Bericht

Corona-Pleitewelle

Von Neuanfang und der Rückkehr zur Normalität reden die einen. Von einer Corona-Pleitewelle die anderen. Wird aus der Gesundheitskrise nun eine Wirtschaftskrise? Mit einem Anstieg der Privatkonkurse für die Jahre 2021 und 2022 ist zu rechnen, heißt es von Seiten der Schuldenberatung Burgenland. Die SPÖ will dies mit einem Schutzschirm für Betroffene abfangen. Das Paket dazu wird vom südburgenländischen Nationalratsabgeordneten Christian Drobits ausgearbeitet. „Kein Kapital aus der Not der Menschen schlagen“, sagt er dabei in Richtung Banken und Inkassobüros.

Foto: Shutterstock / Cienpies Design

Einen einigermaßen normalen Sommer hat uns Bundeskanzler Sebastian Kurz versprochen. Normal wird er für viele wohl nicht. Denn allein wirtschaftlich kommt einiges auf uns zu. „2022 wird voraussichtlich das Jahr der Insolvenzen. Davon werden Privatpersonen ebenso betroffen sein wie Einzel- und Kleinunternehmen“, prophezeit der südburgenländische SPÖ-Nationalratsabgeordnete Christian Drobits, der im SPÖ Parlamentsklub als Konsumentenschutzsprecher zuständig ist. „Sowohl im Parlament als auch in den Arbeiterkammern tauchen in den Beratungen die ersten Fälle bereits auf“, erzählt Drobits aus seinen Erfahrungen auch als Regionalstellenleiter der AK Burgenland. Der Grund: Die gesetzlichen Stundungsmöglichkeiten für Kreditraten während der Pandemie sind mit 31. Jänner 2021 ausgelaufen. Vorübergehend waren die Stundungen für die Betroffenen zwar eine Erleichterung, aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. „Im Klartext bedeutet dies, dass die gestundeten Kreditraten fällig werden und zurückgezahlt werden müssen. Zusätzlich zu den laufenden. Und genau das ist für viele nicht möglich“, weiß Drobits. Die Arbeitssituation hat sich durch die Pandemie nämlich in vielen Familien verändert. „Das Einkommen ist schlagartig geringer geworden.“ Die Aufhebung des Epidemiegesetzes ist für Drobits der Kardinalfehler der Regierung gewesen. „Mit diesem Gesetz wären alle Entschädigungsansprüche für Verdienstentgang durch Betriebsschließungen klar geregelt gewesen. Jetzt müssen Betroffene einen Antrag stellen und werden zum Bittsteller.“

Nicht nur bei den Krediten ist die Schonfrist vorbei. Auch bei Mieten beginnen die Forderungen. So können rückständige Mieten aus April, Mai und Juni 2020 seit 1. April 2021 gerichtlich geltend gemacht werden.

Dr. Michaela Puhr von der Schuldenberatung Burgenland bringt es klar auf den Punkt: „Mit dem Auslaufen dieser Stundungsmöglichkeiten stehen viele Betroffene erneut vor der Problematik, dass sie diese Verbindlichkeiten nicht zurückzahlen können, weil sich an ihrer finanziellen Situation aufgrund anhaltender Arbeitslosigkeit oder Verlängerung der Kurzarbeit nichts geändert hat. Stundungen bewirken nämlich nur eine Verschiebung der Rückzahlung nach hinten. Die Überschuldungsgefahr in privaten Haushalten hat sich massiv erhöht.“

Die Schuldenspirale

Was folglich passiert, ist laut Christian Drobits oftmals die einzige Möglichkeit, dass Betroffene den Forderungen nachkommen können: „Viele schöpfen dann nämlich den Kontoüberziehungsrahmen aus.“ Und genau hier liegt die Crux. „Eine Erhebung bei 36 österreichischen Banken zeigt, dass die Zinsen bei den Gehaltskonten im Schnitt 0,01 Prozent betragen. Wer ins Minus rutscht, zahlt durchschnittlich jedoch an die 10,52 Prozent Zinsen. Im Höchstfall sogar 14 Prozent. Die Banken schlagen hier aus der Not der Menschen Kapital“, so Drobits. Doch nicht nur Privatpersonen schöpfen den Rahmen bis zum Anschlag aus. „Auch Einzel- und Kleinstunternehmerinnen und -unternehmer haben zu wenig Eigenkapital, um diese Krise zu bewältigen. Die Folge: Sie überziehen das Konto.

40 Prozent mehr Konkurse

Dabei zeichnen die Zahlen der Konkurseröffnungen im Jahr 2020 noch ein völlig anderes Bild. Im Vergleich zu 2019 seien diese laut Michaela Puhr österreichweit sogar um 23,2 Prozent gesunken. Doch diese Zahlen sind genau zu hinterfragen. „Dieser deutliche Rückgang der Eröffnungen gegenüber dem Jahr 2019 ist zum größten Teil der Corona-Krise geschuldet und hier vor allem dem Lockdown ab etwa Mitte März: Es gab einen weitgehenden Stillstand der Justiz, die Gerichte arbeiteten im Krisenmodus und auch in den Schuldenberatungen war wochenlang aufgrund des Lockdowns ein Vorantreiben von Schuldenregelungen in der gewohnten Art und Weise nicht möglich.“ Für das heurige Jahr und für 2022 rechnen Schuldenberatungsstellen mit einer Steigerung der Privatkonkurse um 40 Prozent im Vergleich zu 2020. Die fällig werdenden Kredite und Mietzahlungen sind aber nur ein Teil der Begründung. Ab Mitte Juli 2021 soll eine Insolvenzrechtsnovelle in Kraft treten, die einen Anstieg der Verfahren erwarten lässt.

Schneller entschuldet

Eine schnellere Entschuldung ist die Kernbotschaft, die Betroffene aufhorchen lässt. „Die EU Mitgliedsstaaten sind dazu verpflichtet, bis 17. Juli 2021 die Richtlinie der EU über Restrukturierung und Insolvenz (kurz RIRL) umzusetzen, welche vorsieht, dass sich Unternehmer in drei statt bisher fünf Jahren entschulden können. Dabei bleibt es den Mitgliedsstaaten überlassen, diese Regelungen für Unternehmerinnen und Unternehmer auch auf Privatpersonen auszudehnen. Der österreichische Gesetzgeber hat sich dazu entschlossen, die dreijährige verkürzte Entschuldungsdauer bei Vorliegen gewisser Voraussetzungen auch auf Privatpersonen anzuwenden“, erklärt Michaela Puhr. Ein Vorhaben, das auch Drobits unterstützt. Seine Forderungen greifen weiter.

Schuldnerschutzschirm

Die Prognosen für den Herbst deuten laut Drobits eindeutig darauf hin, dass aus der Gesundheitskrise eine Wirtschaftskrise wird. Jetzt müsse schnell gehandelt werden. Als Konsumentenschutzsprecher der SPÖ arbeitet der südburgenländische Nationalratsabgeordnete derzeit ein sogenanntes Schuldnerschutzpaket aus, das er in den nächsten Tagen mit der SPÖ-Klubführung präsentieren wird (Termin zu Redaktionsschluss noch nicht bekannt). Im prima! Interview hat er bereits drei des voraussichtlich elf Punkte umfassenden Paketes hervorgestrichen, die besonders bei den Banken neue Regelungen vorschreiben sollen. „Wir fordern bei gestundeten Krediten einen Zins- und Spesenstopp. Dieser sollte zumindest bis Ende des Jahres gültig sein. Es kann nicht sein, dass hier die Zinsen und Spesen weiterlaufen und sich der Schuldenberg dadurch anhäuft“, so Drobits.

Ein besonderes Augenmerk legt Drobits auch auf die erwähnten Zinsen bei Überziehung des Kontos. „Hier fordern wir einen sogenannten Coronazinssatz bei Kontoüberziehung von fünf Prozent. Dieser muss zumindest für die Dauer der Pandemie gelten.“
Auch die Inkassobüros sollen nur mehr fixe Pauschalen erhalten.

„Die Einschaltung von Inkassobüros wird nämlich rasch zu einer Kostenfalle, da eine Vielzahl an Spesen anfällt. Um diese teuren Inkassokosten wirksam einzudämmen, müssen unbedingt Pauschalbeträge anstatt der bisherigen Höchstsätze eingeführt werden“, so Drobits.

Geholfen werden soll mit diesem Schutzschirm jenen, die durch die Pandemie in Not gekommen sind. Doch es muss schnell gehen, weiß Drobits. In den nächsten Tagen will er den Antrag im Parlament einbringen. Vor dem Sommer wäre eine Novellierung der Gesetze wünschenswert. Für viele Betroffene hoffentlich noch die Rettung vor der Insolvenz.


NR Mag. Christian Drobits

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