Reportage

Der Bonsaianer – Hüter seiner Pflanzen

„Was brauchst du? Bist du hungrig? Bist du krank?“, das fragt Erwin Ringbauer täglich, wenn er sich um seine mittlerweile 350 Bonsais im Garten seiner Schwiegereltern kümmert. „Pflanzen sind Lebewesen“, betont er, und der Vergleich mit Haustieren liegt nahe, hört man ihn erzählen. „Manche Pflanzen brauchen weniger Aufmerksamkeit, einige andere sind dagegen wahre Mimosen“, erklärt er. Am liebsten sind ihm die hässlichen Entlein unter den Hölzern, so scheint es. Die, die nicht gerade gewachsen sind. Aus denen macht er die schönsten Bonsais. Er gießt, pflegt und kontrolliert die Bäumchen täglich, seit 28 Jahren. Der ehemalige Türsteher im Kamakura hat den perfekten Ausgleich zu seinem Arbeitsalltag als Produktionsleiter in Wien gefunden. Der Großpetersdorfer ist nun liebevoller Hüter seiner Bonsais.

Foto: Nora Schleich

Erwin Ringbauer ist Bonsai-Züchter. Er düngt die Pflanzen natürlich und lässt der Natur freien Lauf. Erst heuer hat er vierzig Bäumchen durch den Dickmaulkäfer verloren. Fast alle sich verholzenden Pflanzen wie Eichen, Birnenbäume, Thujen, Lärchenbäume, Olivenbäume, Ahornarten oder auch Zitronenbäumchen schneidet er zu Bonsais.

 

 

Fast alle geschäftsüblichen Pflanzen macht er zu Bonsais. Für unser westliches Weltbild sind die formalen Kriterien klar: Ein Bonsai muss wie ein Miniatur-Baum aussehen, das heißt, die Pflanze muss sich verholzen können, und in einem Tongefäß gehalten werden. Der Begriff Bonsai setzt sich aus den Wörtern Schale und Pflanze zusammen. „Die Urform kommt aus China. Ein Kaiser hat vor über 3.000 Jahren seinem Gärtner gesagt er käme frei, wenn er ihm die Landschaft auf ein Tablet bringen könnte.“ Der Gärtner kam nie frei, aber der Gedanke, Harmonie zu schaffen, indem man die Natur in miniaturisierter Form darstellt, ist geblieben. Die Japaner haben diese Technik schließlich perfektioniert.

„Jeder Bonsai hat eine Schokoladenseite“

Wie es die alte Gartenkunst vorgibt, werden die Blätter akribisch beäugt, beschnitten und somit in Form gebracht. „Die Schere ist des Gärtners Dünger“, zitiert Erwin Ringbauer den Biogärtner Karl Ploberger. Wie ein Maler lenkt er ein Bäumchen gezielt in eine Richtung, damit es ein ästhetisches, dreidimensionales Bild ergibt. Auf bis zu sechzig Zentimeter schneidet Erwin Ringbauer seine Bonsais zurück. Er nutzt altes Wissen, etwa dass Bäume zwei Mal jährlich austreiben können und das zweite Blattpaar immer kleiner wächst, um die Proportionen zu halten. Schnitttechnik ist das eine, Drahttechnik das andere. Mit Aluminiumdraht werden die Äste in die gewünschte Form gebracht. „Das ist nicht schmerzhaft für die Pflanze“, betont Ringbauer. „Ich simuliere eine gewisse Schneelast, und der Baum kann damit umgehen.“ Nur wenige Baumarten, wie etwa Nussbäume, kann man nicht zu Bonsais schneiden, weil die Blätter sich nicht verkleinern lassen und somit die Proportionen zwischen Stamm und Blatt nicht gegeben wären.

„Pflanzen sind Gewohnheitstiere“

Viele kennen das Problem, dass vor allem Bonsais aus Industrieproduktionen bald nach dem Kauf die Blätter verlieren und sterben. „Diese Pflanzen kommen oft aus Zuchtstätten in Holland. Dort werden sie in Glashäusern alle gleich – meist in S-Form – gestaltet, sind überdüngt, gespritzt und werden dann in Transporterde tausende Kilometer in unsere Märkte gebracht. Wenn wir ihn kaufen, ist sein Todesurteil oft schon gefällt, denn im Haus hat er nicht das Licht und die Düngung, die er kennt,“ erklärt uns der Profi. Also sein Tipp: raus aus der Transporterde, die Wurzeln liebevoll abputzen und in neue, gute Erde einsetzen. Dann immer an einem sonnigen Platze hinstellen, egal was draufsteht, denn er ist das Glashaus und somit Sonne gewohnt. Und wenn man Glück hat, überlebt so auch ein Industriebonsai. Bei Erwin Ringbauers Miniaturbäumen sprechen wir von ganz anderer Qualität. Er hegt und pflegt seine Bonsais und lässt sich diese Leidenschaft einiges an Geld und Zeit kosten. Selbst eine Krankenstation hat er im Keller der Schwiegereltern eingerichtet – weiße Wände, ein silbernes Waschbecken und am Fenster ein Tisch mit kranken Bonsais. „Die pflege ich hier gesund. Ich verwende dafür ein Mittel aus der Apotheke. Darum riecht es auch so nach Krankenanstalt hier“, lächelt er.

Wasser, Erde, Luft und Sonne

Fernöstliche Philosophie und Lebensweise hält langsam auch bei uns Einzug und ist trendy. Buddhas im Wohnbereich, das Konzept von Yin und Yang und auch Bonsais sind en vogue. „Für mich ist das aber keine Frage von Trend, sondern ein meditativer Prozess. Ich finde es beruhigend, mystisch, schön und kraftvoll, mit den Bonsais zu arbeiten. Es ist eine Kunstform, eine Philosophie und Meditation. Ich halte die Natur in der Hand!“, sagt er und macht Lust auf mehr Erdverbundenheit. „Wir hier im Westen wollen eher das Geradlinige, viele Europäer stoßen sich deshalb auch an der Bonsaikunst. Fernöstliche Kulturen lassen da mehr zu. Wenn Bonsaibesitzer in Japan Besuch bekommen, holen sie ihren stolzen Besitz von draußen, wo er gedeiht, ins Haus und der Bonsai wird auf einem eigens dafür gedachten Tischchen den Gästen präsentiert.“ In Fernost wird der Wert der Bonsais eben anders verstanden als bei uns. Auf die Frage, wieviel ein Bäumchen bei ihm kostet, antwortet Erwin: „Wieviel ist er dir wert?“ Tatsächlich rechnet Erwin Ringbauer nach Aufwand und daher nach Alter des Bonsais. Ein Bonsai ist übrigens niemals fertig. „Er macht was er will, und ich verbiete ihm das nicht. Ich schaue auf seine Form, die er vorgibt, und arbeite diese Linien feiner aus.“ Das Leben des Bonsaianers ist eben eine Philosophie, sein Hobby und sein Lebenswerk.

Unser Tipp: Sie können mit Erwin Ringbauer persönlich über seine Leidenschaft sprechen – bei den Gartentagen am 1.& 2. Juni 2019 im Schloss Kohfidisch.

 

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