Reportage

„Wir fühlen uns alleine gelassen“

Gesundheitlich trifft es zuallererst die Alten, wirtschaftlich die Unternehmer. 38 Milliarden Euro hat die Regierung als Unterstützung in Form eines Hilfspakets versprochen, das Land Burgenland und die Steiermark haben auch eigene Fonds eingerichtet. Von Sofortmaßnahmen, Überbrückungsfinanzierung, Kurzarbeit, Steuerstundungen, Härtefallfonds und dem Corona-Hilfsfonds ist die Rede. Klein- und Kleinstunternehmen der unterschiedlichsten Branchen leiden dennoch massiv seit dem „Shutdown“. Die wirtschaftlichen Sorgen treffen aber auch mittelgroße Unternehmer, die aufgrund ihrer Größe nicht von den ersten Maßnahmen profitieren durften.

Foto: DesignRage/Shutterstock.com

Nicht alle Unternehmerinnen und Unternehmer konnten die Soforthilfe beantragen. Erst in der zweiten Phase kommen diese vielleicht zum Zug. Die Angst vor einer länger andauernden Wirtschaftskrise plagt derzeit viele Unternehmer. Sie sehen ihr Lebenswerk bedroht.

 

Karin Artner zum Beispiel. Sie beschäftigt in ihrem Frisiersalon in Grafenschachen fünfundzwanzig Mitarbeiterinnen und war somit zu groß für jegliche Unterstützung der ersten Welle an Sofortmaßnahmen. „Oder hat sich was geändert? Es ist schwer, immer am Laufenden zu bleiben. Es wird nur über die Medien kommuniziert. Ich fühle mich im Stich gelassen, weil ich junge Menschen ausbilde, Arbeitsplätze schaffe und nun für alle bisherigen Fonds durchgefallen bin“, klagt sie.

In den „Härtefallfonds II“ fällt sie aber wohl hinein. Doch auch diesbezüglich findet sie klare Worte: „Mit viel Aufwand und Bürokratie bekomme ich im nächsten Bilanzjahr vielleicht eine Rückvergütung. Ob ich wirklich alle Kriterien dafür erfülle, weiß ich allerdings noch nicht. Wie viel ich bekomme? Keine Ahnung. Und bis dahin muss ich überleben.“ Unverständnis zeigt sie über die Art der Abwicklung. „Warum alle Anträge über die Wirtschaftskammer abgewickelt werden müssen, ist mir völlig unklar. Das Finanzamt hätte alle nötigen Daten gehabt und für jeden Unternehmer fair auszahlen können.“ Friseure zählen grundsätzlich zu den Kreativen, sie sind keine Büromenschen und tun sich – wie viele andere – mit der Abwicklung der Anträge schwer. „Die Regierung sagt, niemand würde zurückgelassen. Über die Medien klingt alles einfach, aber es ist in Wirklichkeit wahnsinnig kompliziert. Ohne Steuerberater geht gar nichts, und die müssen ja auch bezahlt werden. Plus, am Ende gibt es viele Ausnahmen, warum man dann doch kein Geld bekommt.“

Karin Artner: „Geht’s den Arbeitgebern gut, geht’s den Mitarbeitern gut – emotional und finanziell“

Nun bekommt sie weder als Person Karin Artner noch als „Hairstudio“ Unterstützung. Sie unterstreicht: „Ich werde bestraft, weil ich 25 Mitarbeiter beschäftige und jedes Jahr drei bis fünf Lehrlinge ausbilde. Sind Mittelbetriebe überhaupt noch erwünscht? Ich habe nicht den Eindruck!“ Egal wie groß, für viele Frisiersalons waren die sieben Wochen Verdienstentgang nicht stemmbar. Karin Artner erklärt: „Die Gewinnspanne ist bei uns nicht groß. Es war schwierig, die Zeit seit 16. März zu überbrücken.“ Kurzarbeit musste beantragt, genehmigt und vorfinanziert werden – teils mit Krediten, die natürlich zurückbezahlt werden müssen. Ab 2. Mai dürfen Karin Artner und ihre Kolleginnen wieder für Kunden da sein. Aber Termine kann die Friseurmeisterin (bis Redaktionsschluss) trotzdem noch keine vergeben. „Was sind die Vorkehrungen, die wir treffen müssen? Solange ich die Auflagen nicht kenne, kann ich mich nicht auf den Betrieb vorbereiten. Was soll ich an Schutzmaßnahmen besorgen, wie viele Kunden darf ich gleichzeitig betreuen, welche Arbeitszeiten muss ich einhalten und demnach wie viele Mitarbeiter soll ich einteilen?“ Fragen, die die Geschäftsfrau zwei Wochen vor Wiedereröffnung quälen. Ihr Ziel ist es jedenfalls, den Betrieb und die Mitarbeiterinnen zu erhalten.

Petra Klement: „Die Regierung hat es schwer“

Petra Klement musste ihre vier Mitarbeiter kündigen. Sie führt ein Damenmoden- und ein Unterwäschegeschäft in der Hartberger Innenstadt. Kurzarbeit mit den anfänglichen Auflagen wäre für sie nicht leistbar gewesen. Seit der Wiedereröffnung steht sie alleine im Geschäft. Perspektive auf baldige Besserung sieht sie keine. Die Lage sei trist, die Kundschaft bleibt momentan noch aus. Sie rechnet damit, in absehbarer Zeit maximal eine Kraft wiedereinstellen zu können. Auch Petra Klement ist bisher durch alle Förderungen gefallen. „Was wir bräuchten wäre eine neue Maßnahme, die für unseren Umsatzentgang aufkommt und das ohne Umwege gleich über das Finanzamt. Das Geld ist dringend nötig, um weiterzumachen, um neue Ware bestellen zu können.“ Sie artikuliert aber vollstes Verständnis für die Regierung. „Es ist eine Notsituation, in der wir uns befinden. Tagtäglich müssen die Verantwortlichen neue Lösungen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber finden. Daher ist es verständlich, dass nicht alle Entscheidungen von heute auf morgen ausgereift sind. Und ich finde, Österreich hat die Lage noch relativ gut im Griff“, sagt sie. Gleichzeitig fürchtet sie sich vor einer Wirtschaftskrise. „Die wahren Auswirkungen werden wir erst 2021 spüren“, zeigt sie sich besorgt.

WKB-Präsident Peter Nemeth: „Ja, das Geld kommt an“

Grundsätzlich sieht die Wirtschaftskammer einen gewissen Hoffnungsschimmer mit Einschränkungen für den Handel. Einige Produkte sind gefragt, Baumärkte und Gartencenter gut besucht. In anderen Branchen war der Start nach Ostern eher verhalten. „Corona hat das Konsumverhalten verändert. Zurzeit zählt nicht das Shopping-Erlebnis als Freizeitvergnügen, sondern die Menschen gehen gezielt ins Geschäft“, so Peter Nemeth, Präsident der Wirtschaftskammer Burgenland. Natürlich würde auch er sich mehr Freiheit wünschen, was die derzeitigen Regelungen betrifft. „Aber was nützt uns die Freiheit, wenn es eine zweite Schließungswelle gäbe.“ Also müssen den Unternehmen Perspektiven gegeben werden.

So wurden laut Wirtschaftskammer in der ersten Phase (Härtefall Fonds 1) fast vier Millionen Euro an Schnellhilfe an die Unternehmer im Burgenland ausbezahlt, rund 4270 Anträge von der burgenländischen Wirtschaftskammer bearbeitet. Nun hat Phase 2 begonnen, Anträge können online abgegeben werden. „Auch das wickelt die Wirtschaftskammer als operativer Dienstleister für die Bundesregierung ab. Das ist schlichtweg eine Frage der Ressourcen. Unsere Betriebe brauchen dringend Unterstützung, und die Wirtschaftskammer sorgt dafür, dass die Beantragung so schnell und unbürokratisch wie möglich passieren kann und die Unterstützung so rasch wie möglich ausbezahlt wird.“

Über einen nicht ausreichenden Informationsfluss zeigt sich Peter Nemeth überrascht. „Die Website wko.at/corona wird laufend aktualisiert, ein Newsletter mit allen aktuellen Infos kann abonniert werden. Fachorganisationen informieren ebenfalls über ihre eigenen Kanäle. Wesentlich ist, welche Informationsquellen man nutzt. Hier sollte man nicht unbedingt immer den Sozialen Medien und manchen Krawallblättern vertrauen. In der Wirtschaftskammer jedenfalls sind die Mitarbeiter fast rund um die Uhr telefonisch oder via E-Mail für alle Fragen erreichbar.“

Interview mit WKB-Präs. Peter Nemeth (siehe unten)

Barbara Mühl: „Es überrascht mich, dass wir Steuerberater nicht eingebunden wurden“

Mit Fragen bombardiert wird auch Barbara Mühl. „Steht mir Unterstützung zu? Welche? Wie beantrage ich sie richtig? Wann bekomme ich mein Geld?“ Das sind die häufigsten Fragen, mit denen die Steuerberaterin derzeit konfrontiert wird. So „schnell und unbürokratisch“ findet sie die Abwicklung nicht. „Auch wir mussten uns einlesen und online fortbilden, für Laien sind die Formulare kaum zu bewältigen. Konkrete Informationen über die richtige Abrechnung von Kurzarbeit zum Beispiel gibt es noch nicht,“ erklärt sie. „Ich soll beraten, sollte meine Kunden aber nicht treffen, es reduziert sich alles auf Telefongespräche, und das ist sehr mühsam. Die Antragsformulare für die Kurzarbeit sind eine Herausforderung und haben sich zudem ständig geändert. Hinzu kommt, dass die Bearbeitung so manch eines Antrages lange dauert, weil er falsch oder unvollständig vom Klienten ausgefüllt wurde und nachgebessert werden muss. Die Kurzarbeitsunterstützung durch das AMS erhalten die Arbeitgeber natürlich erst zeitverzögert, das heißt, sie müssen vorfinanzieren.“ Die Wirtschaft wird leiden, ist auch sie sich sicher. „Insolvenzen werden kommen. Es wird vor allem Unternehmen treffen, die vor der Krise schon angeschlagen waren.“

Vorsicht ist mit Krediten und Steuerstundungen geboten, denn dieses Geld ist nicht geschenkt, es muss jedenfalls zurückbezahlt werden. Ihr Tipp: „Planen Sie Ihre Zahlungen! Überstürzen Sie nichts. Der zweite Härtefallfonds kann zum Beispiel noch bis Jahresende beantragt werden, und bis dahin tut sich noch viel.“

Von Kurzarbeit, Härtefallfonds, Unterstützungen durch die einzelnen Bundesländer bis hin zu Steuerstundungen und Krediten gibt es für die Unternehmen viele Angebote. Welche Form der Unterstützung für Sie sinnvoll ist, erfragen Sie am besten bei der Wirtschaftskammer, dem AMS, der Hotline des Finanzministeriums oder beim Steuerberater Ihres Vertrauens

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Steuerberaterin Mag. Barbara Mühl
Steuerberaterin Mag. Barbara Mühl

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Ing. Peter Nemeth
WK Burgenland Präsident Ing. Peter Nemeth

Karin Artner
Friseurmeisterin Karin Artner

Petra Klement
Modegeschäftsinhaberin Petra Klement

Im Talk mit Peter Nemeth, dem Präsidenten der Wirtschaftskammer Burgenland.

Kommt das Geld bei den Kleinunternehmern an?

Ja. Vor wenigen Tagen wurde der Härtefall Fonds 1 abgeschlossen. Dabei wurden von der Wirtschaftskammer Burgenland rund 4.270 Anträge abgewickelt und 3,9 Millionen Euro an Schnellhilfe sind bereits an die Unternehmer im Burgenland ausbezahlt. Der Härtefall Fond 2 wurde soeben gestartet, dabei wurde der Bezieherkreis erweitert, Anträge kann man online abgegeben.

Warum wickelt die WK und nicht das Finanzamt ab?

Die Wirtschaftskammer wickelt als operativer Dienstleister den Härtefall-Fonds für die Bundesregierung ab. Wir haben unsere Erfahrungen aus der Abwicklung der Phase I und können das auch nun einbringen. Und dann ist es schlichtweg eine Frage der Ressourcen. Unsere Selbständigen und deren Betriebe brauchen jetzt dringend Unterstützung. Der Härtefall-Fonds ist dabei ein wichtiges Element der Soforthilfe. Wir als Wirtschaftskammer werden auch in der Phase 2 der Abwicklung dieses Fonds dafür sorgen, dass die Beantragung so schnell und unbürokratisch wie möglich passieren kann und Unternehmer die Unterstützung so rasch wie möglich ausbezahlt bekommen.

Es gibt Unternehmerstimmen, die meinen sie würden nicht ausreichend informiert….

Das kann ich ehrlich gesagt überhaupt nicht nachvollziehen. Die Bundesregierung gibt seit Beginn der Corona-Krise fast täglich eine Pressekonferenz, die Medien informieren umfassend und auch in der Wirtschaftskammer sind die Mitarbeiter fast rund um die Uhr telefonisch oder via E-Mail erreichbar. Unsere Website wko.at/corona wird laufend aktualisiert, wer den Newsletter der Wirtschaftskammer abonniert hat, bekommt immer die aktuellen Neuigkeiten.

Und natürlich informieren auch die Fachorganisationen über ihre eigenen Kanäle. Wir müssen eher aufpassen, dass wir nicht Überinformieren, sondern sehr selektiv die relevanten Informationen aufbereiten. Und ganz wesentlich ist, welche Informationsquellen man nutzt. Hier sollte man nicht unbedingt immer den Sozialen Medien und manchen Krawallblättern vertrauen.

Wie sind die Unternehmer mit den neuen Öffnungsmöglichkeiten zufrieden?

Es ist ein Hoffnungsschimmer, es durften nach Ostern 2.300 Geschäfte im Burgenland wieder aufsperren. Einige Produkte waren nachgefragt wie in Gartencenter und Baumärkten. Auch der Papier- und Buchhandel lief gut an. In den anderen Branchen war es eher verhalten. Corona hat unser Leben verändert, Corona hat das Konsumverhalten verändert. Zur Zeit zählt nicht das Shopping-Erlebnis als Freizeitvergnügen, sondern die Menschen gehen gezielt ins Geschäft.

Wie sind die Unternehmer mit der derzeitigen Regelung zufrieden?

Wir würden uns natürlich mehr Freiheit wünschen, aber an erster Stelle steht die Gesundheit. Weil was nützt uns die Freiheit, wenn es eine zweite Schließungswelle gäbe. Bei den Öffnungszeiten wünschen sich vor allem die kleinen Geschäfte im Lebensmittelbereich, dass sie früher aufsperren dürfen, um noch die Berufstätigen versorgen zu können. Jetzt ist es wichtig, dass die Unternehmen Perspektiven haben. Und dazu gehört das schrittweise Aufsperren, Anfang Mai viele Dienstleistungsbereiche wie die Friseure und ab Mitte Mai dann die Gastronomie.


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