Bericht

Damit sie keine Ratten essen

Jede Geschichte hat einen Anfang. Die Geschichte des Vereins „Österreich hilft Afrika – Africa helps Austria“ beginnt mit einem Gynäkologiestuhl. Den bekam Dr. Claudia Furian aus Hartberg vor etwa 10 Jahren von einer Bekannten aus dem Burgenland, die ihre Praxis aufgab, und ihn zusammen mit der gesamten Einrichtung spendete. In Eigenregie brachte Claudia Furian diesen Stuhl nach Gambia und baute dort zusammen mit ihrem Adoptivsohn quasi um ihn herum eine Klinik auf. Nein, eigentlich begann alles etwas früher. Mit einer Begegnung und dem Gefühl, etwas weitergeben zu wollen.

Foto: zVg

In Gambia werden von Dr. Claudia Furian immer wieder Initiativen durchgeführt.

 

Vor 18 Jahren waren die Koffer gepackt, das Ticket gekauft, das Visum lag vor. Ein paar Wochen Mithilfe in einem Programm in Ruanda waren geplant für die Hartberger Ärztin Claudia Furian. Doch statt zu fliegen lernte sie den unbegleiteten minderjährigen Flüchtling Sarif aus Liberia kennen und nahm ihn bei sich auf. Der 15-Jährige war (und ist es bis heute) körperlich schwer angeschlagen, vom Bürgerkrieg traumatisiert, hatte keine Papiere, sprach kein Wort Deutsch. „Aber irgendwie war da sofort diese Verbindung zwischen uns“, erinnert sich Claudia Furian an die erste Begegnung mit ihrem späteren Adoptivsohn. Und auch zu seiner Mutter, von der sie nicht viel mehr weiß, als dass sie wie sein Vater neben ihrem kleinen Sohn, der alles mit ansehen musste, brutal ermordet wurde und dass sie Viktoria hieß. „Da ist dieses Gefühl, würde mein eigener Sohn irgendwo stranden, wäre ich auch froh, würde sich jemand um ihn kümmern und das Gefühl ‚Viktoria, ich schaue auf deinen Sohn!‘“

Vom Gynäkologiestuhl zur Klinik

Als Sarif erwachsen war, stand ein Besuch in Afrika an, genauer gesagt in Gambia, wo er Freunde hatte. „Das ist Wahnsinn, wir haben hier so viel, und die haben nix“, so Sarifs Resümee zu seinem Besuch im kleinsten Staat auf dem afrikanischen Festland und in einem der ärmsten Länder der Welt. Also fingen Mutter und Sohn zunächst allein an, ganz einfache Gebrauchs- und Alltagsgegenstände zu sammeln und in einen Container zu packen. Das war „recht unaufgeregt“, bis eben der Gynäkologiestuhl kam. Mit dem Stuhl kam die Klinik, die immer wieder ausgebaut und durch noch funktionierende, aber in Österreich bereits ausgemusterte Gerätschaften und Einrichtungsgegenstände erweitert wurde. Für gambesische Verhältnisse ist sie auf einem recht guten Level. So ist sie inzwischen wirtschaftlich unabhängig und kann sich selbst tragen: 50 Prozent der Patienten sind gut situiert, zahlen für die Behandlungen und tragen damit das Personal und die anderen 50 Prozent der Patienten, die zu arm sind, um sich eine Behandlung leisten zu können, mit.

Schule und Waisenhaus

Immer wieder wurden bestehende Initiativen aufgegriffen und erweitert. Ein Brunnen gegraben, eine Getreidemühle besorgt, eine rudimentäre Schule errichtet. Hier lernen Kinder im Alter von 4-6 Jahren Lesen, Schreiben, Grundrechenarten. Viele von ihnen gehen in keine weitere Schule, in Gambia liegt der Alphabetisierungsgrad gerade einmal bei etwas über 50 Prozent.
Für Ustas, den Mann, der mit seiner Frau in den Slums kochte und damit Waisenkinder versorgte, wurde ein Grundstück gekauft, ein Haus errichtet, ein Garten angelegt und Hühner und Ziegen angeschafft. Entstanden ist kein Hochglanzwaisenhaus, aber ein Zuhause mit den „Basics“ zum Überleben für bis zu 300 Kinder. Nach wie vor hält Claudia Furian mit ihren monatlichen Spenden dieses Projekt am Leben. Was sie in Österreich erwirtschaftet, geht direkt nach Gambia. „Ideen und Visionen hätten wir viele. Aber das Geld reicht gerade so. Würde ich mit meinen Spenden wegfallen, würden die Kinder wieder Ratten essen müssen, einfach nur, um irgendwie zu überleben!“ Stattdessen gibt es wenigstens eine warme Mahlzeit am Tag und rudimentäre Bildung.

Das blanke (Über-)Leben

Nur einmal, sechs Jahre ist das her, hat eine Bekannte ein unentgeltliches einwöchiges Malprojekt mit den Kindern veranstaltet. Kinder, die noch nie einen Pinsel in der Hand hatten, auch kein Geld für einen übrig gehabt hätten, ihre Hände bisher nur zum Arbeiten verwendet hatten. Plötzlich wird Claudia Furians Stimme ganz sanft. „Da war z.B. einer, verschlossen, hart im Gesicht wie ein Kindersoldat. Der malte anfangs nur Militärautos. Und nach einer Woche lachte er und malte Blumen.“ Und dann fängt sie an zu schwärmen von Gambia. Von den Menschen dort. „Der Alltag eines Afrikaners ist äußerst hart, körperlich anstrengend, keine Gerätschaften, keine Hilfsmittel, keine Maschinen, keine Elektrizität, kein fließendes Wasser, alles harte Handarbeit. Aber: Während sie ihre Arbeit verrichten, singen sie!“ Diese Lebensfreude, diese unverstellte Art sind es, die Claudia Furian so tief beeindrucken. Dass diese Menschen sie, die Fremde, einfach so, ohne Hintergedanken aufnahmen. Ihr die größte Hütte gaben und aus dem Besten, was sie zusammenkratzen konnten, ein Festmahl für sie kochten. „Dort ist das blanke Leben. Ohne Mascherl, anfangs hart zu sehen, hart zu erleben. Aber wenn man sich darauf einlässt, keine Berührungsängste hat, dann kann man auf Menschen treffen, die so viel Armut haben, dass sie auf grundlegende Eigenschaften reduziert sind. Auf unendlich gütige, liebevolle Eigenschaften.“

Spenden:
Verein Österreich hilft Afrika-Africa helps Austria
Steiermärkische Sparkasse
IBAN: AT80 2081 5197 003 0463
BIC STSPAT2GXXX


Sukzessive bauen die Hartberger Ärztin Claudia Furian und Adoptivsohn Sarif in Gambia eine Infrastruktur auf.

Es wurde bereits ein Brunnen gegraben.

Auch eine Schule wurde errichtet.

Malen ist für die Kinder in Gambia eine Seltenheit. Ein besonderes Erlebnis war das einwöchige Malprojekt.

Am wichtigsten war die Errichtung einer Klinik.
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