Corona – und dann?
Wenn es ein Thema gibt, das die Welt spaltet, dann ist das momentan das Corona-Virus. Die Bemühung, es zu bekämpfen, hat Auswirkungen bis in unser Privatleben. Die Angst vor einer Ansteckung sitzt tief. Wie tief, berichtet Herbert V.. Er und seine Frau zeigten Symptome, mussten in Quarantäne und sind inzwischen längst wieder gesund. Doch was danach kam – damit haben sie nicht gerechnet.
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Es ist ein schöner Spätsommernachmittag im Südburgenland. Trotzdem kann es einem kalt den Rücken hinunterlaufen. Wenn Herbert V. (Name der Redaktion bekannt) anfängt zu erzählen. Er und seine Frau hatten nämlich eine Erkrankung mit dem Corona-Virus. „Ich bin froh, dass ich es hatte“, setzt Herbert V. an. Weil er Probleme im geschäftlichen Umfeld befürchtet, möchte er seinen Namen nicht in der Zeitung lesen. „Eigentlich sollten wir nun zu den sichersten Menschen weit und breit gehören, denn nach neuestem Stand der Wissenschaft (er bezieht sich auf den Steckbrief zu Covid 19 des deutschen Robert-Koch-Instituts) sind wir vorläufig immun. Das Land Ungarn berücksichtigt das zum Beispiel, indem man dort mit dem Nachweis, die Krankheit vor nicht mehr als sechs Monaten gehabt zu haben, vollständige Bewegungsfreiheit hat. In diesem Punkt vermisse ich eine europaweit einheitliche Lösung.“ Herbert V. weiß, wovon er spricht, ist beruflich viel im Ausland unterwegs. Genau im Ausland brach bei ihm auch die Krankheit aus. „Rückwirkend kann ich den Zeitpunkt genau sagen: Das war am vorletzten Abend. Da hatte ich zwei-, dreimal husten müssen und hatte ein leichtes Brennen im oberen Lungenbereich. Am nächsten Tag war ich ziemlich matt. Aber da ich tagsüber viel am und im Meer war, dachte ich an eine normale Verkühlung oder einen leichten Sonnenstich.“ Bis heute weiß er nicht, wo er sich angesteckt hat.
„Nachrechnungsweise habe ich es vermutlich sogar selbst von Österreich mitgenommen“, so der Unternehmer. Allerdings hatte er keine gefährdenden oder engen Kontakte gehabt.
Social Distancing und Co.
Kontakte. Das klingt technisch. Social Distancing, ein englischer Begriff, wird für das simple Gebot des Abstandhaltens verwendet. Für Herbert V. wird diese Krankheit in eine Schmuddelecke gepackt. Immer wieder werden mahnende Berichte veröffentlicht über Ansteckungswege bzw. über Menschen, die die Krankheit weiter verbreiten, sogenannte „Superspreader“, wie es im neueren Jargon heißt. Immer haben diese Erzählungen etwas Verruchtes, Verbotenes, Tabuisiertes an sich, gibt er zu bedenken. Der erhobene Zeigefinger der Moral ist ihnen inhärent, legt die untergründige Deutungsweise nahe, dass, wer sich brav verhält, wer nicht exzessiv feiere, seinen Nächsten ordentlich meide und nicht jedem gleich mit der Begrüßung um den Hals falle, schon „irgendwie davon komme“. „Ähnlich wie bei HIV in den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts bekommt die Ansteckung mit dem Virus einen Anstrich von ‚selbst schuld‘ und ‚verantwortungslosem Handeln‘“, stellt Herbert V. einen Vergleich an. Dass hier wie dort Ansteckungen auch über normales Alltagshandeln geschehen können, wird oft ausgeblendet.
Lange Nachwirkungen
Herbert V. hatte Glück. Am Tag nach dem Ausbruch des Virus fühlte er sich extrem matt, mehr nicht. „Ich wäre ja nie darauf gekommen, dass ich Corona hätte. Da denkt man immer an Intensivstationen und Beatmungsgeräte, dabei wird ausgeblendet, dass in sehr vielen Fällen die Krankheit symptomlos bzw. mild vonstatten geht.“ Doch seine Frau hätte eine Untersuchung gehabt, routinemäßig wurde sie auf Corona getestet. „Dann ging alles sehr schnell. Wir wurden angerufen und mein Sohn und ich mussten ebenfalls zum Test, vom Auto aus, und dann waren wir alle in Quarantäne.“ Auch seine Frau hatte eigentlich ebenfalls einen als „mild“ beschriebenen Verlauf, doch in ihrem Kopf spukten alle Bilder, die inzwischen gängig zu dem Thema sind. „Und plötzlich hörte ich auf alle kleinsten Anzeichen meines Körpers und bekam die Panik“, erzählt sie. Sie wurde mit dem Krankenwagen abgeholt von „vermummten Sanitätern“, wie sie schildert. Geht es um Corona, sieht man bald nur noch verhüllte Gestalten. Jegliche direkte Berührung wird – sinnvollerweise – vermieden. Die natürliche Reaktion ist Abstand. Herbert V. selbst war nicht im Krankenhaus und auch seine Frau war nach einem Tag wieder daheim. Der Sohn der beiden hatte das Virus nachgewiesenermaßen überhaupt nicht. Herbert V. und seine Frau haben beide längst die amtliche Bescheinigung, wieder gesund zu sein, doch die Reaktion der Menschen in ihrem Umfeld sei nach wie vor extreme Distanz, wie beide berichten. Sogar der Sohn werde von Kameraden „vorsichtshalber“ nicht eingeladen. Die Familie merke deutlich, dass die Leute ihnen gegenüber gleich zum gebotenen Abstand noch mindestens einen großen Schritt zurückweichen. Die Krankheit ist längst vorüber, Nachwirkungen hat sie körperlich keine hinterlassen. Aber der soziale Makel, der bleibt haften.
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