Reportage

Wer schleicht so spät durch Nacht und Wind

Es sind nicht einfach nur ein schwarzer Mantel und ein Hut, auch nicht nur eine Hellebarde und eine Laterne, die das Bild des Nachtwächters prägen. Im Mittelalter sah man ihn in größeren Städten durch die Gassen gehen. Schließlich musste er für Ruhe und Ordnung sorgen. Sah vieles, was gerne im Schutz der Dunkelheit geblieben wäre. Neben der Zeit sagte er auch die Sperrstunde an und sorgte für deren Einhaltung. In Hartberg dreht ein Nachtwächter regelmäßig seine Runden.

Foto: Lexi

Walter Peinsipp führt als Nachtwächter interessierte Besucher durch sein Hartberg und erzählt dabei allerlei interessante Begebenheiten. Prädikat „absolut erlebenswert“

 

 

Jeden ersten Montag im Monat ist er anzutreffen, sobald es dunkelt: der Nachtwächter, mit seinem schwarzen Mantel und der Laterne, in Person von Walter Peinsipp. Vieles holt er hervor, das sonst längst in Vergessenheit geraten wäre. Er ist natürlich nicht bis zur Sperrstunde unterwegs. Vielmehr erzählt er den interessierten Teilnehmerinnen und Teilnehmern seiner Stadtführungen Geschichten rund um das schöne Hartberg. Zwei Stunden sollte man einplanen, wenn man mit ihm oder zu Sonderführungen mit seinem Kollegen Werner Muckenauer die nächtliche Stadt erforscht.

15 Jahre ist es her, dass die Nachtwächterführung ins Leben gerufen wurde. Ziel war und ist es, Geschichte und Geschichten rund um Hartberg weiterzugeben. Wer würde sich da besser eignen als ein eingesessener Hartberger? Walter Peinsipp wuchs nach dem zweiten Weltkrieg im Hartberger Schloss, in einer der damals sieben Mietwohnungen auf, bevor die Familie ins Umland zog. Er erinnert sich noch gut an die Kämpfe zwischen Herrengassen- und Schlosskindern, erzählt von den historischen Feuerwaffen, die seine Kinderbande im Schlossgarten ausgegraben hat und dann aber gleich abgeben musste. Dabei, so fügt er augenzwinkernd hinzu, das doch endlich den entscheidenden Vorteil gegenüber den Herrengassenkindern gegeben hätte.

Die Führung durch den „Waldberg“ beginnt

Doch Walter Peinsipp will nicht über sich erzählen. Hartberg ist der Kern seiner Geschichten, und noch ehe man es sich versieht, ist man schon mittendrin im Sog seiner Erzählungen und steht vor der ersten matt beleuchteten Gasse – vorm Reckturm, einem der früheren Stadttürme.
Hartberg, das kommt von „Waldberg“ – weil früher der Ring bewaldet war und „Hart“ ein altes Wort für ‚Wald‘ ist, erfahren die Teilnehmer. Im Jahr 1122 gegründet, hatte die Stadt acht Wehrtürme und zwei Stadttore. Einige dieser Türme bzw. deren alten Standplätze wird man innerhalb der Führung noch besichtigen, auch der Karner und seine Geschichte werden beschrieben.

„Unruhige“ Zeiten

Am Hauptplatz atmet man tief geschichtsträchtige Luft ein. So lebte bei der heutigen „Sonne“ eine gewisse Frau Unruh, die 24 Kinder hatte. Aufgrund der damaligen schlechten Hygienestandards und mangelnder medizinischer Versorgung überlebten 17 Kinder – und als die nacheinander ins heiratsfähige Alter kamen, machten sie dem Namen alle Ehre, denn da wurde es in der Stadt ganz „unruhig“, wie der Nachtwächter mit leichtem Schmunzeln zum Besten gibt. Eine dieser ‚Unruhfrauen‘ war übrigens die Großmutter von Peter Roseggers erster Frau.

Oder man erfährt staunend, dass es in Hartberg bereits 1928 ein batteriebetriebenes Elektroauto gab. Zumindest so lange, bis sich mit diesem der erste tödliche Verkehrsunfall der Stadt ereignete: Das Auto überfuhr eine „derrische Oa-Eikaferin“ oder wie es übersetzt heißt: eine taube Eier-Einkäuferin. Ecke um Ecke gibt es Geschichten zu erzählen, und Walter Peinsipp wird nicht müde, aus seinem schier unendlichen Erfahrungsschatz zu plaudern. Man würde liebend gerne, wenn er es anböte, mit ihm noch bis zur Sperrstunde weiterziehen und weiteren Anekdoten und Fakten lauschen. Doch auch ein Nachtwächter wird einmal müde und muss schlafen gehen.


Die Hartberger Nachtwächterführung wird vom historischen Verein an jedem ersten Montag des Monats zwischen April und Oktober angeboten und kostet 5,- für Erwachsene, 2,50 E für Kinder. Treffpunkt ist jeweils 20.00 Uhr beim Stadtmuseum. Gruppenführungen können im Museum (tel.: 03332/66001 oder 0664/2009254, E-Mail: museum@hartberg.at) extra gebucht werden.

Nachtwächter ist ein Beruf, der mit dem Bestehen der ersten größeren Städte im Mittelalter aufkam.

Die Aufgabe des Nachtwächters war es, nachts durch die Straßen und Gassen der Stadt zu gehen und für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Er warnte die schlafenden Bürger vor Feuern, Feinden und Dieben. Er überwachte das ordnungsgemäße Verschließen der Haustüren und Stadttore, und häufig gehörte es auch zu den Aufgaben des Nachtwächters, die Stunden anzusagen – weniger als Auskunft als mehr zur Anzeige, dass er seinem Dienst ordnungsgemäß nachging. Er hatte das Recht, verdächtige Personen, die nachts unterwegs waren, anzuhalten, zu befragen und notfalls festzunehmen.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts änderte sich die Aufgabe des Nachtwächters insofern, als es zunehmend auch „stumme“ Nachtwächter gab, was durch die Erfindung der watchman’s noctuaries sowie labourer’s regulators des Engländers Samuel Day (1803) möglich wurde. Dies sind mechanische Uhren, in die der Nachtwächter zu bestimmten Stunden in ein bis dahin verdecktes Loch einen Zettel zum Beleg seines regelmäßigen Rundganges stecken musste. Am Morgen kontrollierte ein Polizeioffizier, ob alle Löcher gefüllt waren.

Mit der flächendeckenden Einführung von Straßenbeleuchtungen und neuen Polizeigesetzen um die Wende zum 20. Jahrhundert ging gleichzeitig die Abschaffung der meisten Nachtwächter einher.

Quelle: Wikipedia


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