Reportage

Relikt aus dem Kalten Krieg: Hartbergs Bunkeranlage

Ungewohnt still ist es im nahezu klinisch weiß wirkenden Gang des Bunkers unter Hartbergs Bundesschulzentrum, der so surrealistisch wie ein Filmset wirkt. Erbaut wurde er zu Zeiten des Kalten Krieges, als aus Angst vor einem atomaren Angriff die Häuser mit Luftschutzräumen versehen werden mussten. Der Haustechniker Walter Weissenbacher spricht gar von einem „Schiff“. Immerhin steht das Gebäude am Rande des Sumpfgebietes Hartberger Gmoos; Tag und Nacht muss Wasser abgepumpt werden, da sonst die Schule geflutet würde.

Foto: Olga Seus

Drei solcher Panzertüren führen in den Bunker. In Gruppenräumen sind Notbetten.

 

Gänge und Betten

Hier unten gibt es wenig – nicht einmal Staubkörnchen. Dafür gibt es Gruppenräume, die aus Notbetten bestehen. Diese erinnern an aufgespannte Hängematten zwischen den Bettgestellen. Jeweils drei sind übereinander, zwei hintereinander und vier nebeneinander angeordnet. Dazu gibt es ein Arztzimmer und eine Küche. Vier riesige Töpfe mit je 50 Liter Fassungsvermögen stehen immer noch bereit, loszulegen, doch niemand wird kochen. Die Anlage ist seit 20 Jahren nicht mehr aktiv. Davor wurden die Schüler*innen einmal jährlich hergeführt und konnten sich umsehen. Ein einziges Mal wurde eine ganztägige Übung angesetzt, die jedoch nach etwa sechs Stunden abgebrochen werden musste, weil die Teilnehmenden nach und nach „durchdrehten“. Man kann sich das gut vorstellen, denn es gibt keine anderen Räume als die Massenschlafzimmer, keinen Aufenthaltsraum, keine Bibliothek. Nur das „Herzstück“, wie Weissenberger sagt, die Lüftungsanlage. Hier kann man riesige Rohre bewundern, angeschlossen an ein Notstromaggregat, das mit einem Dieselmotor betrieben wird. Es funktioniert auch ohne Wartung nach wie vor.

Zurück ins Tageslicht

Drei reguläre Eingänge gibt es, dazu zwei Notausgänge. Durch enge Durchlässe und auf schmalen Leitern käme man in letzteren zurück nach draußen. Falls nötig gibt es zwei Werkzeugsets mit Schaufel und Säge. Eines ist aufgerissen, ein Zeichen, dass doch manchmal jemand herkommt. Als Abstellraum darf die Bunkeranlage nicht genutzt werden. Das Graffiti „1B Halloooo 2019“ zeugt ebenfalls von seltenen Besuchern.

Schließlich taucht man wieder beim regulären Eingang auf, froh, dass mit Erreichen der riesigen Panzertür, die nach innen gewölbt ist, auch das Mobiltelefon wieder Empfang hat, dass in der „echten“ Welt nach wie vor die Sonne scheint und Hartberg diese Anlage zum Glück nie im Ernstfall einsetzen musste. Doch mit Blick auf den Ukraine-Konflikt wächst die Angst vor Krieg und einem atomaren Notfall wieder. „Ich werde sehr oft nach dem Bunker gefragt, gerade auch von jungen Leuten. Doch offiziell ist nicht geplant, ihn zu reaktivieren“, so Weissenberger.



Hartbergs Bunker

Das Bundesschulzentrum mit Bunker wurde 1977 erbaut. Die Bauvorschriften sahen ab 1970 (bis 1994) vor, dass neue Gebäude (auch Privathäuser) einen Luftschutzraum bräuchten. Zugelassen ist er für 2001 Personen. Er beinhaltet etwa 700 Notbetten, Küche, Krankenstation und Lagerräume. Der Bunker ist versehen mit einer Luftfilteranlage, einem Notstromaggregat mit Dieseltank sowie Wasserspeichern. Seit etwa 20 Jahren steht er brach, wird nicht gewartet und nur zur jährlichen Feuerlöscherüberprüfung betreten.


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