Chiara PIELER / 7. August 2024
© Dagmar Schönfeldinger
Die rege Teilnahme an Diskussionen ist Hauptbestandteil der Treffen von den Brückenbauern.
„Interreligiös, interkulturell und unpolitisch“
Der Veranstaltungsraum, in dem sich die Brückenbauer treffen, füllt sich schnell mit Stimmen, Lachen und dem Klirren von Geschirr. Dagmar Schönfeldinger begrüßt jeden Gast mit einem Lächeln. Vor zwei Jahren war sie eine der Initiatorinnen, welche die Gruppe ins Leben gerufen hat. „Unsere Treffen sind interreligiös, interkulturell und unpolitisch“, erklärt sie. Dass man hier aber nicht nur Harmonie erwarten darf, stellt sich schnell heraus.
An diesem Abend begegnen sich zwei Frauen, die den Raum sofort mit ihrer Diskussion füllen. Eine Iranerin, die seit Jahren in Österreich lebt, spricht mit einer christlichen Teilnehmerin. Die Diskussion wird schnell lebhaft, als das Thema über die Behandlung von Frauen in verschiedenen Kulturen und Religionen aufkommt. Die christliche Teilnehmerin argumentiert, dass Frauen in ihrer Religion gleichberechtigt sind, während ihr Gegenüber das deutlich infrage stellt. Die Debatte berührt schwierige Fragen rund um Gewalt gegen Frauen und wie diese in verschiedenen Kulturen wahrgenommen und behandelt wird. „Es ist tatsächlich diese Art von Austausch, die uns bereichert“, sagt Schönfeldinger.
Über die Lautsprecher ertönt leise Musik. Nach dem eingespielten Lied kehrt das Stimmengewirr zurück, doch die Atmosphäre hat sich sichtlich entspannt und die Diskussionsteilnehmerinnen lachen wieder miteinander. Es ist, als ob die Musik eine zusätzliche Ebene des Verständnisses zwischen den Teilnehmerinnen geschaffen hat. „Musik ist eine universelle Sprache“, bemerkt Schönfeldinger, „sie baut fast unmerklich Brücken zwischen uns.“
Der Badí-Kalender
Nach der Zeitrechnung des Badí-Kalenders ist gerade nicht das Jahr 2024, sondern 181. Dagmar Schönfeldinger lebt als Bahai nach diesem Kalender. Heute ist sie diejenige, die den Impulsvortrag in der Runde hält. Der Badí-Kalender besteht aus 19 Monaten, wobei jeder Monat ebenso 19 Tage hat. Das ergibt insgesamt 361 Tage. Die verbleibenden vier oder fünf Tage (in Schaltjahren) werden „Tage der Gastfreundschaft“ genannt und liegen zwischen dem letzten Monat und dem Neujahrsfest Naw-Rúz, welches am Tag der Frühlings-Tagundnachtgleiche (meist der 20. oder 21. März) gefeiert wird. Ursprung dessen ist die Verkündung eines neuen Zeitalters durch ihren Propheten Báb, der 1844 den Grundstein für die Lehren gelegt hat.
Im Anschluss an die Präsentation entstehen erneut angeregte Gespräche, da der gregorianische Kalender (Jahr 2024) doch von dem soeben vorgestellten (Jahr 181) abweicht. „Es geht darum, Energie in erkenntnisreiche Diskussionen zu stecken und offen für neue Ideen zu sein“, schließt eine Teilnehmerin. Sie ist froh über die neuen Erfahrungen, die der Abend gebracht hat. „Bei den Brückenbauern geht es nicht nur darum, Kulturen zusammenzubringen“, sagt Schönfeldinger. „Es geht darum, eine Gemeinschaft zu schaffen, in der jede und jeder das Gefühl hat, gehört und verstanden zu werden.“
Im Endeffekt können Brücken nur gebaut werden, wenn Problemfelder angesprochen werden. Sowohl die Christin als auch die Iranerin haben an diesem Abend Neues erfahren, das theoretisch nicht mit dem eigens Erlebten zusammenpasst. Aber mittels Kommunikation wurde bei den Brückenbauern eine Plattform geschaffen, die ihr Zusammenwachsen fördert.
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