Reportage

Auf einen Espresso

Betritt man seinen Laden, kommt man in eine eigene Welt. Säcke mit Aufdrucken, die ihre exotische Herkunft belegen, lagern im hinteren Bereich. Eine Tafel kündet an, welche drei Sorten man heute im Kaffeehaus trinken kann und welchen Kuchen es gibt. Überhaupt liegt ein ganz besonderer Kaffeduft in der Luft. Günter Bohuslav, der Kaffeeröster und Barista ist ein sehr eigener Mensch. Sein Fernweh hat den gebürtigen Wiener schon in jungen Jahren in die weite Welt verschlagen. Er lebte 27 Jahre in verschiedenen Ecken der Welt, übte verschiedenste Berufe aus, vom Küchenchef und schließlich Hoteldirektor in Mexiko bis hin zu einer Kunstgalerie in Wien. „Im Herzen bin ich ein Zigeuner“, so sagt er über sich selbst. In Hartberg ist er mit seinem kleinen Kaffeehaus „Short Black“ und der darin befindlichen Kaffeerösterei „Boh‘s Beans“ seit fünf Jahren ansässig. Zeit, sich bei einem Espresso über Kaffee zu unterhalten.

Foto: Olga Seus

Viele trinken ihn als Suchtmittel, nutzen den Koffeingehalt, um morgens munter zu werden, ohne darüber nachzudenken, was Kaffee wirklich bewirkt. Hier ist das anders. Im Gegensatz zu den meisten handelsüblichen Kaffees kann man sich bei Günter Bohuslav, kurz Boh, darauf verlassen, dass man ausschließlich Arabica-Bohnen erhält. Die Säcke stehen im Laden, gegenüber die Röstmaschine, die nahezu jeden Vormittag läuft. Zuschauen ist erlaubt.

Rösten nach der Wiener Art – und mit Fingerspitzengefühl

„Heutzutage kann man das Rösten mittels eines an den Trommelröster angeschlossenen Computers schon im Vorhinein ganz exakt programmieren, sodass man eigentlich nichts mehr machen müsste“, so Boh. „Das Wissen, die Programmierung kann man lernen, aber das Gespür für die Bohne nicht.“ Dieses Gespür ist es aber, was seine Röstung ausmacht. Boh erzählt, dass er im Vorhinein bereits den Geschmack des fertigen Kaffees auf der Zunge hat, bevor er startet.

Bei den bis zu 1.000 Aromastoffen, die die Arabica-Bohne enthält, kann man mit der zugeführten Hitze und der Temperaturanstiegskurve ziemlich variieren, um ein bestimmtes Verhältnis von Geschmacks- und Röstaromen zu erzielen. Dazu verlässt Boh sich nicht auf ein Programm, sondern er sitzt selbst neben seiner Maschine, hört genau hin, wann die Bohnen aufbrechen, „first crack“ wird dieser Moment genannt. Ein bisschen wie beim Popcornmachen hört sich das an, erfordert jedoch viel Fingerspitzengefühl. Dafür möchte man, wenn die fertig gerösteten Bohnen aus der Maschine kommen, am liebsten gleich in dem Geruch baden, so intensiv einladend duftet das.

Boh röstet nach der Wiener Röstung, d.h. man wartet den „first crack“ ab, der bei 200 Grad liegt, röstet alle Bohnen durch, aber schaltet vor dem „zweiten Crack“ ab, der sich bei etwa 220 Grad einstellen würde. Dann wären die Bohnen „italienisch“ geröstet und um einiges dunkler als bei der Wiener Röstung. Für Boh haben diese zu viele Röst- und zu wenig Kaffeearomen. Das gibt es bei dem strengen Perfektionisten nicht.

Kaffee aus der Arabica-Bohne schadet der Gesundheit nicht!

Günter Bohuslav verkauft nur Kaffee, hinter dem er voll und ganz stehen kann und den er selbst gerne trinkt. Bis zu zehn Espressi am Tag. Ob ihm das schadet? Nein, denn hier kommt wieder die Arabica ins Spiel: Kaffee aus dieser Bohne ist ein anerkanntes Regulativ sowohl bei hohem als auch bei niederem Blutdruck und für das gesamte Herz-Kreislauf-System. Die gängigen Symptome bei extremem Kaffeegenuss wie Herzrasen, Schweißausbrüche etc. werden alle durch Beimengungen der Robusta-Bohne verursacht, die weder so geschmacksintensiv noch so gesund wie die Arabica ist.

Dafür ist sie leichter zu kultivieren, liefert höhere Erträge, genau richtig also für Massenproduktion. Die Arabica hingegen ist eine echte Hochlandbohne, sie ist schädlingsanfälliger, was gegen Monokulturen spricht. Bohs Kaffee kommt sogar nur aus Mikrolots, das sind Kleinstanbaugebiete mit qualitativ hochwertigen Sorten, von denen nur die ganz reifen geerntet werden.

Wie das Land, so der Kaffee

Im Kaffee spiegelt sich die Lebensart und das Lebensgefühl des jeweiligen Landes wieder. Eher leichter, eingängiger oder eher geschmacksintensiv und etwas bitterer. Deswegen gibt es bei ihm im Kaffeehaus auch immer drei verschiedene Sorten zu trinken. So kann jeder Unterschiede schmecken, seine persönlichen Favoriten herausfinden. Insgesamt bietet er in seiner Rösterei in Hartberg 26 Sorten Kaffee aus 24 Ländern an.

Sollte er sich entscheiden, welcher davon ihn repräsentiert, so gibt es nur eine Antwort: Alle. Der Perfektionist, der jeden Tag und nur kleine Mengen frisch röstet, damit nichts ausraucht. Der Mahner, der die heutige Gesellschaft mit ihrem Massenkonsum so kritisch beobachtet. Der Pragmat, der auch jenen seinen Kaffee verkauft, welche dessen Besonderheit nicht zu würdigen wissen. Und der Röstkünstler, der sich über jedes Lob und alle Stammkunden, die begeistert wieder kommen, freut.


Anekdote von Günther Bohuslav

Eine Anekdote, die Günter Bohuslav zur extrem heißen italienischen Röstung erzählt: „Als die Italiener von den Brasilianern das erste Mal Kaffee bekamen, da war das solcher aus der sog. Liberica-Bohne. Diese schmeckt und riecht ein wenig nach Carbol, also wie Desinfektionsmittel. Das bekommt man nur weg, wenn man es quasi aus- und wegbrennt. Sonst war die Liberica kaum genießbar. Nur haben die Italiener diese sehr heiße Röstung auch mit anderen Bohnensorten beibehalten.“

Dennoch trinkt der Kaffee-Experte lieber in Italien einen fremden Kaffee als in Österreich, denn, so sagt er: „Die Österreicher haben eine ausgeprägte Kaffeehaus-Kultur, aber keine Kaffee-Kultur!“ Die hiesigen Kaffees, so Günter Bohuslav, reinigten und warteten ihre Maschinen zu wenig, und damit blieben eingebrannte Reste auf dem Sieb und beeinträchtigten das Aroma des nächsten Kaffees. Dagegen pflegen die Italiener ihre Maschinen picobello. Zudem ließen die Italiener bei ihren Espresso-Maschinen viel weniger herunter als die Österreicher, die den Fehler machten, bei einem Verlängerten die vermehrte Flüssigkeitsmenge über längeres Durchlaufen zu erzielen, anstatt echt mit Wasser zu verlängern. Aber es gibt, so der Kaffeeexperte weiter, beim Kaffeemachen verschiedene Phasen: Zunächst kommen die süßen Bestandteile, da ist die Crema dunkel, gegen Ende zu die bitteren, die Crema wird weißlicher. Läßt man nun länger laufen, kommen nur noch bittere Geschmacksstoffe, stoppt man hingegen bei einem ausgewogenen Verhältnis hat man die volle Bandbreite an Geschmacksstoffen, die für einen Verlängerten mit reinem Wasser verdünnt, aber nicht verfälscht werden soll.


Kaffeeverkosten

Dazu hat man einen breiten Silberlöffel und schlürft den Kaffee bei Zimmertemperatur und – wie bei einer Weinverkostung – spukt ihn danach wieder aus. Anschließend wird das Ergebnis in ein Datenblatt eingetragen. Zweimal wird das gemacht: Beim Erzeuger vor Ort und noch einmal beim Importeur. Bis zu 100 Punkte kann ein Kaffee erzielen – theoretisch. Praktisch schaffen es die Wenigsten über 90; unter 80, so Günter Bohuslav ist der Kaffee „nicht der Rede wert“.

Günter Bohuslav verkauft in seinem Laden 26 Sorten frisch gerösteten Kaffees aus 24 Ländern.

Ein Kaffeverkostungslöffel. Er muss extra breit sein, damit auch genügend Sauerstoff zum Kaffee kommt.

Drei unterschiedliche Sorten gibt es täglich im Kaffee zu verkosten.

Ein Kuchen, ein exquisiter Kaffee, mehr braucht der Tag nicht, um gut zu werden.

Immer wieder prüft Günter Bohuslav, wie braun die Bohnen sind und ....

.... hört nach, ob es schon zum „first crack“ kommt

Wenn die frisch gerösteten Bohnen aus der Maschine kommen, duftet es herrlich nach Kaffee.

Wenn die frisch gerösteten Bohnen aus der Maschine kommen, duftet es herrlich nach Kaffee.

Kaffee nach der Wiener Röstung

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