Schwere Zukunft
Eine Epidemie hat unsere moderne Gesellschaft erfasst: Laut einer vom Österreichischen Bundesministerium für Gesundheit und Frauen in Auftrag gegebenen Studie von 2017 sind bereits mehr als die Hälfte der Erwachsenen und rund ein Viertel der Kinder betroffen. Die Folgen: Atemnot und Kurzatmigkeit, Rückenschmerzen und Kniebeschwerden, Stoffwechselstörungen wie erhöhte Blutfette und Gicht. Die Rede ist vom Übergewicht.
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„Als Fettleibigkeit wird eine übermäßige Ansammlung von Fettgewebe im Körper bezeichnet. Als Maß für Übergewicht dient der sogenannte Body-Mass-Index (BMI*)“, definiert die Österreichische Adipositas-Gesellschaft (ÖAG) auf ihrer Website. Verena Klamm, Ernährungscoach aus Bad Waltersdorf sieht diese enge Definition in Bezug auf Kinder und Jugendliche eher kritisch. „Bei Kindern und Jugendlichen schwankt das Verhältnis zwischen Muskel- und Knochenmasse zum Körperfettanteil im Verlauf des Wachstums stark, daher liefert ein BMI lediglich Anhaltspunkte. Das Gewicht sollte besser individuell von Ärzten bzw. Ernährungsspezialisten beurteilt werden“, so die Expertin.
Dick – na und?
Übergewicht hört sich erst einmal banal an. Vor allem bei Kindern und Jugendlichen. „Das bisschen Babyspeck, das wächst sich schon noch aus“, so wird oft das euphemistisch als „Hüftgold“ bezeichnete Fett abgetan. Doch so leicht sollte man es sich nicht machen. „Ein paar Kilos mehr sind hier nicht das Problem“, räumt Verena Klamm zwar ein, doch erläutert weiter: „Das Problem ist ein stetig ansteigendes Gewicht. Je älter das Kind wird, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass der Zustand im Erwachsenenalter bestehen bleibt.“ Übergewicht ist nämlich bereits ungesund, bevor körperliche und gesundheitliche Probleme auftreten. Die Gefahr späterer Erkrankungen steigt deutlich. Übergewicht zählt auch „zu den häufigsten Risikofaktoren für einen schweren Krankheitsverlauf bei einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2“, so die ÖAG. Und: „Betroffene Mädchen und Buben sind öfter psychisch belastet, was sich auch auf das Selbstwertgefühl und die schulischen Leistungen auswirkt“, so Klamm.
Dazu kommt eine eingeschränkte Lebensqualität, Betroffene sind oft Opfer von Hänseleien und Mobbing. Sie sind im Sport weniger leistungsfähig und, so Klamm: „Übergewichtige Schulabgänger haben es schwerer, im Berufsleben Fuß zu fassen.“ Muss nicht mehr auf der Schulbank gesessen, sondern körperlich gearbeitet werden, ist es wahrscheinlicher, dass ein normalgewichtiger Bewerber eine solche Ausbildung und später dann berufliche Tätigkeit lange und problemlos ausführen kann. Insofern wird ein Arbeitgeber diesem den Vorzug geben.
Warum sind Kinder dick?
Stoffwechselstörungen, hormonelle Schwankungen oder Veranlagung können Übergewicht verursachen. „Besonders die Eltern aber haben durch ihr Verhalten und ihre Gewohnheiten einen großen Einfluss auf das Gewicht ihrer Kinder. Eltern sollten als Vorbild agieren, doch nur zu oft sind hier ungesundes, unregelmäßiges Essen und vor allem Junk Food die Normalität“, weiß Klamm. Und allzu häufig sind die Eltern von dicken Kindern auch dick – bei übergewichtigen Eltern erhöht sich das Risiko, selbst übergewichtig zu werden, um bis zu 80 Prozent! Gerade dann entwickelt sich oft kein Problembewusstsein. Wenn dreimal die Woche Junk Food als Normalität gilt, wie soll das Kind dann lernen, sich anders zu ernähren? Wenn jede Kurzstrecke mit dem Auto gefahren wird, wie soll das Kind dann Freude an Bewegung erfahren?
Doch was ist zu tun? Natürlich gibt es „Abnehmcamps“ und als Initialzündung kann das sehr hilfreich sein. Doch das Problem geht weiter. Grundlegend muss eine Umstellung im Alltag geschehen, je jünger die Betroffenen, desto mehr sind Eltern und Erziehungsberechtigte in der Verantwortung. Eine Beratung kann hier helfen. Aber auch Institutionen wie Schulen und Kindergärten. „Ich erlebe es leider immer wieder, wie schlecht gerade in Schulküchen gekocht wird. Pommes, Würstel, Chicken Nuggets – Convenience und Fertigware stehen hier auf dem Tagesplan. Das gehört dringend geändert!“ resümiert Verena Klamm aus ihrem Berufsalltag. Also Bildschirm aus und Sportschuhe an!
*BMI: Gewicht in kg durch
Größe (in Meter) zum Quadrat (kg/m²)
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