Reportage

Idyll am Fuße des Wechsels

Grafenschachen ist eine kleine südburgenländische Ortschaft in einer Geländemulde. Was sich unspektakulär anhört, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Naturidyll mit allen Annehmlichkeiten einer größeren Gemeinde.

Foto: Olga Seus

Grafenschachen im Südburgenland. Dienstleistungsbetriebe, eine gute Infrastruktur, Vereine und viel Idylle sind die Eckpfeiler der beliebten Wohngemeinde.

 

Grafenschachen ist mit ihren zehn Quadratmetern flächenmäßig sicherlich nicht die größte Gemeinde im Burgenland – dabei zeigt sie in vielen anderen Bereichen Größe. Rund 1.200 Menschen leben in Grafenschachen und der Katastralgemeinde Kroisegg. Dazu kommt eine sogenannte „Rotte“, nämlich Unterwaldbauern. Diese Art Wohnsiedlung zählt zwar nicht als offizieller Gemeindeteil, jedoch ist das eigene Identitätsgefühl der etwa 80 Ansässigen recht stark, was bis in die Gemeindezeitung hinein berücksichtigt wird.
Wald und überhaupt Natur gibt es in der Gemeinde genug: Nicht umsonst gibt es einen eigenen Gemeinderundwanderweg, der sich etwa 6,1 km lang durch das Gemeindeschutzgebiet um Grafenschachen herum zieht. Er bietet reichlich Gelegenheit, in den Naturpark mit Waldtümpeln, Feucht- und Streuobstwiesen sowie in die die Gemeinde umgebenden Wälder einzutauchen. Von zwei Bächen umflossen (Stögersbach und Kroisbach) liegt Grafenschachen in einer Mulde am Fuß des Wechselmassivs.

Allerdings hat die Idylle auch ihre Kehrseiten: 2016 ist der Kroisbach über die Ufer getreten, 2018 war der Stögersbach überschwemmt, jeweils mit Wasser bis in die Häuser hinein. Umso erfreulicher ist es, dass nun die gesetzten Hochwasserschutzmaßnahmen bis auf letzte Adaptierungsmaßnahmen (wie Bepflanzung) abgeschlossen sind. Drei Rückhaltebecken wurden errichtet, eines in Grafenschachen selbst, eines in Loipersdorf und eines – und das ist einzigartig – bundeslandübergreifend im steirischen Ort Kroisbach.

Kroisegg, die Heimat des burgenländischen Landeshauptmannes

Kroisegg ist vor allem dafür bekannt, dass der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil von hier stammt und seinen politischen Ursprung im Grafenschachener Gemeinderat genommen hat. Zwar wohnt er inzwischen in Oberwart, doch sieht man ihn noch des Öfteren am Wochenende bei seinen Eltern, weiß Bürgermeister Marc Hoppel zu berichten. Marc Hoppel selbst ist seit 2018 im Amt, nachdem im Laufe eines halben Jahres erst der Vize- und dann auch der Bürgermeister verstarben. „Das war nicht leicht, da es keine Übergabe im klassischen Sinne gab“, resümiert der heutige Routinier seine Anfangszeit.

An seiner Ortschaft schätzt er besonders den guten Zusammenhalt. Auch das rege Vereinsleben, das allerdings im vergangenen Jahr krisenbedingt quasi brachliegen musste. So z.B. die erst 2019 gegründeten „Gromschochana Stockwiesnteifln“. Die Perchtengruppe wollte eigentlich eine komplette Show aufführen und ihr Programm sogar um ein Sommerkabarett ergänzen. Schlußendlich konnten die Mitglieder dann aber nur als Nikolaus-Krampus-Gespann von Haus zu Haus gehen.

Besonders engagiert sind auch die Freiwilligen Feuerwehren Grafenschachen und Kroisegg, die jüngst die amtierenden Feuerwehrkommandanten Martin Hoppel und Gottfried Lammer sowie deren Feuerwehrkommandantstellvertreter Markus Wagner und Daniel Lammer mit 100-prozentiger Zustimmung wählten.

Gute Infrastruktur und beliebte Wohngegend

Nicht unerwähnt bleiben darf die gute Infrastruktur, denn auch bei kleiner Größe hat die Gemeinde alles zu bieten: eine vorerst für zwei Jahre provisorisch zugelassene Krippe, einen Kindergarten, eine Volksschule. Einen Landarzt, Gastronomie, eine Bäckerei. Dazu mit der Firma Wappel einen Spezialisten mit langjähriger Erfahrung für Fenster, Türen, Tore und Sonnenschutz sowie mit der Firma Alles Clean einen kompetenten Ansprechpartner für Gebäudereinigung, Winterdienst, Spielplatzbetreuung und Landschaftspflege. Grafenschachen ist nicht zuletzt auch bekannt durch den Frisörsalon von Karin Artner. Für einen Termin hier kommen auch viele Auswärtige gerne von weit her.

Wohnungsvielfalt

Darüber hinaus ist die Lage in Autobahnnähe auch für Pendler günstig. Wen wundert es, dass sich das Wohnen in der Gemeinde großer Beliebtheit erfreut? In den letzten 20 Jahren hat die OSG 60 Wohnungen auf dem Gemeindegebiet geschaffen, darunter das sogenannte „Arzt- und Wohnhaus“, das zu einem Vorzeigeprojekt geworden ist. In diesem Mehrgenerationenhaus sind das Wohnmodell „betreubares Wohnen“ für Seniorinnen und Senioren sowie Startwohnungen für junge Menschen unter einem Dach vereint. Aktuell wird eine weitere Wohnhausanlage mit sechs Wohneinheiten geschaffen. Dank der großen Nachfrage sind überdies weitere Wohneinheiten in Planung.


Die Kirche in Grafenschachen.

OSG Baupartner
Seit 60 Jahren ist die OSG Baupartner in der Gemeinde. Derzeit errichtet sie eine Anlage mit sechs Wohnungen in Grafenschachen.

 

Die Römerbrücke

 

Eine Römerbrücke aus der Neuzeit

1358 gab es eine erste Erwähnung unter dem Namen „Grofunsach“, was in etwa „Wald des Grafen“ bedeutet. Kroisegg scheint namentlich tatsächlich mit dem etwa drei Kilometer entfernten, in der Steiermark gelegenen Ort Kroisbach in Verbindung zu stehen und leitet sich von der steirischen Form „kroiss“ zum mittelhochdeutschen „kriuz/krebez“ für „Krebs“ ab. Bei Kroisegg befindet sich auch die sogenannte „Römerbrücke“, die über den Stögersbach führt. Zwar vermutet man, dass bereits zu römischer Zeit die Straße von Pinkafeld über Kroisegg in die Steiermark in Gebrauch war und damit auch damals eine Brücke existiert haben muss, doch die heutige Römerbrücke ist anhand der verwendeten Ziegelformate eindeutig einer Zeit um 1750 zuordenbar. Sie steht unter Denkmalschutz und kann nur noch zu Fuß überschritten werden.

Hallstattzeitlicher Fund

Die Römerbrücke ist aber nicht das einzige geschichtliche Relikt in der Gemeinde Grafenschachen. Beim Bau der Rückhaltebecken musste Lehm entnommen werden. Dabei stieß man auf ein hallstattzeitliches Hügelgrab, welches jedoch mutmaßlich schon von Grabräubern entdeckt und teilweise geplündert worden ist. Lediglich ein paar Überreste eines Tonkruges und einer Speerspitze wurden gefunden. Spannend war für die Archäologen aber auch die aus großen Flusskieselsteinen errichtete Grabkammer sowie die Lage: Nicht im Zentrum des Hügels, sondern an der südlichen Flanke. Nach der Untersuchung und Archivierung der Funde wurden die Grabstellenüberreste wieder mit Humus bedeckt, um sie vor Verwitterung und Vandalismus zu schützen.


Schreibe einen Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

1 Antworten