Bericht

Majestätische Klänge

Die Pfeifenorgel. Das größte aller Musikinstrumente, das auch als Königin der Instrumente bezeichnet wird, da es das tiefste und höchste, das lauteste und leiseste zugleich ist. Die Orgel ist auch ein regelrechtes Baukunstwerk. Der Haken: Sie kostet über eine halbe Million Euro. In Pinkafeld ist mit dem Neubau der Orgel in der katholischen Stadtpfarrkirche ein Jahrhundertprojekt gelungen, denn mit vereinten Kräften konnte die Finanzierung gesichert werden.

(c) Eva Maria Kamper

Die Töne werden über mehrere Manuale und auch das Pedal angesteuert, denen die Register fest zugeordnet sind. Die moderne Kirchenorgel kann wie ein gesamtes Orchester klingen. 

 

„Die kritischen Stimmen waren natürlich laut,“ erzählt Kirchenmusikdirektor und Organist Peter Tiefengraber, „bei diesen hohen Kosten wurde der Orgelneubau stark in Frage gestellt, ob das wirklich notwendig sei.“ Denn den maroden Zustand der damaligen Orgel in Pinkafeld hätte er mit gekonnter Spielweise immer zu kaschieren geschafft. Die Orgel stammte noch aus der Nachkriegszeit und sei mit billigen Materialien gebaut worden wie Plastik oder Sperrholzplatten, die allesamt brüchig waren. Im Inneren konnte man diese Gebrechen auch nicht verleugnen, und die Expertenmeinung war auch eindeutig, dass die Orgel getauscht werden muss, weil eine Restauration nicht möglich gewesen wäre. „Ich erinnere mich noch an die Zeit vor Weihnachten 2017, wo wir zeitnah zum Heiligen Abend bangen mussten, ob die Orgel überhaupt funktionieren wird. Der Motor war defekt, wir haben ihn nur zum Laufen gebracht, indem wir einen Schraubenzieher in den Motor gesteckt haben“, schmunzelt Peter Tiefengraber über abenteuerliche Rettungsversuche.

Entschluss zum Neubau 

So sollte der Versuch gewagt werden, die Finanzierung für den Neubau der Kirchenorgel in die Wege zu leiten. Kostenpunkt des Instruments: 530.000 Euro. (Für das ganze Projekt: 650.000 Euro). Schnell war klar, dass dies nur mit Zuschüssen und Spenden gelingen kann. „Dankenswerter Weise konnte die Beschaffung der Mittel mit Hilfe des Landes Burgenland, der Stadtgemeinde Pinkafeld, der Gemeinden des Seelsorgeraums, durch Beteiligung der Stadtpfarre Pinkafeld und des Bundesdenkmalamtes und natürlich vielen Großspenden von Firmen und Privatpersonen ermöglicht werden“, sagt Peter Tiefengraber, „es besteht überdies auch die Möglichkeit der Übernahme einer Orgelpatenschaft für einzelne Pfeifen.“ Die Ausschreibung zum Bau der neuen Orgel habe die Orgelbauwerkstatt EULE aus Bautzen bei Dresden gewonnen.

1.789 Pfeifen

Für die Arbeitszeit wurden an die 10.000 Stunden gezählt. In detaillierter Handarbeit wurde das hölzerne Innenleben der Orgel erschaffen und die Orgelpfeifen installiert. „Aberhunderte Pfeifen aller Größen waren quer durch die Kirche verteilt, bis sie nach und nach verbaut wurden“, erinnert sich Peter Tiefengraber. „Der 250 Kilo schwere Spieltisch wurde mit dem Seilzug emporgehievt.“ Mitte November 2021 war der Aufbau fertig. Dann hat erst die klangliche Arbeit begonnen, denn alle 1.789 Pfeifen mussten intoniert werden, damit der Klang der Orgel perfekt auf die baulichen Räumlichkeiten der Kirche abgestimmt wurde. „Diese Arbeit ist sehr zeitintensiv und herausfordernd. Mittels Keyboard werden per Fernsteuerung die Tasten angespielt, um den Klang einer Pfeife aus verschiedenen Ecken und Positionen der Kirche zu hören und gegebenenfalls anzupassen, indem man sogenannte Kernstiche macht oder den Fuß erweitert. Pro Pfeife bedeutet das circa eine Stunde Arbeit. Damit wir zu Weihnachten 2021 die neue Orgel schon erleben konnten, wurde hier Tag und Nacht im Schichtbetrieb gearbeitet.“

Jahrhundertwerk

Und dann war das Jahrhundertwerk fertig. Optisch von außen hat sich allerdings kaum etwas verändert. Die beiden historischen Gehäuse aus dem Jahr 1790 wurden sorgfältig restauriert und etwas in den Vordergrund gerückt, um Platz für das fast doppelt so groß dimensionierte Innenleben der neuen Orgel zu schaffen. Der Spieltisch steht nach barocker Bauweise zwischen den beiden Gehäusen, damit der Organist zum Altar blicken kann. 

Im Inneren der Orgel wurde ein neues Tragwerk aus Massivholz aufgebaut. Das Hauptgehäuse ist in drei Ebenen unterteilt. Im Untergehäuse steht das Unterwerk und dahinter das Pedal. Im Obergehäuse hinter den Prospektpfeifen steht das große Hauptwerk. Am Kronwerk befindet sich nun auch ein Zimbelstern, der für den Glöckchenklang bei Weihnachtsliedern sorgt. 

Die Orgel hat 31 Register, also Pfeifenreihen. Sie sind so aufeinander abgestimmt, dass sie sich auch innerhalb der einzelnen Klaviaturen gut mischen und für einen angenehmen Gesamtklang sorgen. Jede Pfeifenreihe hat einen eigenen Klangcharakter. 

Die Klaviaturen sind mechanisch mit den Tonventilen verbunden und ermöglichen eine sensible, präzise, angenehme Spielweise. Die Register werden elektrisch geschaltet um einen sogenannten „Setzer“, ein elektronisches Speichersystem, mit dem man viele Tausende zuvor vorbereitete Klangkombinationen einfließen lassen kann. 

Gottesdienste und Konzerte

Und nun füllt die neue Orgel bei den Gottesdiensten und auch in einer eigenen Konzertreihe TON.reihe, Intendantin Julia Lehner, mit ihren majestätischen Klängen die katholische Kirche mit Musik. Die Lebensdauer ist auf 150 Jahre angesetzt. Von den kritischen Stimmen ist kaum mehr etwas spürbar, sagt Peter Tiefengraber: „Wenn man das Instrument hört, da merkt man schon, dass hier etwas Generationsübergreifendes geschaffen wurde, von dem eine besondere Faszination ausgeht. Ich lade auch vor allem die Kinder ein, kommt und lernt dieses Instrument zu spielen. So wird dieses Jahrhundertwerk auch darüber hinaus lebendig bleiben!“


„1.789 Pfeifen mussten intoniert werden, damit der Klang der Orgel perfekt auf die baulichen Räumlichkeiten der Kirche abgestimmt wurde.“


MMag. Peter Tiefengraber, MA ist Kirchenmusikdirektor von St. Augustin in 1010 Wien und Chorleiter und Organist der Stadtpfarre Pinkafeld. Er studierte Orgel Konzertfach, Instrumentalpädagogik, Musiktheorie und Kirchenmusik u.a. an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien.

Ein Einblick in das Innenleben der Orgel.

Ein imposantes Instrument.

Gespielt wird mit Tasten und Pedalen.

Detailaufnahme: Gespielt wird mit Tasten und Pedalen.

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