Bequemheit über Gesundheit – Übergewicht bei Kindern

In Österreich werden knapp 30 Prozent der Kinder ab dem Volksschulalter als übergewichtig oder gar adipös eingestuft. Das zeigt der aktuellste Bericht der „Childhood Obesity Surveillance Initiative“ der World Health Organisation (WHO). Als Begründung dafür werden unter anderem zu viel Sitzen und kalorienreiches Essen genannt. Ausschlaggebende Lösungen für das Problem seien insbesondere körperliche Bewegung und eine ausgewogene Ernährung – Faktoren, die weder in der Schule noch zuhause umgesetzt werden. Auch Kinder- und Jugendfacharzt Doktor Christoph Rodler aus Hartberg bestätigt den Anstieg von Übergewicht bei Kindern und erklärt, wie wichtig die frühe Vermittlung von gesunden Gewohnheiten ist und wie man die Sache angehen kann.

Saskia KANCZER / 27. März 2024

Jedes dritte Kind in Österreich ist übergewichtig. Bei etwa zehn Prozent der Burschen und Mädchen lautet die Diagnose nicht einfach nur Übergewicht, sondern Adipositas.

Wann ist es kein Babyspeck mehr?

Zwischen September und Dezember 2019 wurden insgesamt 2.445 Kinder im Alter zwischen sieben und zehn Jahren aus allen neun Bundesländern auf Initiative der WHO untersucht. Die Ergebnisse zeigten, dass knapp ein Drittel der Kinder im Volksschulalter laut Body-Mass-Index (BMI) bereits als übergewichtig gelten. „Der BMI ist ein relativ guter Richtwert. Hohes Gewicht ist nicht unbedingt durch eine Zahl in Kilogramm definiert, es kommt aufs Verhältnis zur Körpergröße an“, erklärt Kinder- und Jugendfacharzt Christoph Rodler. Er ist nicht nur in seiner Praxis in Hartberg tätig, sondern auch als Schularzt in Oberschützen. „Der Gewichtsanstieg bei Kindern ist quer durch alle Altersgruppen erkennbar – von Volks- bis hin zu Hochschulkindern“, bestätigt der Facharzt. Auch er nennt die Probleme ganz klar beim Namen: „Die Kinder sitzen bereits sehr viel in der Schule und das ist in vielen Fällen zuhause auch nicht anders. Viele Kinder und Jugendliche verbringen ihre Freizeit immer mehr vor dem Bildschirm, anstatt auch Hobbys an der frischen Luft zu haben. Selbst der Scooter ist oft elektrisch“, erklärt Doktor
Rodler. Aber als Elternteil stellt sich hier die Frage: Ab wann ist es kein Babyspeck mehr? Ab wann sollte ich mir Sorgen machen? „Leider sind Routineuntersuchungen nur bis zum fünften Lebensjahr gang und gäbe. Dabei wäre ein jährlicherGesundheitscheck für alle Altersgruppen sehr wichtig, denn da könnten etwa frühzeitige Anzeichen für Adipositas erkannt und entsprechend gegengesteuert werden. Babyspeck existiert zwar durchaus und ist bis zu einem gewissen Kleinkindalter normal und dient auch als Schutz vor dem Fallen. Dennoch ist es immer ratsam, die Verhaltensweisen des Kindes zu beobachten. Ein simples Alarmzeichen ist zum Beispiel, wenn das Kind gleich große Portionen isst wie ein Erwachsener. Dann ist es ratsam zu überlegen, ob es sich noch um eine normale Verhaltensweise handelt oder man die Essgewohnheiten hinterfragen sollte“, schildert der Kinderarzt.

Was ist Adipositas?

Ab einem BMI-Wert von 30 gilt ein Mensch als adipös und leidet somit an einer krankhaften Fettleibigkeit. Diese kann laut Doktor Rodler durchaus auch chronisch werden: „Je länger gewartet wird, die Krankheit zu erkennen, desto schwieriger ist es, ihr entgegenzuwirken. Vor allem ist es auch komplizierter, Adipositas zu behandeln, je älter die betroffene Person ist.“ Daher ist es also wichtig, so schnell wie möglich zu reagieren oder noch besser, es gar nicht erst so weit kommen zu lassen. „Es sollte ein Verständnis dafür da sein, wie das Verhältnis zwischen Energiezufuhr (gegessenen Kalorien) und Kalorienverbrauch (Kalorienverbrennung) aussieht. Wenn konstant mehr Kalorien gegessen als verbraucht werden, nimmt man natürlich zu und das stetig“, erklärt Christoph Rodler.

Muss man körperliche Bewegung beibringen?

Dass körperliche Bewegung und eine ausgewogene Ernährung die wichtigsten Faktoren für unsere Allgemeingesundheit sind, ist keine Neuigkeit – aber dennoch steigt die Zahl der Übergewichtigen in Österreich immer weiter an. Das zeigen auch BMI-Vergleichszahlen über die letzten Jahre von „Statistik Austria“. Facharzt Rodler betont, dass die Eltern hier das erste Vorbild und die wichtigsten Bezugspersonen sind: „Das Kind lehnt das eigene Verhalten an die Eltern an. Wenn also vorgelebt wird, dass kontrolllos alles gegessen werden kann und zusätzlich keinerlei körperliche Aktivität stattfinden muss, kann sich das negativ auf die Gesundheit und Lebensqualität der Kinder auswirken. Es wäre wichtig, dass Kinder möglichst früh wissen, wie ein gesunder Teller und ein entspannter Familienesstisch aussehen, denn ausgewogen zu essen und zu trinken ist besonders für die Kleinsten wichtig. Ebenso verhält es sich mit der Freude an der Bewegung. In Betreuungs- und Bildungseinrichtungen gibt es zwar Sportunterricht, aber das sollte nicht die einzige Bewegung sein, die das Kind macht. Es würde oft unterschätzt werden, wie problematisch die körperliche Inaktivität für Kinder ist. Die Muskulatur wird nicht beansprucht und ist teilweise verkürzt und verkümmert, was später im Erwachsenenalter zu frühzeitigen Schmerzen und Bewegungseinschränkungen führen kann, betont der Facharzt. „Neben den körperlichen Problemen kommt noch eine Vielzahl weiterer Erkrankungen hinzu, die damit einhergehen. Eine der häufigsten ist Diabetes Typ 2, was früher eigentlich als Altersdiabetes bekannt war, nun aber schon lange nicht mehr nur auf das höhere Alter beschränkt ist“, so Doktor Rodler. Daher sei es auch wichtig, neben der bewussten Ernährung zuhause, auch das Angebot der Jause in der Schule zu verbessern. „Die Ernährungspyramide ist ein wichtiger Anhaltspunkt – aber bei vielen steht diese auf dem Kopf. Natürlich nehmen Kochen und Sport Zeit in
Anspruch, aber das sind Dinge, die man mit dem Kind teilweise gemeinsam machen kann, um ein Fundament für
gesunde Gewohnheiten zu schaffen. Auch in Kindergärten und Schulen muss beim Essensangebot unbedingt etwas getan werden. Das Angebot muss hier gesünder werden“, so der Facharzt.

Angelehnt an die Ernährungspyramide empfiehlt die Österreichische Gesundheitskasse das Ampelsystem bzw.
6-5-4-3-2-1- Prinzip als Übersicht für gesündere Ernährung. Laut diesem Prinzip werden fünf Portionen Obst und
Gemüse – eine Handvoll ist eine Portion – empfohlen. Zusätzliches, also Süßes und fettige Snacks, sollten nur eine
tägliche Portion sein.

Gesundere Gewohnheiten

Trotz der konkreten Fakten verschlechtert sich die körperliche Gesundheit in Österreich und das fängt schon bei unseren Kindern an. Bequemheit scheint hier über Gesundheit zu gehen: Laut dem „Childhood Obesity Surveillance“ Bericht verbringen knapp 60 Prozent der Sechs- bis Neunjährigen mehr als zwei Stunden vor dem Bildschirm. Das wäre Freizeit, die eigentlich für die körperliche Bewegung wichtig wäre. Laut der „Österreichischen Empfehlungen für gesundheitswirksame Bewegung“ von 2020 sollten Kinder im Kindergartenalter täglich mindestens drei Stunden, über den Tag verteilt, körperlich aktiv sein. Davon eine Stunde mit mittlerer bis höherer Intensität. Auch Kinder und Jugendliche sollen sich täglich mindestens eine Stunde, großteils mit mittlerer bis höherer Intensität, bewegen. Doktor Rodler betont, dass sich Sport nicht nur auf die körperliche, sondern auch auf die mentale Gesundheit positiv auswirkt und legt vor allem Eltern eine bewusste
gesündere Einstellung ans Herz: „Oft will man die Situation nicht wahrhaben. Der Mensch neigt dazu, den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen, und man tut erst dann etwas, wenn es zu spät ist. Wenn aber von Anfang an auf eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung geachtet wird und die Kinder spielerisch zur Bewegung motiviert werden, sind die wichtigsten Grundlagen zur Vermeidung von ungesundem Übergewicht bereits gelegt.

Definition Bewegungsintensität

Mittlere Intensität bedeutet, dass während der Bewegung noch gesprochen, aber nicht mehr gesungen werden kann. Höhere Intensität bedeutet, dass nur noch kurze Wortwechsel möglich sind.
(Quelle: Das Bewegungsverhalten österreichischer Schülerinnen und Schüler)

BMI

Nach einer Klassifikation der WHO wird zwischen Untergewicht (Wert kleiner als 18,5), Normalgewicht (18,5 bis 24,9), Übergewicht (25,0 bis 29,9) und Adipositas (BMi ist 30,0 oder größer) unterschieden.
Die BMI Werte bei Kindern sind teils deutlich niedriger bzw. ein BMi von 14 kann auch noch normal sein.

Kinder- und Jugendfacharzt Doktor Christoph Rodler
Dr. Christoph Rodler

Kinder- und Jugenfacharzt
+43 (0)3332 61300 | ordination@kinderarzt-rodler.at
Brühlgasse 2 | 8230 Hartberg

www.kinderarzt-rodler.at

Eine genaue Infografik der ERnährungspyramide.
Ernährungspyramide
  • 6 Portionen Getränke: Ein Glas passt in eine Hand und ist eine Portion.
  • 5 Portionen Obst und Gemüse: Eine Hand voll ist eine Portion.
  • 4 Portionen Getreideprodukte: Eine Portion Brot (eine Brotscheibe) entspricht der gesamten Handfläche mit ausgestreckten Fingern.
    Bei Beilagen wie Kartoffeln, Nudeln, Reis, Müsli stellen 2 Hände voll die Portion dar.
  • 3 Portionen Milch und Milchprodukte: Ein Glas passt in eine Hand.
    1 Portion Fleisch, Wurst, Fisch oder Ei: Die Fleischportion ist so groß wie der Handteller ohne die Finger. Jeden Tag sollte maximal eine Portion Fleisch oder ein Ei oder eine Portion Fisch auf dem Speiseplan stehen.
  • 2 Portionen Fette und Öle: Das ist pro Portion 1 gestrichener Esslöffel.
  • 1 Portion Extras (Süßes, fette Snacks): Man forme mit einer Hand ein Schüsserl – es passen z.B. 4 Butterkekse hinein. Diese Portion muss aber nicht unbedingt gegessen werden – man kann sie auch weglassen.

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