Reportage

Auf den Spuren der Geister

Pinkafeld ist eine besonders sagenumwobene Stadt im Südburgenland. Es sind schaurige Legenden, die man noch heute den jungen Generationen weitererzählt, wenn unter anderem vom „Holzknechtseppl“, dem „feurigen Reiter“, den „Hexenprozessen“ oder dem „Grünjankerl“ die Rede ist. All diese Sagen und Geschichten lassen sich in Pinkafeld bei einem Spaziergang auf dem Geisterpfad per Hörspiel erleben. prima! war passend zur dunklen Jahreszeit auf den Spuren der Geister der Vergangenheit.  

(c) Eva Maria Kamper

 

Langsam schreitet er voran, der Nachtwächter. Ganz edel, mit seinem schwarzen, langen Mantel und seinem Hut. Der schwache Lichtstrahl seiner Öllaterne zeigt ihm den Weg durch die Gassen. Begleitet von einer Menschenschar, die sich sogleich andächtig um die nächste Station mit dem Grünjankerl-Kobold versammelt. Unter ihr viele Kinder, die den Nachtwächter gebannt umringen und mit großen Augen auf die nächste Geschichte warten. 

Sagen und Geschichten

Der „Nachtwächter“ und Initiator Christian Putz hat in dieses Projekt ganz viel Herzblut hineingesteckt. „Schon vor 20 Jahren ist diese Idee in England geboren worden, als ich einen „Ghostwalk“ entdeckt habe, wo ein Fremdenführer gruselige Geschichten erzählt hat. Da ich die Pinkafelder Sagen seit meiner Kindheit kenne, hab‘ ich mir sofort gedacht, das wäre doch auch was für uns“, schwelgt Christian Putz in Erinnerungen. Nachdem dieses Vorhaben viele Jahre quasi nur im Nachtkästchen geschlummert hat, durfte es 2021 in Zusammenarbeit mit Rudolf Köberl vom Museumsverein Pinkafeld Gestalt annehmen. 

Erlebnis per Smartphone

„Wir haben begonnen, die Sagen zu sammeln und aufzuarbeiten. Die erste Veranstaltung mit dem gemeinsamen Marsch zu den sagenumwobenen Orten in Pinkafeld war ein voller Erfolg mit regem Interesse aus der Bevölkerung.  Um den Geisterpfad auf einer Route quer durch Pinkafeld aber auch selbstständig und jederzeit privat begehen zu können, hatten wir die Idee, die Geschichten eigens als Hörbuch im Tonstudio aufzunehmen. Diese sollten an errichteten Stationen mittels QR-Code als Audio-Datei abrufbar sein, um sich als Zuhörer mitten in der Sage zu befinden“, sagt Christian Putz über die Grundidee des Projekts. „Alles, was man dazu braucht, ist ein Smartphone, das eine digitale Kamera besitzt. Wenn man den schwarz-weißen Code fotografiert, springt das Smartphone automatisch auf die Webseite, wo man die Sage, die zu dem Ort der Station gehört, anhören kann“, erklärt Christian Putz die einfache Handhabung.  

Grünjankerl-Kobold

Die größte Herausforderung wäre aber die Gestaltung der Geisterpfad-Stationen gewesen, um die Orte zu kennzeichnen. „Sie sollten zumal beständig und wetterfest sein und zum Beispiel auch Streusalz aushalten“, schildert Christian Putz. Dankenswerter Weise hat die Stadt Pinkafeld ausgeholfen, massive Steinsockel zu installieren. Und die eigentliche Frage stellte sich auch nach der Optik des Maskottchens. „Wir haben uns aus all den Sagen für die Figur des ‚Grünjankerls‘ entschieden. Einem kleinen liebenswerten Kobold, der im Herrschaftswald gewohnt haben soll, der Tiere beschützt, Tierquäler bestraft und Tierfreunde belohnt. Es war aber alles andere als einfach, diesem fiktiven Kobold eine Gestalt zu verschaffen, der bewusst nicht einem klassischen Gartenzwerg ähnelt.“ 

Und so wurde mit der Schaffung der Skulptur des „Grünjankerls” vom Museumsverein die seit 2013 in Pinkafeld lebende freischaffende Künstlerin Marion Brandstetter-Pöll beauftragt. Die Originalfigur besteht aus Edelserpentin. Die acht Stationen des Geisterpfades sind idente Bronzegüsse. 

Gemeinsame Finanzierung

Die Gesamtkosten des Geisterpfades beliefen sich auf 17.700 Euro. Gefördert wurde das Projekt (anlässlich 100 Jahre Burgenland) mit 5.000 Euro vom Land Burgenland und mit 2.700 Euro von der Stadtgemeinde Pinkafeld. Durch Sponsorenbeiträge von 17 Gastronomiebetrieben und Unternehmen wurden 6.500 Euro bereitgestellt und auch der Museumsverein übernahm mit 3.500 Euro einen Teil der Finanzierung. Selbst einige Pinkafelder Gastronomen haben das Projekt auf kulinarische Art und Weise unterstützt, indem sie mit eigenen Kreationen wie „Geistermuffins“, „Grünjankerltorte“ oder dem „Holzknechtsteak“ zur Stärkung geladen haben. Mehrmals im Jahr findet ein gemeinsamer öffentlicher Geistermarsch mit dem „Nachtwächter“ Christian Putz statt. 


Der Pinkafelder Geisterpfad

Acht Stationen mit dem Grünjankerl-Kobold und dem QR-Code verbinden die Route auf dem Geisterpfad. Gestartet wird beim Grünjankerl neben dem Stadtmuseum Pinkafeld hinunter zur katholischen Kirche. Als nächstes wartet eine Station beim Schloss Batthyány. Für die Stationen vier und fünf spaziert man bis zum Eisteich. Die sechste Geschichte entdeckt man am Ufer der Pinka nahe der Grazer Straße. Unweit der Mariensäule befindet sich die siebente Station. Das letzte Grünjankerl des Geisterpfades wartet beim Rathaus. Mit dem Smartphone wird der QR-Code auf dem Steinsockel eingescannt, in dem man die Kamera öffnet. Die Geschichten sind auf Deutsch und Englisch verfügbar. Dauer: ca. 1,5 Stunden (4 km).

Idee und Konzept: Christian Putz

Plastik: Marion Brandstetter-Pöll

Layout: Jürgen Hofer

IT-Unterstützung: Heinz Bundschuh

Organisation: Rudolf Köberl

www.museumpinkafeld.at


Die Sage um das Grünjankerl

Wenn früher Fuhrwerker von Loipersdorf nach Pinkafeld fuhren, dann mussten sie durch den Herrschaftswald. Dort, draußen beim Niklashof, wo die Römerstraße verläuft, gab es das Luamgrobmbachl. Und dort wohnte ein Kobold, das sogenannte Grünjankerl.

Dieses Grünjankerl hatte eine Leidenschaft. Immer, wenn ein Fuhrwerker vorbeifuhr, setzte es sich hinten auf die Wagenstange, auf den Launwied. Und wenn der Fuhrwerker ein braver Mann war und seine Pferde gut behandelte, dann sorgte das Grünjankerl dafür, dass er nicht stecken blieb, egal wie viele Löcher der Regen ausgeschwemmt hatte oder wie schlammig es war.

Hat der Fuhrwerker aber seine Pferde geschlagen, hat er gotteslästerlich geflucht oder wollte er gar das Grünjankerl vom Wagen hinuntertreten, so hat es dafür gesorgt, dass er steckengeblieben ist, dass ein Rad brach oder der Wagen sogar umstürzte.

Eines Tages wollte ein ungehobelter Loipersdorfer Fuhrwerker sich am Grünjankerl rächen. Er hatte ein paar Tage vorher sein Pferd blutig geschlagen und das Grünjankerl hatte dafür gesorgt, dass er im Schlamm stecken blieb. Daraufhin hat er zu Fuß seine Brüder holen müssen, um den Wagen aus dem Schlamm zu ziehen.

Sein Plan war folgender: Er sägte die Wagenstange an, damit sie unter dem Gewicht des Grünjankerls abbrechen würde und dann wollte er das verdatterte Manderl knebeln und in einen Hasenstall sperren.

Er fuhr also durch den Herrschaftswald. Und tatsächlich, als er zum Bachl kam, da hörte er ein Knacken in den Ästen und sah einen kleinen Schatten auf den Wagen springen. „Jetzt hab i di, du Gfrast!“ dachte er. Und er hat sich umgedreht, und in dem Moment fuhr er über einen Stein und es schleuderte ihn vom Sitz. Er fiel dabei so unglücklich, dass er sich ein Bein und einen Arm brach. Und weil er gar so laut fluchte und das Grünjankerl schimpfte, spannte der Kobold das Pferd aus und ließ es frei und der Mann musste mit dem gebrochenen Bein den ganzen Weg nach Pinkafeld robben. Zeit seines Lebens wurde er an diesen Tag erinnert, weil sein Bein nicht mehr richtig zusammenwuchs und es bei jedem Regen schmerzte.

Das Grünjankerl ist nun aber schon seit ein paar Jahrzehnten nicht mehr gesehen worden. Angeblich hat es mit zunehmendem Alter eine Fichtenallergie entwickelt und hat sich einen anderen Wald gesucht. Wobei – in letzter Zeit werden im Herrschaftswald wieder mehr Laubbäume gesetzt – man sollte dort also lieber nicht fluchen und keinen Müll hinterlassen. Denn es kann leicht sein, dass das Grünjankerl wieder auf seinen Wald aufpasst. 

(basierend auf der Erzählung „S’Grünjankerl.

Eine Sage aus Pinkafeld“ von Theo Bruckner.) 


Das Original des Grünjankerl-Kobolds aus Edelserpentin stammt von der Künstlerin Marion Brandstetter-Pöll und ist im Stadtmuseum Pinkafeld ausgestellt. Die Stationen des Geisterpfades sind identisch aus Bronze gegossen.

Die Grünjankerl-Statue.

"Nachtwächter” und Initiator Christian Putz führt bei öffentlichen Führungen mit Herzblut durch den Geisterpfad und kennt alle schaurigen Sagen von Pinkafeld seit seiner Kindheit.

Christian Putz beim Pinkafelder Geisterpfad

"Nachtwächter" Christian Putz mit Laterne.

Der Geisterpfad brachte die Besucher*innen zum Staunen.

Eindruck von der Eröffnung des Geisterpfades.

Für die Unterhaltung von Groß und Klein war bei der Eröffnung des Pinkafelder Geisterpfades gesorgt.

Die Pinkafelder Gastronomie hat sich vom Geisterpfad inspirieren lassen:
Café-Konditorei Träger hat eine Grünjankerl-Torte kreiert, die Konditorei Ulreich bietet Geister-Muffins an, das Restaurant Szemes hat sich sogar eine eigene Geisterpfad-Karte überlegt und zu jeder Geschichte ein Gericht ausgedacht.

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