch-Drexler, Pinkafeld, www.desch-drexler.at
und bei Morawa

Die Oberwarterin April Fasching mit ihrer Mutter.

Einen Teil ihrer Kindheit verbrachte sie im Dschungel von Malaysia.

Statt Schulbesuch spielte sie oft mit den Kindern der Ureinwohner.

35.000 Kilometer legte die kleine April mit ihren Eltern im Auto auf dem Weg von Malaysia nach England zurück. Dafür nahm sich die Familie ein Jahr Zeit, um die Länder, die Kulturen und Sehenswürdigkeiten kennenzulernen.

Die Namen der bereisten Länder schrieb der Vater auf die Kiste, die am Autodach transportiert wurde.


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