E.L.T. – Medizintechnik made in Friedberg

In Friedberg entstand ein Innovationszentrum, das weit über die Grenzen der Steiermark hinaus strahlt. Die E.L.T. Kunststofftechnik & Werkzeugbau GmbH & Co KG, ein Familienunternehmen mit 30jähriger Geschichte, hat sich mit dem Bau einer hochmodernen Medizintechnik-Halle nicht nur baulich, sondern strategisch neu positioniert. Im Zentrum: ein 230 m2 großer Reinraum der ISO-Klasse 7.


Nicole MATSCH / 28. Mai 2025

Das Familienunternehmen wird von Firmengründer Friedrich Zitz und seinen Töchtern Dagmar Ajtic (re.) und Esther Lang geführt.

„Damals haben wir Blut geleckt“

Kühl, steril und konzentriert – eine Atmosphäre wie im Operationssaal. Mitarbeitende in blauen Kitteln, weißen Hauben und Überschuhen bewegen sich mit routinierter Sorgfalt zwischen hochmodernen Maschinen. Jeder Handgriff sitzt. Hier entstehen filigrane Kunststoffteile, die später in lebenswichtigen Geräten zum Einsatz kommen – in Labors und in der Diagnostik. Das ist keine Szene aus einer der zahllosen Krankenhaus-Serien. Das alles spielt sich am unscheinbaren Weidenweg in Friedberg ab, wo mitten im Grünen der Hauptstandort der Firma E.L.T. um eine Medizintechnik-Halle erweitert wurde, in der man für nationale und internationale Kunden – teils unter Geheimhaltungspflicht – produziert.

E.L.T., auf Spritzgussformen, technische Kunststoffprodukte und Werkzeugbau spezialisiert, hatte erste Berührungspunkte mit Medizintechnik in den Jahren 2015/16. „Damals haben wir Blut geleckt“, erzählt Dagmar Ajtic, operative Geschäftsführerin und Tochter des Firmengründers Friedrich Zitz, von einem geförderten Forschungsprojekt, das neben technischem Know-how auch eine neue Denkweise erforderte. Mit zunehmendem Kundeninteresse und wachsenden Reinheitsanforderungen wurde 2021 der Plan geboren: eine eigene Halle muss her, mit allem, was dazugehört.

Eine Halle für die Zukunft

Die Bauzeit von Herbst 2022 bis Frühjahr 2025 war geprägt von den Turbulenzen der Branche: Lieferengpässe, Preissteigerungen, Fachkräftemangel. Die Gebäudehülle, errichtet über mächtigen 2-Meter-Leimbindern, war dennoch rasch gebaut. Sie beinhaltet eine hochmoderne, klimatisierte Fertigungshalle, den sogenannten Grauraum, der einem Reinraum mit 230 m² vorgelagert ist. Mit dem 20 m² großen Reinraumlabor für die Qualitätssicherung umfasst die gesamte Anlage 900 m² Produktions- sowie 200 m² Büroflächen. Besonders hervorzuheben ist auch der zweigeschossige E-Raum, der als funktionales Herzstück von Elektro Pöltl aus Ebersdorf konzipiert wurde und das Ausmaß der technischen Anforderungen erahnen lässt.

Die Detailplanung des Reinraums, der die Reinheitskriterien der ISO-Klasse 7 erfüllt, erforderte Fingerspitzengefühl. Mit dem steirischen Spezialisten Focus Life Science fand E.L.T. schließlich den idealen Partner für die Umsetzung. Die Reinraumtechnik allein verschlang rund 1,2 Millionen Euro, das Gesamtinvestitionsvolumen liegt außerdem bei etwa 4,5 Millionen Euro. „Wir konnten zum Großteil regionale Unternehmen beauftragen, wie die Firma TKZ Stukk- & Trockenbau GmbH mit Sitz in Friedberg“, sagt Dagmar Ajtic.

Von Hindernissen zu Hightech

Im Oktober 2024 stand der Baukörper, die Technik war bereit – dann die Hiobsbotschaft: der notwendige Trafo kam nicht. Wochen des Improvisierens folgten. Mit provisorischen Stromleitungen wurde im Dezember 2024 der Betrieb mit einer einzigen Maschine aufgenommen. Die Lüftung lief auf Sparbetrieb, der Oberstock blieb ungeheizt. „Zurück konnten wir nicht mehr, also haben wir losgelegt“, erinnert sich Ajtic. Im März 2025 traf schließlich der Transformator ein und ermöglichte die vollständige Inbetriebnahme.

Im neuen Reinraum wird für Labor und Diagnostik produziert: Reagenzientröge, Wellplatten zum Pipettieren und Microcartridges. Besonders innovativ: Die „Clear-to-Clear“-Lasertechnik, mit der transparente Kunststoffteile ohne Additive verschweißt werden – eine Seltenheit in Österreich. „Wenn es speziell wird, laufen wir zur Höchstform auf!“, betont Firmengründer Friedrich Zitz. Auch in der lückenlosen Qualitätssicherung setzt E.L.T. auf High-End: Mikroskope, 3D-Scanner und Lasertechnologie sichern die Präzision der Bauteile. Zwischen 2023 und 2024 wurden allein für die Messtechnik rund 600.000 Euro investiert.

Daten & Fakten zur neuen Halle


Standort: Friedberg, Steiermark
Fläche: 900 m² Produktionsfläche (230 m² Reinraum und 20 m² Labor), 200 m² Bürofläche
Bauzeit: Herbst 2022 bis Frühjahr 2025
Investitionsvolumen: ca. 4,5 Mio. Euro
ISO-Klasse: 7, typische Reinraumklasse der Medizintechnik-Produktion
Photovoltaik-Leistung: 244,31 kWp

Erfolgsfaktor Mensch

„Wir haben sechs Personen der Stammmannschaft, die das Abenteuer Reinraum mit uns bestreiten wollten, parallel zum Baufortschritt auf die neuen Abläufe geschult“, beschreibt Dagmar Ajtic die Herangehensweise an das „Neuland“. In der leeren Halle simulierten sie etwa die Schleusengänge – lange bevor der Reinraum überhaupt stand. Heute profitieren die Mitarbeitenden von ergonomischen Arbeitsplätzen, zwei zusätzlichen Pausen und Zulagen. Viele wollen gar nicht mehr zurück in die konventionelle Fertigung.

Die effiziente und harmonische Vorbereitung auf die neuen Bedingungen ermöglichten vor allem die flachen Hierarchien und das respektvolle Miteinander. Jede und jeder im Team trägt die Firmenphilosophie aktiv mit – nicht aus Pflicht, sondern aus Überzeugung. Das zeigt sich nicht nur in der täglichen Zusammenarbeit, sondern auch in den kleinen Gesten des Alltags: Wenn Dagmar Ajtic über die Gänge geht, wird sie freundlich gegrüßt – und sie grüßt ebenso herzlich zurück. Diesen Umgang auf Augenhöhe betont auch ihre Schwester Esther Lang, Kaufmännische Geschäftsführerin & Personalverantwortliche: „Hier arbeiten wir wirklich miteinander – nicht übereinander.“ Dennoch: Der Bedarf an Personal bleibt hoch, besonders für die Reinraumproduktion.

Standorttreue – nachhaltig gedacht

Warum nicht ins Ausland mit der Produktion, um Kosten zu sparen? Warum nicht das weitläufigere Grundstück am zweiten Standort in Sebersdorf nutzen? Die Antwort ist eindeutig: „Das gesamte Know-how sitzt in Friedberg“, so Dagmar Ajtic. Die enge Verzahnung von Engineering, Werkzeugbau, Forschung und Produktion funktioniert hier auf kurzem Weg – ein entscheidender Wettbewerbsvorteil. Auch Kunden schätzen die Flexibilität: Reparaturen an Spritzgussformen können binnen Minuten vor Ort erledigt werden.

Gleichzeitig denkt E.L.T. auch im Energiebereich nachhaltig: Die Photovoltaikanlage auf dem Hallendach liefert 244,31 kWp, bis 2035 soll weitgehend energieautark produziert werden. Weitere PV-Flächen auf einem neuen Parkplatz sowie eine Wasserstoffanlage sind geplant. Nachhaltige Verfahren wie Free-Cooling und Prozesswasserrückgewinnung steigern schon jetzt die Energieeffizienz.

Wir formen Zukunft

Am 27. und 28. Juni 2025 feiert E.L.T. sein 30-jähriges Bestehen mit einem Festakt, Betriebsführungen sowie der offiziellen Halleneinweihung. „An unserem Tag der offenen Tür gibt es unter anderem ein ‚Geruchsbuffet‘ und ‚Nulltoleranz-Spiele‘“, macht Dagmar Ajtic neugierig. Ein Fest, das Innovation greifbar macht – und zeigt, dass in Friedberg Großes entsteht gemäß dem Firmenmotto: „Wir formen Zukunft“.

Wir haben gebaut

Astam (ABUS-Kran) GmbH
Baumeister Höller
Brucha GmbH
EPG Elektrotechnik GmbH
Elektro Pöltl GmbH
Focus Life Science GmbH
Hali Büromöbel GmbH
Ing. Aigner GmbH
Kager Holzbau GmbH
Kremnitzer Ges.m.b.H.
LAB Interior GmbH
Metallbau Wilfinger GmbH
Plastic Systems S.r.l.
Poxbo Desingboden GmbH
Service Lounge GmbH
SIPA GmbH
TKZ Stukk- & Trockenbau GmbH

Luftaufnahme eines Bauprojekts mit Solaranlagen, Kran und Gebäuden in grüner Umgebung.
© E.L.T.

Die Bauzeit erstreckte sich von Herbst 2022 bis Frühjahr 2025. Das Gesamtinvestitionsvolumen liegt bei etwa 4,5 Millionen Euro.

Fotos: E.L.T. (2), Andi Bruckner

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