Reportage

Men only oder die Rückkehr des Bartes

Egal ob KFZ-Mechaniker, Büroangestellter oder Manager – auffallend viele Männer tragen wieder auffallend lange Bärte. Als Begleiterscheinung dieses Trends etablieren sich auch hierzulande hippe Barber Shops. Eine haarige Geschichte.

Foto: Christian Keglovits

Man(n) trägt wieder Bart. Barber Shops sind daher voll im Trend, und die Inhaber sind natürlich selbst begeisterte Bartträger – wie Nenad Blagojevic aus Oberwart.

 

 

Eines gleich vorweg: Auch der Autor dieser Zeilen ist überzeugter Bartträger – weniger aus Eitelkeit, vielmehr vertritt er die Ansicht, dass Rasieren eine lästige, überschätzte Angelegenheit ist. Von dieser Art Bartträger soll hier nicht die Rede sein. In dieser Geschichte geht es um Bärte, die jeden Tag viel Aufmerksamkeit bekommen und erregen, die getrimmt, gekämmt, geölt, gegelt und nach einiger Zeit wieder zurechtgestutzt werden – und es geht um deren Träger, die viel Zeit und einiges an Geld in ihre Gesichtsbehaarung investieren.

Wie Alexander Fabsits. Der Kellner aus Leidenschaft ist auch Bartträger aus Leidenschaft, seit über 20 Jahren. Seinem Prachtstück widmet er jeden Morgen mindestens fünf bis zehn Minuten: Zuerst waschen, ölen, dann ein sogenanntes Grooming Tonic auftragen und fönen, um den Bart glatt zu streifen und in Form zu bringen. An diesem Ritual kommt man nicht vorbei, wenn der Bart schön aussehen soll. Und ein Mal im Monat ist ein Besuch im Barber Shop angesagt, um den Bart zu trimmen und zu schneiden.

Im Barber Club

Dominik Kaiser ruht gemütlich auf dem nach hinten geschwenkten Frisör-Stuhl. Auf seinem Gesicht ein angenehm warmes Handtuch, vor ihm ein Espresso und ein Glas Whiskey, im Hintergrund plätschert lässige Musik. „Natürlich bin ich wegen der Haare und des Bartes hier, aber mir geht’s vor allem um die eine Stunde runterkommen vom täglichen Stress. Es fühlt sich an wie ein kleiner Urlaub.“

Und dass Mann im Anschluss auch vernünftig aussieht, dafür sorgt Nenad Blagojevic. Seit Feber betreibt er in Oberwart seinen Barber Club, nicht Shop, darauf legt er Wert, denn er stehe für Business Class. Die drei wichtigsten Kriterien, die einen guten Barbier auszeichnen? Ein guter Kaffee, ein guter Whiskey, gute Pflegeprodukte – und wohl fühlt sich der Mann. Spätestens seit ein Frauenschwarm wie Bradley Cooper mit Hipster-Bart von der Kinoleinwand lacht und die Damen in Verzückung geraten, haben auch die Jungs im Südburgenland auf einmal ihre Männlichkeit entdeckt und nehmen wochenlanges Kratzen und Jucken in Kauf, bis ein haariges Prachtstück ihr Gesicht ziert. Wobei: Nicht jeder Bart passt in jedes Gesicht. Für Nenad kommt es darauf an, ob jemand groß oder klein, dick oder dünn ist, ein schmales oder ein breites Gesicht hat.

Je nachdem empfiehlt er einen langen oder einen kurzen Bart. Wenn das Gesicht schmal ist, darf der Bart ruhig buschiger sein. Bei einem breiten Gesicht sollte der Bart eher länger, dafür an den Backen nicht zu buschig sein. Auch die richtige Bartpflege will gelernt sein: Bart-Öl für den groben, starken Bart, Wachs oder Pomade für den weichen, buschigen Bart. Nenad, der Barbier und Bartträger, kennt sich damit aus. Er stellt selber Bart-Pflegeprodukte auf pflanzlicher Basis her, alles bio und vegan, eh klar. Und wenn der Bart schön ist und gut duftet, freut sich auch die Frau.

Nur für das Problem, wie man als Bartträger mit Anstand und Würde Nudelsuppe isst, hat auch der beste Barbier noch keine Lösung gefunden.


Alexander Fabsits
Alexander Fabsits pflegt seinen Bart täglich


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