Reportage

Street Art – Kunst, die jeder sieht

Es gibt viele Sprichwörter über Kunst, doch keine einprägsame Formel, was Kunst überhaupt ist. Sie kann anschaulich, brutal direkt, laut schreiend oder dezent, abstrakt, intellektuell sein. Auch wenn Kunst um ihrer selbst willen entstehen kann, so wird sie erst durch einen Betrachter, ein Außen erkannt und definiert. Doch wer ist dieses „außerhalb der Kunst“?

Foto: Rapunze

Im Fall von Street Art kann das jeder sein. Street Art ist nämlich definiert als Kunst im öffentlichen Raum, einsehbar für jeden Vorbeikommenden. Damit ist Street Art per se aufdringlich, macht jeden, der zufällig vorbeikommt, zum Betrachter, ob er will oder nicht. Ist meistens so groß, dass sie auffällt, will gesehen werden. Oft steht dabei die Kunst für den Künstler ein, wie etwa beim berühmtesten Vertreter der Street Art, dem Londoner Künstler „Banksy“, dessen wahre Identität nicht bekannt ist. Doch fast die ganze Welt kennt seine Figuren, Kinder mit Luftballons oder Ratten, zuletzt ein Seerettungsschiff, unverkennbar mit den Botschaften des Künstlers versehen.

Kunst, die verändert

So laut und direkt wie Banksy ist die Wiener Street Art Künstlerin „Rapunze“ nicht. Sie arbeitet auch nicht im Geheimen: Als sie Ende August im Hartberger Hatric nicht nur mit ausdrücklicher Genehmigung, sondern mit Auftrag und gegen Entgelt die Wand beim Zentralplatz bemalte, konnte jeder zusehen. Wer jetzt aber mit einem Tiger oder einem Drachen gerechnet hätte oder auch mit einem Austronauten, dem Markenzeichen ihres Mannes Rob Perez bzw. Deadbeat Hero, wie sein Künstlername lautet, der sein Befremden als Amerikaner inmitten von Österreichern ausdrücken soll, der irrt. Die Kunst von Rapunze ist still, unaufdringlich, es geht, „nicht ums Stören, sondern um ein dezentes Auffallen“, sagt sie. Doch auch ihre Kunst verändert die Wand, ist, wie ihr Künstlername, der sich von der Punze, einem Prägestempel ableitet und nur als Wortspiel mit der Märchenfigur die Vorsilbe „ra“ angehängt hat, einprägend und hinterläßt einen bleibenden Eindruck. Man muss sich nur darauf einlassen. „Mich fasziniert das Spiel mit Flächen und geometrischen Formen. Wie ein Muster durch 3D-Effekte Tiefe gewinnt und wie es von einem Entwurf durch das Auftragen an die Wand richtig lebendig wird.“ Die Muster, die sie mal auf Auftrag, mal „auch so in der Freizeit zum Spaß“ je nach Wand und Größe sprayt oder aufmalt, sind alle der jeweiligen Umgebung geschuldet. Sie nehmen Farben oder Formen auf oder orientieren sich auch mal an einem Geruch, verarbeiten und verfremden das Umfeld.

Hartberger Hatric: Architektur wird selbst zur Kunst

Wer sich das Hartberger Kunstwerk genau ansieht, wird erkennen, dass die Dreiecksform inspiriert ist von der Musterung der Dachbefestigung und diese aufnimmt. Im künstlerischen Spiel wird die zunächst als flache Dachtragekonstruktion angelegte Holzstruktur in eine bunte Wandstruktur verfremdet, die zwar flach aufgetragen ist, die aber durch 3D-Effekte plastisch aus der Wand hervorzutreten scheint und somit das unerreichbare Dachmuster zum Betrachter hinunterzieht. Die Dreiecksform, eigentlich der Statik geschuldet, bekommt damit einen Selbstzweck. Die Architektur des Hauses wird selbst zur Kunst bzw. zu einem Teil eines Kunstwerkes.

Was macht Kunst aus?

Womit sich eine Besonderheit der Street Art von selbst erklärt: „Ich finde es genial, wie ein Künstler wie Banksy es immer wieder aufs Neue schafft, seine Message mit der Umgebung zu verbinden“, so Rapunze zum großen Namen der Szene. Doch wovon der Mensch hinter dem Pseudonym lebt, ist, wie bei vielen Street Art Künstlern, nicht klar. Rapunze und ihr Mann arbeiten hingegen gerne auf Auftrag. Für sie ist Kunst gegen Bezahlung kein Widerspruch. „Ich freue mich doch, wenn jemandem das, was ich mache, so gut gefällt, dass er dafür bezahlt und meine Kunst dadurch an Orte kommt, wo sie von vielen gesehen wird“, so Elisabeth, wie der private Name lautet, ganz pragmatisch. Zwar können beide inzwischen von ihrer Kunst leben, haben eine eigene Galerie namens „Soon“ in Wien, doch zusätzlich, da es sich „so ergeben hat“ geben sie auch Workshops mit Kindern und Erwachsenen bzw. unterrichten an Schulen und Berufsschulen. Ist Kunst denn erlernbar und vermittelbar? Rob ergreift dazu sofort das Wort. Kunst meint, „sich selbst auszudrücken“, ist er sich sicher, dazu gehört noch „passion“ also Leidenschaft wie Elisabeth den gebürtigen Amerikaner sofort übersetzt. „Und natürlich auch Technik“, wie sie selbst schmunzelnd ergänzt.


Die Street Art Künstlerin „Rapunze“ mit ihrem Werk für das Hartberger Hatric.

Das Wiener Künstlerehepaar Elisabeth und Rob Perez.

Rob „Deadbeat Hero“ bei der Arbeit an seiner Figur des „Austrionauten“, die in vielen seiner Kunstwerke vorkommt.

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