Corona – Wie Krisen die Arbeitswelt verändern
Viel wird gesprochen über die Auswirkungen der Pandemie auf die Arbeitswelt. Einerseits hat sich die Wirtschaft erholt, andererseits suchen fast alle Branchen nach Fachkräften.
Die Kolumne für Unternehmer*innen
Mag. Elisabeth Bürgler MSc MBA
Die Corona-Krise hat eine interessante Tabula rasa geschaffen. Von heute auf morgen waren viele Menschen ohne „feste Arbeit“. Das hat riesige Ängste erzeugt, aber auch die Erkenntnis „Die Welt geht nicht unter.“ Der Mensch existiert ohne die tägliche Arbeit immer noch als ganzer Mensch. Ein „Spalt der Freiheit“ ist entstanden, durch den viele Menschen nach der Krise durchgehen wollen, hinein in eine größere berufliche Autonomie.Vergessen wird dabei oft, dass eine größere Autonomie gleichzeitig auch eine größere Selbstverantwortung, mehr noch, eine größere Selbstreflexion erfordern würde.
Das Resultat ist eine große Unsicherheit in den Unternehmen: „Was muss ich meinen Mitarbeiter*innen noch bieten, damit ich sie im Betrieb halten kann?“
Eine Unternehmerfamilie eines kleinen, sehr gut geführten Familienhotels in Kärnten erlebt diese Veränderungen gerade ganz deutlich:
Über viele Jahre wurde eine Stammmannschaft aufgebaut, schon immer wurde in dieser Familie ein mitarbeiterorientiertes Management gepflegt. Corona und der Lockdown haben alles auf den Kopf gestellt.
Im Sommer 2020 kündigte ein Drittel der Stammmannschaft innerhalb von drei Monaten.
Die Familie verstand die Welt nicht mehr, wurde doch auch während der Zeit des Stillstandes alles getan, in Form von Seminaren, Schulungen und Incentives, um mit den Mitarbeiter*innen den Kontakt zu halten. Große Zweifel kamen auf: Was wurde nicht richtig gemacht? Wo haben wir nicht hingeschaut?
Tiefgreifende Veränderungen wie diese Pandemie berühren immer beide Systeme des Menschen – sowohl das berufliche als auch das private. Erkennbar ist, dass es zwei ganz unterschiedliche Herangehensweisen im Umgang mit der Pandemie gibt. Je nach Veranlagung und Sozialisation wird sie als Herausforderung oder große Bedrohung erlebt. Die einen begegnen ihr mit Tatkraft und Elan, entwickeln eine stabile Resilienz und die Erkenntnis, diesen Herausforderungen begegnen zu können. Die anderen ziehen sozusagen „die Decke über den Kopf“.
Durch die konkrete Arbeit mit zweien der Mitarbeiterinnen zeigte sich, dass beide unabhängig voneinander mit dieser Neuordnung nicht zurecht kamen. Die Auswirkung war, dass sie den Grund für ihre eigene Unzufriedenheit und Frustration in den Arbeitsbedingungen suchten, ohne zu hinterfragen, was in ihrem eigenen System nicht geklärt ist.
Wenn hier nicht klar getrennt wird zwischen den Verantwortlichkeiten, kommt es zu einer immer größer werdenden Unsicherheit auf Seiten der Unternehmer*innen, die dadurch oft einen klaren Führungsstil vermissen lassen.
Diesem wirklich bedrohlichen Fachkräftemangel kann meines Erachtens nur begegnet werden, wenn auf Seiten der Unternehmer*innen das eigene Selbstbewusstsein wieder gestärkt wird. In einem guten, förderlichen Arbeitsumfeld kann und muss auch gute Leistung erwartet werden können.
Gleichzeitig gilt, wer sich einfühlt in die Lebenswelt der arbeitenden Menschen, die stark ausgerichtet ist auf die Parameter Sinn und Freiheit, wird in der Zukunft auch selbstverantwortliche Arbeitskräfte im Unternehmen haben.
Wir dürfen nicht vergessen, dass die jungen Menschen der Generation X und Y angehören. Für sie steht Leistung nicht im Vordergrund. Wenn diese Menschen nicht einen Sinn in ihrer Arbeit finden, dann ist die Bereitschaft groß, sich etwas Neues zu suchen.
Arbeitnehmer*innen hingegen müssen erkennen, dass sie den ganz individuellen Sinn ihrer Arbeitstätigkeit nur für sich selbst finden können und dass für eine harmonische Integration in ein Unternehmen, die persönliche Selbstreflexion notwendig ist Krisen als Chance zu sehen, die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt als Herausforderung zur Entwicklung – sowohl für Arbeitgeber*innen als auch Arbeitnehmer*innen – zu erkennen, könnte eine neue Qualität in das Verhältnis zwischen beiden Seiten entstehen lassen.
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