Reportage

Unternehmer wollen sichtbar werden

Was, wenn das Land in sämtlichen Branchen eigene Betriebe aufbaut? Wenn privat geführte Firmen plötzlich Rahmenbedingungen vorgesetzt bekommen, die sie nicht erfüllen können? Einblicke in die Stimmungslage der Unternehmer, was sie sich von ihrer Interessensvertretung – der Wirtschaftskammer – wünschen und über ungenutzte Serviceleistungen und Zuschüsse. Teil zwei der Diskussion.

Foto©Nicole Mühl

Diskussionsrunde auf Einladung der WK Oberwart: Bäckerei-Inhaber Günter Ringhofer, Unternehmerin und Regionalstellenobfrau Tanja Stöckl, Inhaber des Taxi-Unternehmens „Taxi Richi“ Richard Schuh, Tischlerei-Inhaberin Nicole Fleck, Unternehmensberater Wilfried Drexler und WK Oberwart Regionalstellenleiter Peter Pratscher

 

 

Mindestlohn, Vier-Tage-Woche, 32 Stundenwoche und Mitarbeitermangel. Das waren zentrale Themen, die die Unternehmer in der prima! Mai Ausgabe 2023 im Zuge der Diskussion in der Wirtschaftskammer (WK)  Oberwart aufs Tapet gebracht haben.Von bürokratischen Hürden und globalen Krisen haben sie erzählt, die ihre Situation zusätzlich erschweren. „Die Politik bestimmt, der Unternehmer soll es ausbaden“, so die Stimmungslage unter den Diskussionspartnern. Was sie sich wünschen, ist ein Diskurs mit der Arbeitnehmerseite auf Augenhöhe. Doch was am meisten schmerzt: Die Wertschätzung fehlt völlig. 

In der aktuellen Ausgabe geht die Diskussion weiter – mit regionalen Unternehmerinnen und Unternehmern, die von der WK Oberwart als Stimmungsbarometer eingeladen wurden. Dabei stand vor allem ein großes Thema im Raum: Die Konkurrenz durch das Land. 

Richard Schuh ist seit 1994 Taxiunternehmer. Er hat zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zwei musste er bereits entlassen. Eigentlich wollte er heuer noch zwei neue Autos kaufen. Diese Investition wird er nun aufschieben. „Ich muss abwarten, weil ich nicht weiß, wie es weitergeht“, sagt er. Was er damit meint, ist die Konkurrenz durch die Verkehrsbetriebe Burgenland. Eine Gesellschaft des Landes. Mittlerweile hat das Burgenland rund 80 solcher Gesellschaften gegründet. Darunter sind wichtige Infrastrukturen wie eben auch die Verkehrsbetriebe, zu denen die landeseigenen Taxis gehören. Ein Viertel seines Umsatzes sei dadurch weggebrochen, sagt Richard Schuh, denn die Burgenländischen Krankenanstalten (KRAGES) hat er als Kunden bereits verloren. Das Land fährt selbst. „Beinahe wären auch die Heimtransporte weggefallen“, sagt Schuh. Aber da habe sich die WK eingeschaltet und der Patient kann nun nach wie vor selbst bestimmen, ob er mit einem Privatunternehmen oder dem Landestaxi fährt. Doch eine weitere Hürde kommt auf ihn zu. „Im Herbst werden durch die Busse des Landes wohl auch die Zubringerfahrten für mich wegfallen“, weiß er.

 


Politiker sagen, sie unterstützen die burgenländische Wirtschaft und dabei sind sie selbst unsere größten Konkurrenten.


Und dann ist da noch die Sache mit dem Mindestlohn. Die Unternehmerinnen und Unternehmer zahlen zum Teil weit über dem Kollektivvertrag. Ein Mindestlohn von 2.000 Euro, den das Land vorgibt, könne ein privat geführtes Unternehmen von sich aus jedoch nicht einführen. „Der Mindestlohn skaliert sich ja auf allen Ebenen. Da muss dann ein Facharbeiter natürlich dementsprechend weit mehr verdienen. Das ist für die privaten Betriebe nicht zu stemmen“, weiß WK Oberwart-Regionalstellenobfrau Tanja Stöckl. Wenn die Politik das fordere, brauche es Änderungen bei den Abgaben.

Richard Schuh kann jedenfalls auf loyale Mitarbeiter zählen, sagt er. „Ein Glück, denn Abwerbungsversuchen und der Verlockung durch den Mindestlohn“ könne er nur durch ein gutes Arbeitsklima standhalten, weiß er.

 

Strategien

Sicher vor der Konkurrenz des Landes fühlt sich Günter Ringhofer mit seiner Traditionsbäckerei, die seit 1862 besteht und als reiner Bio-Betrieb geführt wird. Sein Motto: „Qualität ist die Antwort des kleinen Gewerbes auf die großen Konzerne.“ Damit ist er bisher sehr gut gefahren. So gut, dass er sich in Wien im Delikatessen-Segment einen Namen gemacht hat. Mit seiner Qualitätsschiene   setze er sich auch gegen Großbäckereien durch. Transparente Qualität sei besser als Güte-Siegel, die zum Teil ihre Glaubwürdigkeit verloren haben, ist er überzeugt. Deshalb habe er auch keine Angst vor der Konkurrenz durch das Land.  Doch was könnte dieses davon abhalten, die landeseigenen Betriebe demnächst selbst mit Gebäck zu versorgen und auch dafür eine eigene Gesellschaft zu gründen? „Mittlerweile könnte jede Branche diese Konkurrenz bekommen“, sagt Stöckl und betont, dass damit bestehende Strukturen zerstört werden. „Der Wettbewerb fällt weg, das führt zur Monopolisierung – und das kann keiner wollen“, zeigt Stöckl auf.

Was also bleibt betroffenen Firmeninhabern zu tun, wenn die Politik selbst zum Unternehmer wird und neue, eigene Bedingungen schafft? „Verkleinern und abwarten“, sagt Unternehmensberater Wilfried Drexler. „Leider wird man auch Mitarbeiter abbauen müssen. Es gilt, die Zeit zu übertauchen und dann wieder hochzufahren, wenn sich das System ändert“, rät Drexler.

 

Schlagzeilenpopulismus und „falsche“ Slogans

Über eine unausgewogene Berichterstattung ärgert sich Regionalstellenobfrau Tanja Stöckl in diesem Zusammenhang. Es gibt kein Medium, das dieses System neutral hinterfragt. Ein gesunder Informationsfluss fehle ihrer Meinung nach völlig. „Das Problem im Burgenland ist eine Mischung aus Fehlinfos, Schlagzeilenpopulismus und Desinteresse in der Bevölkerung auf der einen Seite und auf der anderen Seite wird permanent suggeriert, dass der Mindestlohn die Welt retten könne“, sagt sie. Dem Ganzen Widerstand entgegenzubringen, erlebe sie als aussichtslos.

Nicole Fleck hat vor neun Jahren den Tischlereibetrieb ihres Vaters übernommen. Das Werben der Politik mit dem Begriff Regionalität stoße ihr immer wieder bitter auf. „Das ist nicht identisch mit den Handlungen“, sagt sie. Alle sagen, sie unterstützen die burgenländische Wirtschaft und dabei sind sie selbst unsere größten Konkurrenten. Die Zeiten seien ohnehin schwierig aufgrund der Preise, die weiterhin nach oben wandern. „Die Nachfrage ist zwar groß, aber es wird nicht alles in Österreich hergestellt, was wir brauchen. Und auf der anderen Seite karren wir Züge ins Ausland und verkaufen Material, das wir dann von dort wieder teuer einkaufen müssen“, gibt sie zu bedenken. Branchenübergreifende Kaufgemeinschaften wären hilfreich. Das wäre einer ihrer Wünsche an die Wirtschaftskammer.

Wunschliste

Die  Situation der Unternehmer hat sich in den letzten Jahren grundlegend verändert. Dabei seien die Voraussetzungen, die ein Kleinst-Unternehmer mitbringen muss, ohnehin enorm: Ein betriebswirtschaftliches Grundverständnis sei nach wie vor die Basis für eine gute Betriebsführung. Zudem soll sich der Unternehmer auch in juristischen Belangen auskennen. Er soll seine Mitarbeiter durch eine hohe Führungskompetenz motivieren und an das Unternehmen binden. In Finanzfragen sollte er sicher sein, um auch Krisen gut und schlau zu meistern und natürlich solle er auch steuerlich ein Grundverständnis mitbringen, um möglichst gut für sein Unternehmen und nicht nur für das Finanzamt zu arbeiten. „Das ist ganz schön viel für eine Person“, zählt WK-Regionalstellenleiter Peter Pratscher auf und appelliert an die Unternehmer, die Serviceleistungen der Wirtschaftskammer anzunehmen. „Wir versuchen diese sichtbarer zu machen“, ist er sich der Bringschuld der WK ihren Mitgliedern gegenüber bewusst. Viele wissen jedoch immer noch nicht, dass sie um ihren Mitgliedsbeitrag eine große Palette an Serviceleistungen nutzen können. Zudem sei es unverständlich, warum so viele Unternehmer Förderungen und Zuschüsse einfach liegen lassen und nicht beanspruchen. „Wir haben das beim Energiekostenzuschuss 1 und dessen Verlängerung gemerkt. Diese Förderung haben viele verschlafen. Auch die Energieberatungen von der WK hätten von weitaus mehr Unternehmen beansprucht werden können“, sagt Pratscher. Auch bei der Konkurrenz durch das Land versuche man den Unternehmen zu helfen und wirke dagegen. „Wir tun dies über den formellen Weg – über das Wirtschaftsparlament und über Anträge an das Land“, erläutert WK Regionalstellenobfrau Stöckl. Und räumt aber gleichzeitig ein: „Es ist nur leider aussichtslos bei einer SPÖ Absolut-Regierung.“

Angekommen scheinen der Einsatz und die Serviceleistungen der WK bei den Unternehmern jedenfalls noch nicht ganz zu sein.

Was sich diese von ihrer Vertretung wünschen, ist „mehr Kampfgeist nach außen“. Eine sichtbare Stärke. Und sie wünschen sich, dass ihr Image als Unternehmer wieder aufpoliert wird. „Wir, die Unternehmer, sind es, die Arbeitsplätze schaffen. Nicht die Politiker. Das Risiko haben wir. Und wir haften mit unserem Vermögen und stecken unser Herzblut in unsere Betriebe. Das muss sichtbar gemacht werden“, fordert Günter Ringhofer.

Vielleicht brauchen die Unternehmer ja genau diesen Anstoß, um bei all den Krisen und Hürden die Motivation aufzubringen, neue Wege und Geschäftsmodelle auszuprobieren. Denn der Wunsch von Bezirksstellenobfrau Tanja Stöckl wird sich mit Garantie nicht erfüllen: „Einfach einen Reset-Knopf drücken und damit den Albtraum der Unternehmerinnen und Unternehmer beenden.“


Viele Unternehmer lassen Förderungen und Zuschüsse 

einfach liegen.


Diskutiert haben: 

Günter Ringhofer: Er führt die Traditionsbäckerei Ringhofer, die seit 1862 besteht und als Bio-Betrieb zertifiziert ist. Das Unternehmen hat seine Standorte in Pinkafeld, Oberwart und Wien. 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind beschäftigt.

Tanja Stöckl: Tanja Stöckl ist WK Oberwart Regionalstellenobfrau. Sie ist Inhaberin einer Tankstelle in Mariasdorf, die auch als Nahversorger, Poststelle und Kaffeehaus eine wichtige Infrastruktureinrichtung darstellt. Sie beschäftigt 5 Mitarbeiterinnen. 

Richard Schuh: Er hat sein Taxiunternehmen  „Taxi Richi“ im Jahr 1994 in Hochart gegründet und beschäftigt 10 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Nicole Fleck: Sie hat den Tischlereibetrieb in Stuben vor 9 Jahren von ihrem Vater übernommen. Der Betrieb wurde 1991 gegründet. Derzeit sind hier 3 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt.

Wilfried Drexler: Er ist Unternehmensberater und Obmann dieser Fachgruppe in der WK Burgenland. Er führt überdies Energieberatungen im Auftrag der WK Burgenland durch.

Peter Pratscher: Er ist WK Oberwart Regionalstellenleiter und hat gemeinsam mit Regionalstellenobfrau Tanja Stöckl die angeführten Unternehmerinnen und Unternehmer zur Diskussion eingeladen. „Wir möchten als WK die Unternehmerinnen und Unternehmer wieder vermehrt zur Diskussion zusammenführen und schauen, wo wir Themenfelder abdecken und unterstützen können.“


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