Bericht

O du einsame …

Weihnachten. Das Fest der Liebe, das Fest der Familie. Die Feiertage, wo man traditionell die ganze Verwandtschaft wieder einmal sieht. Aber Corona macht nun alles anders. „Social Distancing“ wird uns heuer – mit hoher Wahrscheinlichkeit – das Fest im kleinsten Kreis bescheren. Und leiden wird vor allem jene Altersgruppe, die wir besonders vor dem gefährlichen Virus beschützen möchten.

Foto: Shutterstock / Wavebreakmedia

Werden wir so heuer Weihnachten feiern? Das Coronavirus zwingt uns dazu, gerade die ältere Generation zu schützen.

 

„Weihnachten ist für viele Menschen ein Fest der großen, herzlichen Zusammenkunft. Wo man vielleicht selbst den entferntesten Cousin aus dem Ausland einfliegt und sich auch die ältere Generation auf den Besuchs-Marathon der Verwandtschaft freut. Doch genau diese Besuche werden heuer allem Anschein nach ausfallen müssen. Zu groß die Gefahr einer weiteren Verbreitung des Coronavirus, für das es bis dato noch keine erprobte Impfung oder ein vernünftiges Medikament gibt“, hat Thomas Oswald, der in Oberwart eine mobile 24-Stunden-Altenpflege betreibt, eine düstere Prognose des heurigen Winters vor Augen. „Nach einer kurzen Verschnaufpause im Sommer werden wir nun vor eine neue Geduldsprobe gestellt. Als im März die erste Corona-Welle über die Gesellschaft schwappte, haben die Menschen die Aufforderung zur notwendigen sozialen Distanz noch in Schockstarre akzeptiert. Inzwischen haben wir die Problemfelder der langfristigen Isolation aber kennengelernt und können diese nur mehr mit einer stoischen Wut auf dieses Virus dulden. Und jetzt will es uns auch noch das Familienfest Weihnachten vermiesen.“

„Da bröckeln die Motivation und der Lebenswille“

Thomas Oswald sieht im Bereich der Altenbetreuung bereits verheerende Auswirkungen. „Das soziale Gefüge der älteren Generation ist zum Teil komplett zusammengebrochen. Es war im Sommer ein wenig leichter, als man sich im Freien aufhalten konnte, aber nun fängt das traurige Spiel von Neuem an. Für viele unserer Klienten ist die Altenbetreuerin bzw. der Altenbetreuer die einzige Bezugsperson, die sie im Alltag sehen. Angehörige haben Angst, dass sie Omi oder Opa anstecken könnten und kommen selten bis gar nicht vorbei. Bei manchen kann man auch behaupten, dass es eine Ausrede zu sein scheint, dass sie nicht kommen müssen. Aber grundsätzlich geht es um die Angst vor der Erkrankung und um die Verantwortung, dass man derjenige sein könnte, der das Virus einschleppt. Nicht einmal die Nachbarn kommen mehr vorbei.“

Stille, Einsamkeit und trostlose Aussichten. Die „Barbara Karlich“-Sendung im Fernsehen als tägliches Highlight. All das sei bei vielen älteren Menschen nun die tägliche Normalität, beschreibt Oswald. „Früher hat sich die Altenbetreuerin mit dem Klienten zusammengepackt und hat ihn bei Besuchen begleitet. Dort trafen die älteren Personen ihre Verwandten und Bekannten und auch für die Betreuungsperson war das ein sozialer Austausch, egal ob bei privaten Besuchen oder einfach in der Öffentlichkeit im Park. Die ‚Bankerlmafia‘ ist schon wieder unterwegs, haben wir oft gescherzt. Das fällt nun alles weg. Keine Ausflüge, keine Besuche. Und damit bröckeln auch die Motivation und der Lebenswille vieler älterer Menschen. Viele haben den Krieg erlebt, den Wiederaufbau geschafft, aber alles ist nicht zu vergleichen mit dieser Einsamkeit ohne Ablaufdatum“, sinniert Oswald zwischen Mitgefühl und Wut. Die digitalen Kommunikationskanäle, auf die die jüngere Generation ersatzweise zurückgreifen kann, sei im Alltag der Senioren fast gar keine Option. Diese alternativenlose Vereinsamung würde oftmals auch massiv mit einem körperlichen Abbau bzw. mit einem schnelleren Voranschreiten von chronischen Erkrankungen einhergehen, auch in Zusammenhang mit den aus Angst vermiedenen regelmäßigen Vorsprachen beim Hausarzt seit der Pandemie.

Schutzkleidung nutzen

Doch wie können wir dieses triste Szenario entschärfen? „Natürlich geht es um die Sicherheit der älteren Menschen. Aber die Relation vom psychischen Leidensdruck der Einsamkeit im Verhältnis zum Risiko einer Corona-Ansteckung darf nicht unterschätzt werden. Wir werden mit diesem Coronavirus noch länger leben müssen. Daher sollten wir lernen, unser Verhalten anzupassen, sonst hat die schützenswerteste Risikogruppe gar nichts davon“, sagt Oswald und zeigt die Schutzbekleidung, die die ÖGK zur Verfügung gestellt hat. „Mein Wunsch zu Weihnachten wäre es, wenn man Lösungen findet, wie die ältere Generation trotzdem – und wenn es nur eine Viertelstunde ist – am gemeinsamen Fest teilhaben kann. Lieber mit Handschuhen und FFP-2-Maske zum Besuch, als gar nicht. Ich befürchte, dass die Einsamkeit zu Weihnachten vielen älteren Menschen wirklich den Rest geben wird.“

Hoher Aufwand der Betreuungsagentur

Thomas Oswald hat in seinem mobilen 24-Stunden-Altenpflege Unternehmen sein Personal-Konzept für Weihnachten bereits ausgearbeitet und blickt mit seinem Betreuungs-Team auf ein kräftezehrendes Jahr zurück. „Die Altenbetreuerinnen – der Großteil davon aus dem angrenzenden Ausland – haben einiges auf sich genommen seit der Corona-Pandemie. Zu Zeiten des ersten Lockdowns wurden sie in staatliche Quarantäne verbarrikadiert, bevor sie arbeiten durften. Auch müssen sie, genauso wie die Fahrer, seither zweimal wöchentlich getestet werden. Und wer einen Corona-Test bereits kennt, weiß, dass der alles andere als angenehm ist. Das war auch für uns als Agentur ein extremer finanzieller Aufwand. Ich habe Testkosten von beinahe 30.000 Euro monatlich vorzufinanzieren. Durch die strenge Vorgehensweise ist es auch schwerer geworden, ausreichend Personal zu bekommen. Zu Weihnachten werden sich die Betreuerinnen und Betreuer intervallartig abwechseln, damit sie auch bei ihren Familien sein können“, skizziert Oswald die Herausforderungen seiner Branche. Wie es heuer an Weihnachten aber tatsächlich ablaufen wird, werden wir erst wissen, wenn es vor der Tür steht. „Schau ma‘ mal“, schließt Oswald, „ich hoffe, dass wir es schaffen, dass Weihnachten trotzdem schön wird!“


Thomas Oswald
Thomas Oswald ist Inhaber der mobilen 24-Stunden-Betreuungsagentur „OK Altenpfleger in Oberwart“. Das Coronavirus stellt seine Branche vor besondere Herausforderungen.

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