Bericht

„Hundstage“

Lockdowns, Home-Office und ein eventuelles Platzangebot von Haus mit Garten haben im vergangenen Jahr viele Menschen auf den Hund gebracht. Was nach einer idyllischen Idealvorstellung klingt, belebt für den Tierschutzgedanken aber ein bekanntes Problem: Denn fachlich wünschenswerter Wissensstand zu Erziehung oder auch gesetzliche Vorgaben zur Hundehaltung unterliegen im Burgenland keiner einheitlichen Regelung. Die Steiermark hat in dieser Angelegenheit eindeutig die Schnauze vorne. prima! hat analysiert.

Foto: Carina Szauer

Mag. Carina Szauer ist zertifizierte Hundetrainerin.

 

Grundwissen ist nicht Bedingung

Wenn ein Hund zu seinem neuen Herrl oder Frauerl oder in eine ganze Familie einziehen darf, hat er den Jackpot geknackt, möchte man meinen. Aber es gehört grundsätzlich mehr dazu, als dem neuen Familienmitglied zwar einen Platz zu bieten, aber es womöglich als sprichwörtliche „Alarmanlage“ zu betrachten, die sich letztendlich mit sich selbst beschäftigen soll. Denn Hunde brauchen Zeit, Alltagsstruktur, charakterspezifische Förderungen oder gezieltes Training. „Das Grundwissen über Hundehaltung ist in burgenländischen Haushalten nicht Bedingung“, schildert Alice Siebenbrunner, Obfrau des Vereins „Wir fürs Tier“ im Bezirk Oberwart. „Die Anforderungen werden sehr oft unterschätzt und ein Training wird erst dann in Erwägung gezogen, wenn der Hund schon verhaltensauffällig ist.“ In der Steiermark ist dies anders, da hier ein „Hundekundekurs“ für alle Menschen ohne Vorerfahrung verpflichtend vorgesehen ist.

Entscheidungsfreiheit der Gemeinden

„Auch freilaufende Hunde sind ein irrsinniges Thema“, weist Alice Siebenbrunner auf weitere Problemfelder hin. „Die jeweilige Entscheidungskompetenz über eine Leinenpflicht oder nicht obliegt in den Gemeinden individuell dem Bürgermeister.“ Aber ein politisches Amt dürfe in dieser Frage, auch in Anbetracht eines möglichen Interessenskonflikts in der Wählerschaft, nicht verantwortlich sein, beklagt die engagierte Tierschützerin. Und auch wenn Leinenpflicht ausgesprochen werde, ist die Exekution nur im seltensten Fall gegeben. „Und in der Konstellation aus unterschätztem Verhalten des eigenen Hundes in Bezug auf fremde Hunde oder auch Kinder hat man in vielen Situationen dann die Nachsicht, dass plötzlich doch etwas passieren kann. Der Ruf von weitem ‚Der tut nix!‘ bringt einem Betroffenen wenig, wenn die Lage akut zwischen dem dahergaloppierenden 40-Kilo-Hund und den eigenen Hunden eskaliert und es zu Panik, Rauferei und Bissen unter den Anwesenden führt. Besonders schlimm, wenn Kinder dabei sind.“ Rechtlich sei eine Tragöde mit teils schwerwiegenden Verletzungen unter Hunden im Gesetz auch nur unter Sachbeschädigung zu finden, die man dann im Zivilrecht ausdiskutieren könne.

Hund gefunden

„In meinen Augen ist es ebenfalls ein Scheitern des Tierschutzkonzeptes im Burgenland, dass gefundene Hunde in die Verantwortung der zeitlich paraten Gemeindebediensteten des jeweiligen Ortes fallen. Nicht nur, dass die ‚zum Handkuss kommenden’ Personen vielleicht überhaupt keine Affinität zu Hunden besitzen, die Bedürfnisse oder die Notwendigkeit der Verwahrung kennen, nein, wir haben auch schon recherchiert, dass Fundtiere spontan zur nächsten Gemeindegrenze gebracht und erneut ausgesetzt wurden, nur um nicht in die örtliche Zuständigkeit zu fallen“, stößt es Alice Siebenbrunner verzweifelt auf. Sie bekäme ständig Anrufe für sichtlich herrenlos herumirrende Hunde, aber dürfe diese rein rechtlich nicht verwahren, da die Gemeinde zuständig sei. Wenn die Gemeinde das Tier gesichert hat, kommt das einzige Landestierheim Sonnenhof im Bezirk Eisenstadt in die Verantwortung, sollte sich nicht per Chip ein Besitzer schneller ausfindig machen. „Und wenn im Bezirk Jennersdorf ein Hund gesichert wird, ist das ein langer Weg!“ In der Steiermark ist dies anders geregelt, da sind die Kompetenzen auf mehrere Tierheime aufgeteilt, die in 15 Autominuten erreichbar seien.

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Veterinärdirektorin Land Burgenland,
Dr. Yvonne Millard

Auch im Burgenland gibt es keine sogenannte „Rasseliste“. Aber auch keine verpflichtende Schulung für Hundehalter: Ein freiwilliger allgemeiner Hundesachkundenachweis vor der Anschaffung eines Hundes ist aus veterinärfachlicher Sicht sicherlich wünschenswert.

Fundtiere aus dem Burgenland werden in das Tierschutzhaus Sonnenhof in Eisenstadt überstellt. Bis dahin ist die Gemeinde für die Sicherung und Verwahrung des Tieres zuständig.


Zertifiziertes Hundetraining,
Mag. Carina Szauer

Die tierschutzgeprüfte Hundetrainerin Carina Szauer kennt die Anforderungen aus der Praxis. „Es gibt oft Diskrepanzen innerhalb der Vorstellung, wie ein Hund zu funktionieren hat und was er in der Tat macht. Die Hauptaufgabe der Besitzer ist, die Signale der Hundesprache zu erlernen und zu erkennen, was der Hund individuell braucht. Einen Hund in einen schönen Garten zu stecken, damit er ‚bellt, wenn jemand kommt‘, reicht definitiv nicht aus. Genauso die potenzielle Überbeschäftigung mancher Hundecharaktere kann zu problematischem Verhalten führen. Im Burgenland würde ich mir einen verpflichtenden Kurs für Grundkenntnisse wünschen. Ein Rassenklischee sehe ich nicht, sehr wohl aber einen Nachholbedarf in puncto individuellem Training, das auch dem Charakter des Hundes entspricht. Auch für die Berufsausübung des Hundetrainers wäre eine einheitliche Regelung unumgänglich. Ich befürworte den zertifizierten, tierschutzgeprüften Hundetrainernachweis der Vet-Med Wien.“


Tierschutzombudsfrau Steiermark,
Dr. Barbara Fiala-Köck

Hundekunde: „In der Steiermark gibt es keine Rasseliste. Ein Hundekundekurs ist für all jene Tierhalterinnen und Tierhalter verpflichtend, welche in den letzten fünf Jahren keinen Hund gehalten haben. In der theoretischen Ausbildung werden allgemeine Anforderungen an Haltung und Pflege von Hunden, Verhalten und rassespezifische Eigenschaften, Erziehung und Ausbildung, Gefahrenquellen und rechtliche Rahmenbedingungen der Hundehaltung behandelt. Die Kurse werden von den Amtstierärztinnen und Amtstierärzten der Bezirksverwaltungsbehörden abgehalten und dauern vier Stunden.

Fundtiere: In der Steiermark versorgen acht Tierheime, welche sogenannte Verwahrerverträge mit dem Land Steiermark haben, herrenlose und aufgefundene Tiere. Die Tierheime sind im Sinne des Tierschutzes regional in der Steiermark verteilt, die Zuweisung der Tiere erfolgt über die Bezirksverwaltungsbehörde. Durch die regionale Verteilung ist es möglich, den Tieren lange Transportwege zu ersparen. “


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