Reportage

Faszination „Wexl“ – Der Tanz mit dem Sonnenaufgang

Es ist kurios: Der Wechsel ist im Südburgenland und der Oststeiermark tagtäglich präsent und doch wird ihm meist kaum Beachtung geschenkt. Dabei würde es oft schon reichen, einfach den Kopf zu heben und den Blick über den Horizont schweifen zu lassen. Als einer der östlichsten Gebirgszüge der Alpen erscheint er aus der Ferne wie eine sanfte Erhebung und doch findet man sich im Gipfelbereich auf 1.743 Meter in alpinem Gelände wieder, in dem Wettergewalten wie Kaltfronten, plötzlicher Wetterumschwung, Sturmböen und dichter Nebel ihr Unwesen treiben. Zu jeder Jahreszeit, aus jeder Himmelsrichtung, egal ob zu Fuß, per Rad oder per Ski – der Wechsel ist unglaublich weitläufig und facettenreich. Der Südburgenländer Berthold Benedek, leidenschaftlicher Sportler, Wechselkenner und prima! Leser gewährte uns einen Einblick in eine seiner zahlreichen Sonnenaufgangstouren.

Foto: Berthold Benedek

Wer sich frühmorgens auf den Weg macht, um den Gipfel des Wechsels zu erklimmen, wird mit einem herrlichen Sonnenaufgang belohnt.

 

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„Tour de Wexl“ von MMag. Berthold Benedek

 

19:00 Uhr
Rucksack packen, Ausrüstung vorbereiten, Skier auffellen, Müsli fürs Frühstück ansetzen – CHECK! Vorbereitung ist die halbe Miete – vor allem, weil ich in den frühen Morgenstunden doch ziemlich „ferngesteuert“ im Haus herumirre. Ziel für morgen: Sonnenaufgang auf dem Hochwechsel. Jahrzehntelang habe ich unseren „Hausberg“ nahezu ignoriert, bis mir ein begnadeter Bergkamerad im vorigen Frühjahr die Faszination Wechsel nähergebracht hat – mit dem Mountainbike. Seither war ich bestimmt an die zwanzig Mal per Rad, zu Fuß oder mit den Tourenskiern oben. Egal wie – zumeist bereits zum Sonnenaufgang. Denn das Gute liegt so nah!

19:30 Uhr
Finale Abstimmung mit meinem Tourenpartner, der durch seine frühmorgendlichen Rennradausfahrten im vergangenen Sommer meine Liebe zu Sonnenaufgängen geweckt hat. Bei der ersten Ausfahrt war ich noch skeptisch und musste mich überreden lassen, doch einmal von der Faszination gepackt, kommt man kaum mehr davon los. Wir sind mittlerweile ein eingespieltes Team. Was uns verbindet? Das Gespür für magische Momente.

20:00 Uhr
Ich bringe unsere Kinder ins Bett und verschlafe „zufällig“ mit ihnen. Ob ich schon vom Hochwechsel träume? Nein, ganz so weit ist es noch nicht, aber ich begebe mich jedenfalls mit einer riesengroßen Portion Vorfreude ins Land der Träume. Sonnenaufgänge haben durchaus Suchtpotenzial und der Blick vom Wechsel über das Südburgenland ist einfach magisch!

04:30 Uhr
Der Wecker läutet. Eigentlich überflüssig – meine innere Uhr hat ohnehin bereits angeschlagen. Ich könnte nicht behaupten, dass mir das Aufstehen um diese Uhrzeit leichtfällt, aber die Gewissheit, dass es sich lohnt, hilft enorm. Ab sofort läuft mein Routineprogramm ab: Teewasser aufkochen, letzter Wettercheck, zwei Mal Tee aufgießen – einen zum gleich Trinken, einen fürs Auto, Zähneputzen, Anziehen, 10 Minuten auf der Blackroll ausrollen und aktivieren, Tee trinken, Müsli trinken. Moment: Müsli trinken? Ja, damit ich es in der Früh leichter runterbekomme, lass ich es durch den Mixer laufen. Man muss sich eben zu helfen wissen!

05:15 Uhr
Ski, Tourenschuhe und Rucksack ins Auto – los geht’s Richtung Wechsel. Wieder einmal haben wir eine neue Route ausgetüftelt und es gilt noch zahlreiche weitere zu erkunden. Meine Frau und unsere beiden Kinder befinden sich zu der Zeit noch im Tiefschlaf. Ich bin ihnen unendlich dankbar für dieses unbezahlbare Stück Freiheit, das sie mir in den frühen Morgenstunden schenken. Um 10.00 Uhr werde ich wieder zu Hause sein und ich freue mich schon auf einen gemeinsamen Ausflug zum Bauernmarkt.

06:00 Uhr
Am Ausgangspunkt der Tour angekommen, rein in die Tourenschuhe, Rucksack schultern, Ski anschnallen – jeder Handgriff sitzt und schon wenige Minuten später ziehen wir unsere Spuren in die unberührte Winterlandschaft. Es ist eigentlich noch stockfinster, doch der Schnee reflektiert und verstärkt das Mondlicht so sehr, dass die Stirnlampe wie so oft überflüssig ist und ausgeschalten bleibt.

07.30 Uhr
Wir befinden uns kurz vor dem Gipfel. Der Himmel hat längst zu „brennen“ begonnen, in zehn Minuten geht die Sonne auf. Punktlandung. Wieder einmal alles richtig gemacht!

Die Handykamera zücke ich mittlerweile nur mehr selten. Nicht weil die Faszination nachgelassen hat, sondern weil man das Gesamterlebnis unmöglich festhalten kann. Das Gefühl, nach einer lohnenden Tour am Gipfel zu stehen, dem kalten Wind ausgesetzt zu sein und das Kitzeln der ersten Sonnenstrahlen im Gesicht zu spüren, muss man einfach selbst erlebt haben.
Ein Foto für meine Freunde unter der Nebeldecke wird’s dann doch: #nixversäumt 🙂


 

Bildtext:
Wer sich frühmorgens auf den Weg macht, um den Gipfel des Wechsels zu erklimmen, wird mit einem herrlichen Sonnenaufgang belohnt. Das Naturschauspiel im Gipfelbereich begeistert und fasziniert immer wieder aufs Neue – auch wenn oder gerade weil es dort selten windstill ist.


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2 Antworten

  1. Hallo Berti, super geschrieben, tolle Aufnahmen, echt ein unvergessliches Erlebnis. Wenn ich mal wieder in Oberwart bin, kannst mich bitte mitnehmen, das muss ich mir anschauen. Liebe Grüße Harry