Interview

„Mein Heimatvolk, mein Heimatland …“

Pathos und Politik im kritischen Blick.

Foto © Burgenländisches Landesarchiv

Peter Zauner (links) mit seiner Bauernkapelle auf Reisen zur NS-Messe in Leipzig. Zauner hat die Melodie der Burgenländischen Landeshymne geschrieben. 

 

Ausgerechnet in den Tagen der Krönung von Charles III., als sich die halbe Welt royal-medial vom hymnischen „God save the King!“ begeistern ließ, tönte hierzulande Kritik der IG Autoren an einigen Landeshymnen: Niederösterreich, Kärnten, Oberösterreich, Salzburg und Tirol sollten antisemitische, deutschnationale, undemokratische und kriegsverliebte Textpassagen streichen. Dem Protest folgten Umfragen: „Lasst die Hymnen doch, wie sie sind!“ war mehrheitlich zu vernehmen. Dissonanzen in offiziellen Reimen und Klängen und die Nähe von Autoren und Komponisten zum Nationalsozialismus scheinen kaum aufzuregen. Die Burgenländische Landeshymne geriet – ebenso wie das „Dachsteinlied“ der Steiermark – nicht ins Visier der Kritik. 

„prima!“ wirft trotzdem gemeinsam mit dem Historiker Herbert Brettl einen Blick auf Hintergründe und Zwischentöne: „Mein Heimatvolk, mein Heimatland!“ ist ein pathetisch verfasstes und klingendes Ergebnis vaterländisch und patriotisch geprägter Politik. Den politischen Kräften im austrofaschistischen Ständestaat war es wichtig, die Verbundenheit des Burgenlandes mit Österreich zu betonen. Dem politischen Zeitgeist entsprechend hat man verordnetes Heimatbewusstsein in Reime und Noten verpackt.

„Am Bett der Raab, am Heiderand …“ – eine Art hymnisch klingender Nord-Süd-Verbindung – ist als Refrain der ersten Strophe wohl vielen Burgenländer*innen vertraut, von Schulzeit an. Der bei festlichen Anlässen meist unerlässliche Ausklang stammt aus der Feder des Pöttschinger Bauern und Musikers Peter Zauner (1886 – 1973), den Text hatte der in Steinberg lebende Lehrer Ernst Joseph Görlich (1905 – 1973) verfasst.

 

Was weiß man über Leben, Wirken und Gesinnung des Dorfkapellmeisters Peter Zauner?  

Herbert Brettl: Zauner war ein Kleinbauer und Schuster. Als begeisterter Musiker war er mit seiner Pöttschinger Bauernkapelle sehr bekannt und hat den Wettbewerb für die Melodie des schon vorhandenen Textes zur Landeshymne gewonnen. Später – nach 1945 – wird ihm von verschiedenen Seiten bescheinigt, dass er ein überzeugter Christlich-Sozialer gewesen sei. Er wird oft beschrieben als „typischer Schwarzer“. Allerdings hat er sich doch in gewissem Sinne politisch betätigt, und zwar im Bereich der Musik. Im März 1938 fand die erste sogenannte KdF-Fahrt – „Kraft durch Freude“ war ein Aktions- und Freizeitprogramm der Nationalsozialisten – von 500 Personen aus dem Nordburgenland nach Leipzig statt. Peter Zauner hat mit seiner Musikkapelle diese Fahrt begleitet. Der Besuch der Leipziger Messe war eine Art Belohnung von Arbeitern und Aktivisten der NSDAP und im Rahmen der Messe ist auch Adolf Hitler mit einer Rede aufgetreten.

 

War Peter Zauner in der NSDAP aktiv? 

Ja. Er hat selbst angegeben, dass er sich im Dezember 1938 als Anwärter bei der NSDAP gemeldet, also um Aufnahme in die Partei angesucht hat. Er hat nach 1945 geschrieben, dass er dazu genötigt worden sei. Als Musikschullehrer, Kapellmeister und in seinen Funktionen als Obmann der örtlichen Winzergenossenschaft und der Tabakverwertungsgenossenschaft sei ihm nahegelegt worden, der Partei beizutreten. Außerdem hat er eine Funktion beim sogenannten „Reichsnährstand“, einem Programm zur Wiederverwertung von Nahrungsmitteln, übernommen. 

 

War Zauner ein Mitläufer des NS-Regimes?

Er war sozusagen ein Opportunist, weil er durch die Mitgliedschaft in der NSDAP seine Funktionen weiter behalten durfte. Übrigens eine ganz typische Karriere zu dieser Zeit. Und auch nicht untypisch waren die nach dem Krieg bei verschiedenen Stellen wie z.B. dem Ortspfarrer eingeholten Bestätigungen, dass er nie ein Nazi gewesen sei. Er hatte sich aber trotzdem um Aufnahme in die NSDAP beworben. 

 

Was weiß man über die politische Gesinnung des Textautors der Landeshymne, des in Steinberg tätigen Lehrers Dr. Ernst Joseph Görlich? 

Es wird immer wieder behauptet, dass er ein Gegner der NSDAP war. Zur Zeit des austrofaschistischen, katholischen Ständestaates trat er oft als Festredner auf. Mitglied der NSDAP war er nicht. 

 

Die Burgenländische Landeshymne, vor allem deren Text, ist ja kein politisch neutrales Werk, sondern entstand auf Initiative einer politischen Gruppierung. 

Anfang der 1920er und 30er-Jahre war man im Land bemüht, sich von Ungarn abzugrenzen und eine eigene Identität zu finden. Dazu sind Symbole wie Landespatron oder Landesfarben und auch eine Hymne sehr wichtig. Interessanterweise ist die Hymne erst nach 1930 durch das damalige Regime des Ständestaates initiiert worden. Eine Ausschreibung zum Wettbewerb für den Text der Landeshymne findet man 1935 in der Parteizeitung „Das Burgenländische Volksblatt“. Es war also eine Initiative in einer autoritär geführten Kanzlerdiktatur. Das katholische Element „Gottes Vaterhand“ hat bei der Entscheidung der Jury ebenso eine Rolle gespielt wie die Begriffe „Heimatvolk“ und „Heimatland“ und „mit Österreich verbunden“, um die Verbindung zum Bundesstaat Österreich zu betonen. Diese Diktion entsprach dem Ständestaat.  

 

Die Burgenländische Landeshymne war zunächst nur zwei Jahre (1936 bis 1938) amtlich gültig, weil unter NS-Herrschaft das Burgenland ausgelöscht wurde. Blieb sie nach dem Krieg unverändert?

Interessant ist, dass die Landeshymne mit Beschluss des Landtages vom 9. Oktober 1949 in ihrer bereits bestehenden Fassung wieder eingeführt wurde. Das zuständige Hochkommissariat der Sowjetischen Besatzung hatte keine Einwände, weil es im Text der Hymne keinerlei Verstöße „gegen demokratiepolitische Grundsätze“ feststellte. Im Text finden sich keine Deutschtümelei und auch kein Antisemitismus. Trotzdem lohnt es sich, den damals vor allem zur Zeit des Ständestaats dominierenden politischen Zeitgeist zu beachten, um die Landeshymne, den Komponisten, den Autor und ihre Entstehungsgeschichte besser zu verstehen. 


„Ham nach Fürstenfeld“ und „Drunt’ im Burgenland“

„Hoch vom Dachstein an …“ zählt – neben dem STS-Hit „I wü ham nach Fürstenfeld“ – zu den steirischen Ohrwürmern schlechthin. An der Hymne (Text: Jakob Dirnböck, Melodie: Domorganist Carl Seydler) fanden die kritischen Autoren nichts auszusetzen. Lediglich an den dort besungenen Grenzen des „Steyrerlands“ hört man hin und wieder Kritik: Die reichen nämlich laut Text bis weit nach Slowenien hinein. 

Stichwort Ohrwürmer: Mit „heimlichen“ Hymnen gelingt es manchmal eher, so etwas wie Identität in den Bundesländern zu schaffen als mit den traditionsbelasteten Landesliedern. Nicht zufällig hat „Die schöne Burgenländerin“ die Landeshymne längst an Prominenz überholt. Apropos Bundesländer: Wien hat gar keine Hymne …


Der Text „Mein Heimatvolk, mein Heimatland“ stammt von Ernst Joseph Görlich, er war Lehrer an der katholischen Lehrerinnenbildungsanstalt in Steinberg.

Der studierte Historiker Dr. Herbert Brettl ist gebürtiger Halbturner. Er lehrt u.a. an der Pädagogischen Akademie in Eisenstadt und ist renommierter Forscher zur burgenländischen Landesgeschichte. Von ihm stammt außerdem das Buch „Nationalsozialismus im Burgenland“. Gemeinsam mit dem Historiker Gerhard Baumgartner hat er das Buch „Einfach weg!“– Verschwundene Romasiedlungen im Burgenland veröffentlicht.
https://www.brettl.at < blog

Hören Sie dazu auch den prima! Podcast

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von Spotify zu laden.

Inhalt laden


Schreibe einen Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

1 Antworten