Zweisprachig. Vielseitig. Unterwart.

Nur wenige Radminuten von der Bezirkshauptstadt Oberwart entfernt und trotzdem mitten im Grünen liegt Unterwart – Alsóőr. Zweisprachige Ortstafeln begrüßen die Besucher in der ehemaligen Grenzwächtersiedlung auf Deutsch und Ungarisch. Sie sind ein sichtbares Zeichen der gelebten Zweisprachigkeit in der südburgenländischen Gemeinde an der Pinka.

Nicole MATSCH / 28. Mai 2025

Das Gemeindeamt in der zweisprachigen Gemeinde Unterwart wurde Anfang der 60er Jahre errichtet. Es beheimatet auch die Bibliothek.

Unterwart beeindruckt leise – mit Geschichte, die sich in jedem Winkel zeigt. Wer sich auf einen Rundgang durch die Gemeinde begibt, die auch heute noch landwirtschaftlich geprägt ist, merkt das schnell: alte Bauernhöfe, zweisprachige Straßennamen, das Heimathaus mit über 2.000 Exponaten, die Obere Mühle – heute zur Freilichtbühne umfunktioniert – und die denkmalgeschützte Pfarrkirche, die in erhöhter Lage am südlichen Ortsende Richtung Oberdorf thront. Die Hauptstraße bildet das Rückgrat des Ortes, der eigentliche Charme aber liegt in den schmalen Gassen, die im rechten Winkel davon abzweigen. „Das sind vor allem Servitutswege. Früher haben Familien ihre Häuser einfach hintereinander gebaut“, erklärt Bürgermeister Hannes Nemeth das zweisprachig beschilderte Netz der meist privaten Zufahrten. Eine selten gewordene Siedlungsstruktur, die Unterwart ein unverwechselbares Gesicht verleiht.

Alltag in zwei Sprachen

Unterwart entstand als Grenzwächtersiedlung im mittelalterlichen ungarischen Grenzschutzsystem und gehörte wie das gesamte Burgenland bis 1920/21 zu Ungarn. Die Gemeinde mit 1.017 Einwohnern ist heute neben Oberpullendorf, Oberwart und Siget in der Wart eine der vier großen, noch existierenden ungarischen Sprachinseln im Burgenland. Von der Ortstafel, den Straßenschildern und der Volksschule bis zur größten ungarischsprachigen Bibliothek Österreichs – in Unterwart sind beide Sprachen lebendig. Ein Großteil der Bevölkerung spricht Ungarisch auch im Alltag. „Amtliche Wege lassen sich meist in der Muttersprache erledigen“, betont Hannes Nemeth. Dabei kann ausgerechnet der Bürgermeister selbst kein Ungarisch. „Ich hab’s versucht zu lernen, aber es ist nicht so einfach“, gibt er zu. „Dafür höre ich zu und finde Lösungen“, sagt er schmunzelnd. Der deutschsprachige Anteil der Einwohner ist vorwiegend im Ortsteil Eisenzicken angesiedelt, der mit Andreas Craighero einen eigenen Ortsvorsteher hat.

Luftaufnahme eines idyllischen Dorfes mit Kirche, umgeben von Wäldern und Feldern unter blauem Himmel.

Drohnenaufnahme des Ortsteils Eisenzicken. © Grafik Olaeru

Zwischen Retro-Charme und Krisenmanagement

Betritt man das Unterwarter Gemeindeamt, verspürt man einen Hauch von Nostalgie. Dort scheint die Zeit etwas langsamer zu vergehen. „Der Charme der 60er-Jahre“, schmunzelt Nemeth, der aber keinen Grund zur Modernisierung des 1960/62 errichteten Gebäudes sieht: „Es erfüllt seinen Zweck und es regnet nicht herein. Investieren wir lieber dort, wo es wirklich nötig ist.“ Damit meint der Nachfolger von Bürgermeisterin Klara Liszt etwa den Hochwasserschutz – ein „Dauerbrenner“, der 2024 wieder einmal dramatische Realität wurde: „Der Schutzdamm in Eisenzicken stand kurz vor dem Überlaufen, nur fünf Zentimeter haben gefehlt“, erinnert sich Nemeth lebhaft an eine schlaflose Nacht.

Wirtschaftskraft am Ortsrand

„… eine Gemeinde zum Wohlfühlen & ein Wirtschafts-Standort zum Einkaufen …“ heißt es auf der Website von Unterwart. Das sagt eigentlich schon alles. Das Gewerbegebiet Unterwart zählt zu den wichtigsten Wirtschaftszentren der Region. Entlang der Steinamangerer Straße haben sich zahlreiche Unternehmen angesiedelt – von Möbelhäusern über Lebensmittelmärkte bis hin zu Fachgeschäften. Mit über 500 Arbeitsplätzen ist das Gewerbegebiet nicht nur ein bedeutender Arbeitgeber, sondern auch ein attraktiver Einkaufsstandort.

Ein weiterer Impuls für die wirtschaftliche Belebung ist geplant: Möbelix soll von Oberwart in den seit 2023 leerstehenden KIKA-Komplex übersiedeln. Bereits vor drei Jahren hat die Gemeinde zudem ein Grundstück im Gewerbegebiet an die Bioenergie Gruppe aus Köflach verkauft. Dort ist ein Fernwärmeprojekt vorgesehen – derzeit jedoch auf Eis gelegt. Verzögerungen im Genehmigungsverfahren und die aktuell niedrigen Gaspreise bremsen die Umsetzung.

Mehr Ehrgeiz als Budget

Trotz positiver wirtschaftlicher Entwicklungen ist die finanzielle Lage der Gemeinde angespannt. Zwar sind die Ertragsanteile von 825.000 auf 950.000 Euro gestiegen, gleichzeitig jedoch auch die Abzüge – von 575.000 auf 925.000 Euro. „Uns bleibt fast nichts mehr übrig“, bedauert Bürgermeister Nemeth. So verzögern sich Projekte wie Photovoltaikanlagen zur Straßenbeleuchtung oder zur Absicherung bei einem Blackout. Dennoch wird investiert – mit Augenmaß und klaren Prioritäten. Glasfaserausbau, die Sanierung von Brücken und weitere Hochwasserschutzprojekte stehen auf der Agenda, soweit es die Finanzen zulassen. Persönlich sieht Hannes Nemeth seine Arbeit als Berufung. „Ich mache das nicht als Job, sondern aus Leidenschaft“, sagt er. „Ich will nicht gesehen werden – ich will, dass es funktioniert.“ Auch wenn das bedeutet, zig Brücken zu sanieren statt sich ein Prestigeprojekt ans Revers zu heften.

Vom Theater bis zum Waldlehrpfad

Was Unterwart außer der Zweisprachigkeit noch besonders macht? Das Gemeinschaftsgefühl. 28 aktive Vereine – vom Bauernbund über den zweisprachigen Theaterverein und den Fischereiverein bis hin zu zwei Feuerwehren – sorgen für ein reges Gemeindeleben. „Kein Quartal vergeht ohne Veranstaltung“, freut sich der Bürgermeister über so viel Engagement. Ein kultureller Mittelpunkt ist neben dem Kulturhaus die ehemalige Obere Mühle mit ihrer Freilichtbühne, die regelmäßig Schauplatz von Theateraufführungen ist. Auch sportlich ist einiges los: Der revitalisierte Sportplatz entstand in Kooperation mit dem SV Oberwart, hinter dem Trainingsplatz gibt es einen Beachvolleyballplatz und im Park nun auch einen Basketballkorb – installiert auf Wunsch der Kinder, die zuvor ihren eigenen mitgebracht hatten. „Wenn’s so einfach zu lösen ist, machen wir das“, meint Bürgermeister Nemeth pragmatisch. Auch Radfahrer kommen auf ihre Kosten und Naturfreunde können 48 Pflanzenarten auf dem Waldlehrpfad erkunden.

„Auf Wiedersehen – Viszontlátásra“

Viele junge Menschen zieht es zum Studium, meist nach Wien. Doch manche – wie auch Hannes Nemeth – kommen wieder. Vielleicht aufgrund der guten Luft, der kurzen Wege oder des besonderen Miteinanders. Für die Zukunft wünscht sich der Bürgermeister, dass die Gemeinde aus der finanziellen Enge herausfindet, notwendige Projekte umsetzen kann – und dass sein Ort lebendig, offen und nachhaltig bleibt. Unterwart ist nicht perfekt – aber authentisch. „Auf Wiedersehen – Viszontlátásra“ steht in weißer Schrift auf dunklen Tafeln an den Ortsausfahrten – nicht nur ein Gruß, sondern ein Versprechen.

Zwei Männer genießen einen Spaziergang in der Natur entlang eines Bachs an einem sonnigen Tag.
© Bürgermeister Hannes Nemeth
Hochwasserschutz Eisenzicken

Die Gemeinde investiert viel in den Hochwasserschutz. Bürgermeister Hannes Nemeth mit Ortsvorsteher Andreas Craighero in Eisenzicken.

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