Reportage

Das Brett, das die Welt bedeutet

Ein lauer Sommerabend, dezente Reggae-Musik aus den Boxen. Das Surren und Klacken am Asphaltboden übertönt das Zirpen der Grillen am angrenzenden Fluß. Anlauf, Sprung, Landung – Jubel! In Riedlingsdorf trifft sich eine bunte Gruppe junger Menschen, die eines gemeinsam haben: die Leidenschaft am Skateboarden. Mit vereinten Kräften haben sie sich einen professionellen Hindernispark geschaffen, um mit waghalsigen Tricks und Manövern auf dem „rollenden Surfbrett“ über sich selbst hinauszuwachsen.

Foto © Eva Maria Kamper

Sebastian Wilhelmi, Daniel Neuwirth, Leonie Huber, Jan Tomsits, Günther Meista und Samuel Klepits (v.l.n.r.) sind Teil der Skateboard-Clique in Riedlingsdorf. Beim Skateboarden finden sie Ausgleich, Anker und Antrieb im Alltag.

 

Wer sich zum ersten Mal – versuchsweise, mit noch so minimalem Schwung – auf ein Skateboard stellt, wird merken: Oha! Da gehört schon einiges an Können dazu, um das Gleichgewicht zu halten. Umso beeindruckender das Schauspiel, das sich im Riedlingsdorfer Skaterpark bietet. Mit dynamischer Geschwindigkeit widmet man sich den Schanzen, um einen Sprung zu erzielen und bestenfalls wieder auf dem Board oder zumindest auf den Füßen zu landen. „Yeah, ein perfektes Kickflip Desaster!“, ruft Samuel seiner Kameradin in Action zu, und trommelt mit seinem Skateboard auf den Boden, was das „Klatschen“ in der Szene bedeutet. 

Learning by Doing

Denn diese Gemeinschaft der Skateboarder zeichnet sich vor allem durch eins aus: Gegenseitiges Anfeuern und „Learning by doing“. Und mit dem Rückhalt der Gruppe wächst auch der Ehrgeiz und der Mut eines jeden Einzelnen. „Viele Skateboardbegeisterte sind eher introvertierte Menschen, aber beim Ausüben des Sports im Skaterpark ist man Teil eines Teams, auch wenn jeder für sich fährt“, sagt Daniel. „Die Gruppe ist sehr offen für alle und wir unterstützen uns gegenseitig, auch wenn die Alterspanne von jungen 12 Jahren bis Ende 30 geht“, stimmt Jan seinem Kameraden zu. Wer mit einem Skateboard ankommt, gehöre unausgesprochen einfach dazu, da die Wellenlänge auf dieser Ebene vorhanden ist. 

Für die Lernkurve auf dem Skateboard brauche man zugegebenermaßen schon ein wenig „Biss“ und Geduld. Wer einen „Olli“, also den puren Sprung vom Boden inklusive Abheben des Skateboards, in sechs Monaten sauber schaffe, gelte schon als Naturtalent. Darüber hinaus gibt es zig Dutzende weitere Tricks aus dem Fachvokabular, beispielsweise vom „Fakie Flip“ bis zum „Nollie Hardflip“, die in ihren immer anspruchsvoller werdenden Schwierigkeitsstufen erobert werden wollen. Wehleidig sollte man auch nicht sein, wie Sebastian mit seinen Schürfwunden demonstriert: „Man ist auf jeden Kratzer und blauen Fleck stolz“, lacht der Bursch. Ellenbogen- oder Knieschützer tragen sie alle nicht.

Frauenquote

Leonie ist eines der wenigen Mädchen der Riedlingsdorfer Skateboard-Clique. Die Frauenquote ist in der Sportart auffallend gering. Die 18-jährige ist vor zwei Jahren zu Beginn der Corona-Zeit aus Mangel an Alternativen auf das Outdoor-Hobby gestoßen und hat in der Gruppe schnell Anschluss und die Begeisterung fürs Skateboarden gefunden. 

„Sie hat extrem schnell viele Tricks gelernt und uns alle dadurch inspiriert“, streut Jan seiner Kameradin Rosen. Für Leonie steht fest: „Ich kann es jedem Girl nur ans Herz legen, das Skateboarden auszuprobieren!“ 

Grundausstattung

„Für die Ausübung des Sports ist die minimale Grundausrüstung ein vernünftiges Skateboard und stabiles Schuhwerk, dann ist man schon dabei. Danach muss man sich nurmehr um die Verschleißteile kümmern“, sagt Jan und dreht mit seinem Spezialwerkzeug aus Amerika an den Schrauben des Skateboards. Wer viel fährt, müsse auch öfters in Ersatzteile wie Räder, Radlager oder letztendlich „Decks“ investieren. Bereits 27 zerkratzte Decks, also Skateboard-Bretter habe er zuhause als Erinnerungsstücke an der Wand hängen.

„Skateboarden kann man überall, wo es der asphaltierte Untergrund zulässt. Den professionellen Skaterpark mit allen Hindernissen hat die Gruppe als gemeinsames Projekt großteils selbst gebaut“, schildert Günther. Wobei sie auch schon die schmerzliche Erfahrung machen mussten, dass wertvolle, mobil transportierbare Hindernisse über Nacht gestohlen wurden, die bis heute verschollen blieben. Daraus eine Lehre gezogen, sind nun alle Hindernisse massiv verschraubt, um den zentralen Treffpunkt der Clique zu beschützen. 

Bürgermeister als Fan und Förderer

Der Riedlingsdorfer Bürgermeister Wilfried Bruckner ist großer Fan und Förderer der Skateboard Gruppe: „Die Gemeinde hat auch 8.000 Euro für die Errichtung der Hindernisse beigesteuert, weil ich der Meinung bin, dass diese kreative sportliche Betätigung in Verbindung mit dem Zusammenhalt der Jugend sehr unterstützenswert ist. Sobald sich die jungen Menschen dazu entschließen, einen eigenen Verein zu gründen, kann man auch über die burgenländische Vereinsförderung noch weitere Hilfestellung bieten“, verrät Bruckner.

Und finanzielle Unterstützung würde von der Skateboarder-Gruppe sehnlichst erhofft werden, da für die Erneuerung des rauen, suboptimalen Asphaltbodens am Riedlingsdorfer Skaterpark geschätzt 20.000 Euro notwendig wären.


Leonie Huber ist eines der wenigen Mädchen in der Skateboard-Szene. Umso beeindruckender sind ihre steile Lernkurve beziehungsweise ihre professionellen Stunts nach nur zwei Jahren.

Skateboards brauchen Zuwendung. Jan hat sein Spezial-Werkzeug immer dabei und versorgt auch die ganze Clique mit seinem Know-How.

Sebastian ist stolz auf seine Schürfwunden. „Es gehört einfach dazu“, lacht er.

Die Kunst ist es, das es leicht ausschaut. Spoiler: Ist es nicht!

Der Skaterpark in Riedlingsdorf ist ein gemeinschaftliche Projekt der Clique mit Unterstützung der Gemeinde

Skateboarden

Das weltweit beliebte Hobby findet seinen Ursprung in den 1950er-Jahren an der Küste Kaliforniens/USA, da die Menschen dort auf dem Trockenen die körperlichen Anforderungen der Wellenbewegungen des Meeres trainieren wollten. In den 1960er-Jahren entwickelte sich das Skateboarden am Asphalt zur unabhängigen Sportart weiter. In Europa schaffte die Sportart gegen Ende der 1970er-Jahre den Durchbruch. Brauchbare Anfängerboards sind ab 80 Euro im Fachhandel erhältlich.


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