Reportage

Von der Hand in den Mund

Wer kennt’s nicht. Kaum ein paar Sachen im Einkaufswagerl und trotzdem schnauft man an der Kassa über die stolze Rechnung. Die Preise für Lebensmittel steigen, manche (Lieblings)-Produkte werden mehr und mehr zum Luxus.

Foto: Eva Maria Kamper

Im Sonnencafé treffen alle sozialen Schichten aufeinander und geben im gesellschaftlichen Austausch bei Kaffee und Kuchen der drohenden Ausgrenzung keine Chance. Adelheid Rutter (li.) ist ehrenamtliche Helferin, Gabriele Binder leitet den Sonnenmarkt in Oberwart.

 

Im Burgenland sind knapp 50.000 Menschen an der Grenze zur Armut, für sie ist der tägliche Einkauf von Grundnahrungsmitteln eine ständige Zerreissprobe im Geldbörsel. Die Alternative ist der Gang zum Sonnenmarkt. Die Hemmschwelle ist allerdings groß.

Unzählige verschiedene Fruchtjoghurt-Sorten stehen fein säuberlich im Kühlregal. Die Sonnenmarkt-Mitarbeiter*innen prüfen jedes einzelne, ob sich der Deckel wölbt. „Die Ware ist großteils knapp über dem Mindesthaltbarkeitsdatum. Wobei vieles ja bekanntlich viel länger haltbar ist. Wir checken daher immer bestmöglich, ob nichts davon verdorben ist. Und Fleisch- und Fischwaren werden von uns sofort nach Erhalt eingefroren“, schildern sie. Der große helle Markt direkt an der Oberwarter Hauptstraße erinnert ein bisschen an einen Greißler von früher. Auch die ehrenamtliche Präsidentin Verena Dunst schaut hier immer wieder vorbei, wenn sie in der Stadt ist. Ein Rundumblick macht ersichtlich, dass die Sortimentsbreite eine ordentliche Versorgung mit allen nötigen Grundnahrungsmitteln und Drogerieprodukten zulässt.

Von Gebäck- und Frischwaren, über Milchprodukte, Eier, Nudeln, Reis, Gewürze und natürlich auch Naschereien findet man alles in den Verkaufsregalen des Oberwarter „Sonnenmarkts“. Unvorstellbar, wenn man all diese guten Lebensmittel einfach wegwerfen müsste. Der einzig erkennbare Unterschied ist der Preis: „Ungefähr ein Drittel des Normalpreises zahlt man hier für die Lebensmittel“, sagt Verena Dunst und zeigt eine Stange Extrawurst. Eineinhalb Euro für 400 Gramm. Wenn also ein Einkauf im herkömmlichen Supermarkt 20 Euro kostet, wird man hier um sechs bis sieben Euro fündig.“

„Davon sind mehr Menschen betroffen als man glaubt“

Und das ist für viele Menschen eine enorme Erleichterung, auch wenn der Gang zum Sonnenmarkt vorerst schwer fällt. „Vielen ist die Überwindung ins Gesicht geschrieben, wenn sie den Markt zum ersten Mal betreten, um sich zu registrieren. Aber das legt sich schnell, da hier die Hilfe im Vordergrund steht“, sagt die Marktleiterin Gabriele Binder. Wer nicht mehr als 1.240 Euro im Monat zum Leben hat, ist berechtigt im Sonnenmarkt einzukaufen. „Und davon sind mehr Menschen betroffen als man glaubt, egal ob Berufstätige, alleinerziehende Elternteile oder Menschen mit Mindestpension.“ 40 bis 50 Kundinnen und Kunden nutzen täglich die Einkaufsmöglichkeit im Sonnenmarkt, wobei die Sonnenmarkt-Angestellten und die ehrenamtlichen Helfer*innen alle beim Namen kennen.

Viele Menschen nutzen auch das integrierte Sozialcafé für ihren gesellschaftlichen Austausch, wobei hier jeder kommen darf. „Mit Registrierkarte kostet der Kaffee einen Euro, für alle anderen zwei Euro fünfzig. Das Café trägt auch dazu bei, das Stigma zu entkräften. Denn Armut kann jeden treffen und Hilfe anzunehmen ist nichts, wofür man sich schämen braucht“, wissen die Sonnenmarkt-Mitarbeiter*innen. Der Sonnenmarkt, das österreichweit einzigartige Modell zur Armutsbekämpfung, für mehr Nachhaltigkeit und gegen soziale Ausgrenzung, wird von der Volkshilfe Burgenland betrieben und vom Land gefördert. Die Lebensmittel und Drogerieprodukte sind Spenden von diversen Supermärkten, Bäckereien oder auch Privatpersonen. Bis 2023 soll es in jedem Bezirksvorort einen Sonnenmarkt geben.


Sonnenmarkt
Viele Menschen können sich den nötigen Einkauf im Supermarkt nicht mehr leisten. Der Sonnenmarkt richtet sich an sozial benachteiligte Menschen und versorgt sie mit besonders günstigen Lebensmitteln.

 

„Mit dem Sonnenmarkt und Sonnencafé möchten wir allen Menschen, denen es nicht so gut geht, Wertschätzung entgegenbringen. Hier können sie zu stark reduzierten Preisen einkaufen.“

Landtagspräsidentin Verena Dunst, ehrenamtliche Präsidentin der Volkshilfe Burgenland


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