Eva Maria KAMPER / 26. August 2024
© Eva Maria Kamper
prima! Redakteurin Eva Maria Kamper in Finnland. Grund ihrer Reise: Zum Workshop bei Schlagzeuglehrer Ana Vilkkumaa in Pasila/Helsinki.
Die Sprachbarriere Finnisch-Deutsch ist ähnlich zu Ungarisch nahezu unüberbrückbar. „Hyvää päivää!“ – „Guten Tag“. Die Wörter und Bezeichnungen lassen mir kaum eine Chance, sinngemäß auch nur irgendetwas abzuleiten. Oder die Wörter sind oft so lang, dass man schon beim bloßen Hinschauen einen Knopf in den Augen bekommt. Als Funfact, das längste, anerkannte finnische Wort hat 61 Buchstaben: „Lentokonesuihkuturbiinimoottoriapumekaanikkoaliupseerioppilas“ und bedeutet Flugzeug-Jet-Turbinenmotor-Assistenz-Mechaniker, Unteroffizier, in Ausbildung. Das finnische Wort „Sauna“ hat es hingegen als einziges Wort in den internationalen Sprachgebrauch geschafft. Das Gute ist aber, dass überall ein wunderschönes Englisch gesprochen wird und man dadurch keine Schwierigkeiten hat, sich zu verständigen.
Chill & Rock
Helsinki, mit einer Einwohnerzahl von fast 660.000 Menschen, gilt als besonders touristenfreundlich und ist unkompliziert zu erkunden. Die Einheimischen reagieren fast beeindruckt, wenn sie hören, man sei von Österreich. Eher seltener Besuch scheinbar. Das öffentliche Verkehrsnetz ist dicht gestrickt und im Zentrum sind viele Sehenswürdigkeiten in Fußweite. Auch öffentliche Saunas sind ein beliebter Treffpunkt. Am meisten Glück hatte ich mit der Tatsache, dass mit meiner Ankunft im Mai der Sommer ins Land gezogen ist. Ich kam in den Genuss der ersten Tage über der 20-Grad Marke. Und das wird von den Menschen nach den langen, düsteren Wintermonaten, bei einer Jahresdurchschnittstemperatur von 5,9 Grad und Tiefstwerten von bis über minus 30 Grad, richtig zelebriert. In den vielen Parks und Grünanlagen wird an dem Tag zum ersten Mal des Jahres gepicknickt, auf den Ufer-Promenaden gelacht, gegessen und getrunken und am Sandstrand gechillt. Was mich sogar einen Sprung ins doch sehr erfrischende Meer, die Ostsee, wagen lässt. Sommertage sind heilig in Finnland und die Freude der Menschen darüber ist ansteckend.
Aber nicht nur das gemütliche, sondern auch das rockige Flair prägt die Hauptstadt Finnlands in vielen Facetten. Die aus den Einkaufshallen-Lautsprechern beschallte Musik erinnert im Genre an „Lordi“ – den ESC Gewinnern von 2006 – und viele, optisch unbestreitbare „Metal-Heads“, also Männer und Frauen mit langen Haaren und rockiger, ausgefallener Garderobe kreuzen meinen Weg.
Die Lebensmittel- und Getränkepreise sind typisch skandinavisch sehr hoch angesetzt. Stark bemerkbar macht sich das beim Bier-Preis als Indikator, nämlich 8,90 Euro für ein simples Krügerl als Standard. Für ein Mittags-Buffet bei internationaler Auswahl werden durchschnittlich 15 Euro fällig.
Da meine Reise hauptsächlich aus musikalischen Gründen war, führte mich mein erster Weg nach der Ankunft in die älteste Rock-Bar von Helsinki, dem „Tavastia-Klubi“, die seit 1970 ein Unikat ist. Am Programm stand der Debut-Auftritt der neu zusammengeschlossenen Metal-Band „Crownshift“, die aus ehemaligen Mitgliedern u.a. der finnischen Größen „Nightwish“, „Children of Bodom“ und „Wintersun“ besteht. Und auch hiesige Metal-Fans werden wissen, was für ein Schmankerl das ist. Aus dieser Nacht kann ich wieder nur bestätigen, wieviel Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft herrscht. Meiner Partylaune geschuldet, vergesse ich die Zeit und versuche nach zwei Uhr früh öffentlich in den Stadtteil Pasila zurück zu meinem Apartment zu kommen und springe in die letzte Straßenbahn. Hell yeah, natürlich fährt sie zu dieser Nachtzeit nicht mehr so weit und nach einer kurzen Rückfrage beim Fahrer und seinem erstaunten „So, you are from Austria?“, macht er mir das Angebot, dass seine Schicht ohnehin endet und er mich mit seinem Auto mitnehmen kann, da er in die gleiche Richtung nach Hause muss. Was als ziemlich gruseliges No-Go für eine Frau klingt, war aber in keinster Weise beängstigend. Nachmachen sollte es dennoch niemand. Aber der unbekannte freundliche Herr hat nicht mal ein Kaffee-Trinkgeld angenommen, als er mich bei meiner Adresse absetzt.
„Yy, kaa, koo, nee“
Aber nun zum eigentlichen Ziel meiner Reise: Kennengelernt habe ich meinen Schlagzeuglehrer Ana Vilkkumaa bereits auf meinem ersten Trip nach Finnland im März 2018, damals bei klirrender Kälte. Auf einer Fährenüberfahrt zwischen Helsinki und der estländischen Hauptstadt Tallinn. In diesem zollfreien Raum am Meer nutzen die Menschen die zweieinhalb Stunden Fahrtzeit auf der riesigen neunstöckigen Fähre gerne auch zum Feiern, da die Getränkepreise weitaus günstiger sind und so werden regelmäßig auch Konzerte angeboten. „Hey guys, you look like a band“, hab‘ ich Ana und seine Musikerkollegen, damals vor der Abfahrt auf ihren Instrumentenkoffern sitzend, angesprochen und seither besteht mein Kontakt und meine besondere Verbundenheit zu dieser finnischen Rockband „Shiraz Lane“.
Wöchentlichen Online-Schlagzeugunterricht per Zoom nehme ich bereits seit zwei Jahren direkt bei Ana. Womit ich nicht sagen möchte, dass wir in Österreich regional keine guten Schlagzeugerlehrer*innen haben. Aber ich gehe typischerweise immer gerne einen etwas außergewöhnlichen Weg und ein finnischer Rockmusiker als Lehrer ist Trumpf. Der Unterricht übers Internet funktioniert zwar tadellos, aber irgendwann war die Idee nahe, sich auch mal live gegenüberzusitzen. Als wir uns in Helsinki persönlich für zwei Tage zum 16-Stunden-Intensiv-Workshop treffen, lerne ich, was es bedeutet, auf finnische Art und Herangehensweise die Rockmusik zu hören und zu spüren, die Takte und Liedbeispiele in alle Einzelteile zu zerlegen und vor allem zu üben, bis die Finger brennen. „Yy, kaa, koo, nee“, also umgangssprachliches Finnisch für „eins, zwei, drei, vier“, wird zu meinem Lieblingssouvenir dieser nordischen Reise. Der Takt der Finnen rockt einfach anders.
Fotos: Eva Maria Kamper
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