Gemeinde mit Weitblick – Dechantskirchen
Dechantskirchen ist eine Gemeinde mit 2.000 Einwohnern am Fuße des Wechsels. Sie setzt sich aus den vier Katastralgemeinden Dechantskirchen, Hohenau, Kroisbach und Schlag zusammen. Verkehrstechnisch liegt sie in etwa in der Mitte zwischen Graz und Wien, an der Bundesstraße und an die Bahnlinie angeschlossen. Seit 16 Jahren ist Waltraud Schwammer (ÖVP) Bürgermeisterin. Sie sagt über ihre Wahlheimat: „Ich bin vor 35 Jahren hierher gekommen und es hätte mir nichts Besseres passieren können.“ prima! auf Spurensuche.
Foto: Olga Seus
Damals …
Die wechselhafte Geschichte der Gemeinde Dechantskirchen lässt sich bis ins Mittelalter zurückverfolgen. Dabei war die Ortschaft in ihrem Erscheinungsbild manchem Wandel unterworfen. Wie sie Anfang des letzten Jahrhunderts ausgesehen haben muss, zeigt die Künstlerkarte von Josef Prokopp (siehe zweites Bild unten), die 1929 abgestempelt wurde. Links im Vordergrund zu sehen sind die sogenannte Tauber-Villa und das Volksschulgebäude, oben rechts die vergrößerte Ansicht des Gasthauses Schwammer. Josef Prokopp war ein österreichweit agierender Postkartenmaler, der seine im Eigenverlag erscheinenden Motive längst nicht alle selbst bereiste, sondern vielfach fotografierte Ansichtskarten als Vorlage nahm und diese dann beim Abmalen oft perspektivisch verzerrte. Die vorliegende Karte befindet sich in der Sammlung alter Ansichtskarten der Gemeinde. Der in Dechantskirchen ansässige Sammler Erwin Matthei hat sie dafür zur Verfügung gestellt.
Heute…
Wer heute durch Dechantskirchen fährt, wird feststellen, dass die Tauber-Villa, das Volksschulgebäude und das Gasthaus Schwammer nach wie vor bestehen. Das Volksschulgebäude hatte im Jahr 2020 das 100-jährige Jubiläum. Erstmals wurden hier im laufenden Schuljahr wieder sechs Klassen unterrichtet. Das hatte zur Folge, dass der Kindergarten, der bislang eine dislozierte Gruppe im Schulgebäude hatte, umstrukturiert werden musste. Das Ergebnis ist ein in Rekordzeit (1.2.-13.9 2020) erbauter neuer Kindergarten mit drei Gruppen und einer Krippengruppe, der den alten Pfarrkindergarten ablöst. Im Gebäude des alten Kindergartens wird ein Therapiezentrum mit Physio- und Ergotherapie errichtet. Die Betreuungszeiten sind – ebenso wie die der Volksschule – individuell anpassbar: halbtags, nur mit Mittagessen oder auch nachmittags.
Das Gasthaus Schwammer, ein traditioneller Familienbetrieb, hat einige Umbauten hinter sich. Im Herbst ist es Teil des wieder aufgenommenen Kulturprogramms der Gemeinde, das neben dem Time-Out-Festival und einer Station im Theaterland-Festival „Unterwegs“ auch die Reihe „Kultur im Wirtshaus“ beinhaltet.
Nach einer längeren Durststrecke ist nun auch die ärztliche Versorgung der Gemeinde mit insgesamt drei Ärzten (Dr. Mario Csiza in Kroisbach, Dr. Esther Schober und Dr. Christian Streinu in Dechantskirchen) mehr als sichergestellt.
Als Mitglied der 2019 neu gegründeten Wirtschaftsregion Wechselland will Dechantskirchen mit sechs anderen Gemeinden (Friedberg, Pinggau, Schäffern, St. Lorenzen am Wechsel, Lafnitz und Rohrbach an der Lafnitz) Synergieeffekte nutzen und neue Betriebsansiedelungen unterstützen.
Morgen…
Neben adäquaten Kinderbetreuungsmöglichkeiten besteht in Dechantskirchen ein großer Bedarf an Angeboten für Senioren. Bürgermeisterin Waltraud Schwammer verweist dabei auf den Seniorenbund mit stolzen 230 Mitgliedern. Das bereits abgeschlossene LEADER-Projekt „Vital-digital“, das älteren Bürgerinnen und Bürgern die digitale Welt näher gebracht hat, habe sich in der vergangenen Corona-Zeit als sehr gut erwiesen, da die Bedeutung davon, sich online auszutauschen, im vergangenen Jahr unschätzbar hoch gewesen sei. Doch nun sollen Möglichkeiten für den realen Kontakt untereinander geschaffen werden. Konkrete Pläne gibt es bereits, doch müssen diese erst mit den Betroffenen und dem Gemeinderat abgesprochen werden.
Typisch für …
Den Blick weiten und die Schönheit der Natur vor Augen haben, kann man in Dechantskirchen auf mehrere Weisen. Zum einen gibt es oberhalb der Ortschaft die Kapelle Hohenau, die z.B. mittels E-Bike wunderbar erreicht werden kann und einen ganz besonderen Ausblick bietet auf die die Gemeinde umgebende Landschaft am Fuße des Wechsels. Nach einer kurvenreichen Anfahrt, bei der man ordentlich ins Schwitzen geraten kann, breitet sich die Landschaft wie auf einem Tableau vor einem aus. Beim Anblick dieser schönen Natur versteht man jeden, der auf Ökologie und Nachhaltigkeit setzt.
Pfarrrer Wolfgang Fank ist in Dechantskirchen bekannt für sein diesbezügliches Engagement. Fank stellt fest, dass wir auf Kosten der kommenden Generationen leben und dies zutiefst unchristlich sei. Er ist überzeugt davon, dass der Umstieg auf erneuerbare Energie das Gebot des 21. Jahrhunderts ist. Für diese Überzeugung langt der Pfarrer auch mal durchaus tief in die eigene Tasche und hat sowohl die erste Solaranlage der Pfarre mitfinanziert wie den Umstieg der Kirchenbeleuchtung nebst Außenscheinwerfer auf LED. Im Gespräch mit ihm kann man nicht nur seine spannende Lebensgeschichte erfahren, sondern auch viel über sein Engagement hören. Immer ist sein Wunsch, nicht nur zu predigen, sondern auch als Vorbild Taten zu setzen. Dabei will er nicht nur seine Inhalte, sondern auch seine Begeisterung dafür an die Bevölkerung vermitteln, indem er Ökologie-Themen in seine Predigten einfließen lässt. Gut in Erinnerung geblieben ist ihm z.B. der „autofreie Sonntag“, an dem zur Messe gelaufen, geradelt, geritten, aber eben nicht mit dem Auto gefahren wurde.
Im kommenden Jahr wird Fank 80 und wird sich als einer der Chorherren von Vorau im dortigen Stift zur Ruhe setzen. Bürgermeisterin Waltraud Schwammer ist sich jetzt schon sicher: „Er wird eine große Lücke hinterlassen.“ Vorsicht: Ein Gespräch mit dem mitreißenden Ökologie-Pfarrer kann zu nachhaltigen (Um-)Denkprozessen führen! Sein Wort in Gottes Ohr.
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