Rad statt Bahn?
Seit Ende Jänner ist das Land Burgenland Eigentümer der Bahnstrecke Oberschützen bis Rechnitz. Die Pläne des Landes mit der Trasse gehen in Richtung Abriss, denn: Die Gleise sollen einem Radweg weichen. Für die Bahn geht es nun ums Überleben. Fakt ist: Wenn die Gleise erst einmal abgebaut sind, dann geht eine klimaschonende Infrastruktur für immer verloren.
Foto: Prima
2011 wurde der Personenverkehr auf der Strecke Friedberg–Oberwart eingestellt. Nun sollen die Schienen von Oberschützen nach Rechnitz (bis auf das Teilstück Oberwart–Großpetersdorf) einem Radweg weichen.
Von einer Grenzbahn war unter Landeshauptmann Hans Niessl die Rede. Positive wirtschaftliche Auswirkungen, EU-Förderungen und eine Einigkeit mit den Ungarn wurde über die Medien kommuniziert. Unter der SPÖ Alleinregierung von Hans Peter Doskozil ist nicht nur die Grenzbahn nicht realisierbar. Die Bahn im Bezirk Oberwart soll durch einen Gleisabbau auch für die Zukunft vernichtet werden.
Die Geschichte der Bahn im Bezirk Oberwart ist eine holprige. Die Strecke Oberschützen-Rechnitz stand lange im Besitz der Südburgenländischen Regionalbahn (SRB). Der Status quo: Inzwischen wurden die Gleise zwischen Oberschützen und Oberwart abgebaut. Seit wenigen Wochen ist das Land Eigentümer der Strecke bis Rechnitz. Der Abschnitt Oberwart-Großpetersdorf war bereits im Besitz der Verkehrsinfrastruktur Burgenland. Erst im Vorjahr wurde die Holzverladestation von der Oberwarter Innenstadt nach Rotenturm verlegt. Dieser Abschnitt bleibt für den Gütertransport bestehen.
Mit der Strecke hat das Land aber grundsätzlich andere Pläne vor: Radweg statt Bahn. Wo jetzt noch Gleise sind, würde dann ein Radweg entstehen. Aus dem Büro von Verkehrslandesrat Heinrich Dorner heißt es auf Anfrage von prima!, dass im März 2020 die SRB die Strecke Oberschützen-Oberwart verkaufen wollte. Da sich kein Interessent auf die Ausschreibung gemeldet hat, habe das Land beschlossen, die gesamte Trasse bis Rechnitz zu kaufen und einem nachhaltigen Nutzen zuzuführen. „Dabei ist zur Belebung der gesamten Region ein Radweg die sinnvollste Variante. Eine Reaktivierung der Strecke ist nach intensiven Untersuchungen nicht sinnvoll.“
Riesen-Chance Grenzbahn
Als „Katastrophe für das Südburgenland“ bezeichnet der Grüne Landtagsabgeordnete und Bezirkssprecher Wolfgang Spitzmüller den geplanten Schienenabbau. Auch sieht er nicht die Notwendigkeit, warum die Schienen dem Radweg weichen müssen. „Eine Kombination Rad und Bahn wäre spannend. Das sind nämlich ausgezeichnete Partner, die sich Hin- und Retourweg teilen können. Außerdem befinden wir uns mitten in der Klimakrise. Da reißt man keine Schienen raus!“ Spitzmüller könnte sich sehr gut Tourismusprojekte im Schienenverkehr vorstellen. Die Grenzbahn sieht er nach wie vor als riesige Chance, eine Anbindung an Ungarn zu haben. „Gerade für grenzüberschreitende Projekte gibt es wirklich viel Geld von der EU“, appelliert Spitzmüller.
Keine Förderungen
„Nicht finanzierbar“, dementiert man im Büro Dorner das Thema Grenzbahn. „Die Investitionen würden sich auf mindestens 350 Millionen Euro belaufen, die jährliche Instandhaltung wird mit fünf Millionen Euro geschätzt. Der Betrag wurde in einer umfassenden Studie ermittelt. Auch in mehrmaligen Verhandlungen mit Brüssel konnten keine EU-Förderungen in Aussicht gestellt werden, weshalb eine Realisierung des Projektes als nicht realistisch angesehen wird. Allerdings wird die Reaktivierung der Strecke nur mit einer Anbindung an Szombathely als sinnvoll erachtet.“
Geschenkte Bahnlinie
Eine Summe, die für Christoph Wachholder, Sprecher der überparteilichen Initiative „Südburgenland Pro Bahn“, völlig aus der Luft gegriffen ist: „Im Zuge des Projekts Grenzbahn wurde 2015 vom Institut IHS eine Kostenschätzung in der Höhe von 119 Millionen Euro abgegeben. Diese Kosten hätten die Reaktivierung der gesamten 68 Kilometer langen Strecke von Friedberg bis Szombathely abgedeckt, wobei circa 89 Millionen Euro auf den österreichischen Teil entfallen wären. Wenn man nun eine zu erwartende Zwei-Drittel-Förderung durch die EU sowie eine Kostenbeteiligung des Bundes sowie des Landes Steiermark in die Überlegung aufnimmt, so müsste man fast sagen, dass sich das Land Burgenland eine nahezu geschenkte Bahnlinie entgehen lässt“, rechnet Wachholder vor.
Er betont außerdem, dass die Bahn Pendlerinnen und Pendlern schnellere und kostengünstigere Verbindungen nach Wien ermöglicht und sieht auch die wirtschaftlichen Zusammenhänge. „Wir dürfen nicht vergessen, dass es entlang der Bahnlinie einige Industriebetriebe gibt. Ein Ausbau nach Szombathely ermöglicht eine Anbindung an die Adriahäfen sowie an die Industriegebiete Györ und Bratislava. Diese Investition wäre wohl der größte Wurf in der wirtschaftlichen Entwicklung unserer Region.“
Verbindung nach Wien
Einen Vorteil in der Zugverbindung nach Wien will man im Büro Dorner jedoch nicht sehen. „Zu lange Fahrzeit“, heißt es. „Wesentlich länger als jene mit dem Bus. Ein Ausbau der Wechselbahn wird seitens des Ministeriums abgelehnt, da eine wesentliche Fahrzeitverkürzung nur mit einer Neutrassierung und einem wesentlichen Tunnelanteil gegeben wäre. Dies ist laut Verkehrsministerium aufgrund der hohen Kosten nicht wirtschaftlich.“
Eine Erklärung, die Wachholder nicht gelten lässt. „Dieses Argument bekommt man vom Land Burgenland sehr häufig zu hören“, kritisiert der Sprecher der Bahninitiative und analysiert weiter: „Ich bin selbst Wien-Pendler und habe bis zur Einstellung des Personenverkehrs 2011 die Bahn von Oberwart bis Wien genutzt. Die Verbindungen damals waren nicht optimal, meistens musste man zwei Mal umsteigen und in diesem Fall auch eine Fahrzeit von 2,5 Stunden in Kauf nehmen. Das ist aber nur eine Seite der Medaille. Es gab daneben einige sehr gut ausgelastete schnelle Direktverbindungen. So gab es Sonntagabend eine Schnellverbindung mit einer Fahrzeit von 1:42 Stunde von Oberwart nach Wien und das über die bestehende Wechselbahn. Auf dem Abschnitt Oberwart bis Friedberg könnte man im Zuge des Grenzbahnprojekts leicht zehn Minuten Fahrzeit herausholen, da wären wir dann schon bei etwa 1:30 Stunde Fahrzeit, ganz ohne Tunnel durch den Wechsel. Das ist deutlich schneller als mit der Linie G1, die noch dazu mit Stau und Wetter zu kämpfen hat. Wer den Pendlern schnelle Verbindungen nach Wien ermöglichen will, kommt an der Bahn gar nicht vorbei.“
FPÖ: Radweg ja, aber nicht auf Kosten der Bahn
Auch die FPÖ kritisiert das Vorgehen der SPÖ. „Wir sprechen uns nicht gegen einen Radweg aus, aber entschieden gegen einen Gleis-Abbau“, erklären FPÖ-LAbg. Ilse Benkö und Landesparteiobmann Alexander Petschnig. Das eine dürfe das andere nicht ausschließen. „Aber werden die Gleise abgebaut, ist diese Infrastruktur für immer verloren. Es weiß niemand, was in zehn oder 20 Jahren ist, daher muss diese Struktur für die Zukunft bestehen bleiben“, so das klare Statement der FPÖ. Auch zum Thema Förderung gebe es laut Rechnitzer FPÖ-Gemeindevorstand Thomas Karacsony noch Unklarheiten. „Förderungen für den Radweg werden nur ausbezahlt, wenn mittels Studien belegt wird, dass der Weg im Zeitrahmen von 24 Stunden von 2.000 Radfahrern benutzt wird.“ Eine Zahl, die völlig unrealisitisch sei. Man wolle daher erst einmal wesentliche Informationen einholen und dann mit entsprechenden Anträgen vorgehen, so Petschnig und Benkö. Dabei müssen dann alle Parteien bekennen, ob sie für oder gegen die Bahn sind.
Sowohl Grüne als auch FPÖ und „Südburgenland Pro Bahn“ gehen mit einem Radweg konform, der neben der Bahnlinie verlaufen soll. „Und der bereits jetzt parallel zur Bahn vorhanden ist“, so Wachholder. „Ich kann bereits heute von Oberwart über den sogenannten „Verbindungsradweg Eurovelo 9 zu 13“ über Großpetersdorf bis Schandorf fahren und dann über die B57 weiter nach Rechnitz. Der bestehende Radweg verläuft teilweise wenige Meter neben der Bahntrasse. Unabhängig vom Thema Bahn muss man also sagen, dass dieser Plan sehr viel kostet, aber keinen Mehrwert hat“, bringt es Wachholder auf den Punkt.
Das Land wird in den nächsten Wochen weitere Details präsentieren und klären, welche Förderungen in welcher Höhe für den geplanten Radweg möglich sind. Noch hoffen die Befürworter der Bahn, dass die Linie erhalten werden kann. Doch das wird nur mit Druck von der Opposition und vor allem von der Bevölkerung funktionieren. Und auch Letztere wird aktiv. Unter der Überschrift „Wir fordern einen Ausbau der Bahn im Bezirk Oberwart statt eines Rückbaus!“ hat die Willersdorferin Jutta Spitzmüller überparteilich und in Absprache mit „Südburgenland Pro Bahn“ einen Brief mit Forderungen an die Landesregierung zur Rettung der Bahn verfasst. „Jetzt ist wichtig, dass vor allem Personen aus dem öffentlichen Bereich diese Forderungen unterstützen. Wir müssen über alle Parteien hinweg aktiv werden, um die Bahn zu retten“, so Jutta Spitzmüller.
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