Bericht

Wagemutige Auswanderer

Welche Berufe haben die Auswanderer aus unserem Land in der Fremde ausgeübt? In der Regel kamen sie alle aus Bauernfamilien, aus den unteren gesellschaftlichen Schichten, waren vielleicht als Knecht von Meierhof zu Meierhof gezogen. Vielleicht hatten sie auch einen Beruf erlernt wie Maurer, Tischler, Schuhmacher oder Schmied. Arbeitsplätze im eigenen Land waren jedoch Mangelware und so blieb oft nur der Weg in die Ferne.

Foto: Seatlle Municipal Archives

Holzfäller im Bundesstaat Washington

 

Auswanderer aus unserem Land
Beitrag zu 100 Jahre Burgenland

Berufe und Handwerk

Mädchen und Frauen waren in der Zeit der Emigration aus unserem Land überwiegend im Haushalt beschäftigt und haben in der Landwirtschaft mitgearbeitet. Berufe oder gar ein eigenes Handwerk waren für Frauen traditionell unüblich.

Dazu kam, dass besonders in frühen Zeiten, um 1850 bis etwa zur Jahrhundertwende, die Schulbildung oft mangelhaft und unzureichend war. Sogar Lesen und Schreiben waren keine Selbstverständlichkeit. Obwohl Schulpflicht herrschte, mussten die Kinder oft in der Landwirtschaft mitarbeiten.

Demgegenüber stand eine Mehrsprachigkeit von vielen Teilen der Bevölkerung, die ganz natürlich aus dem Umfeld entstand, weil in unserem Land in vielen Gemeinden neben Deutsch auch Ungarisch und Kroatisch gesprochen wurde, im Kreise der Roma natürlich auch Romanes.

Diese Sprachen galten nicht als „fremd“. Aber eine „echte“ Fremdsprache wie Englisch zu beherrschen, war nur wenigen vorbehalten. Umso verblüffender sind der Wagemut und die Entschlossenheit, nach Übersee zu gehen, wo beispielsweise Englisch als Umgangssprache vorherrschte. Verständlich, dass neben den Arbeitsmöglichkeiten in der Fremde auch immer wieder Gegenden zur Immigration gesucht wurden, in denen sich bereits Deutschsprachige oder sogar Landsleute angesiedelt hatten.

Welche Tätigkeiten haben nun „unsere“ Auswanderer in der Fremde ausgeübt? In den allermeisten Fällen wurden sie auf dem Land Farmarbeiter oder selbst Farmer und in den Städten Arbeiter. Daneben gab es auch zahlreiche, oft überraschende Sonderfälle, die aufzeigen, was Auswanderer aus unserem Land in ihrer neuen Heimat so alles zuwege brachten.

Baseball-Spieler

Robert George Wiesler war der Sohn von Immigranten aus Deutsch Schützen. Er kam 1930 als jüngstes von neun Kindern in St. Louis, Missouri, zur Welt. In einer Sportart, die seinen Eltern und vermutlich vielen anderen Nicht-Amerikanern ziemlich „exotisch“ vorkam, war er unglaublich erfolgreich und wurde schon in jungen Jahren Profi-Baseballer. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere – in den 1950er Jahren – spielte er in der Major League für die New York Yankees und für die Washington Senators. Charakterisiert wird er als linkshändiger Pitcher (Werfer).

Barkeeper, Hotelmanager, Zigarrenfabriksarbeiterin

Johann Gaal, 1904 aus Eltendorf eingewandert, war während des Ersten Weltkriegs Barkeeper in Allentown, Pennsylvania, und später Hotelmanager im Eagle Hotel im benachbarten Städtchen Emmaus. Zusammen mit seiner zweiten Frau Maria Neubauer aus Sulzriegel hatte er eine große Kinderschar zu versorgen. Daher suchte auch sie nach einer zusätzlichen Verdienstmöglichkeit und nahm eine Stelle als Arbeiterin in einer Zigarrenfabrik an.

Büroangestellte

Hilda Edna Kaiser, geb. Flasch, kam 1918 als Tochter von Einwanderern aus Wolfau in Oklahoma zur Welt. Nach Ihrer schulischen Ausbildung war sie u.a. im Büro des Adjutant General (War Department) beschäftigt, und zwar direkt in Washington DC, der Hauptstadt der USA, eine Anstellung, auf die sie und ihre Verwandten sicher stolz waren. Später war sie in ihrem Heimatstaat Oklahoma sowie in Nebraska tätig und zuletzt arbeitete sie für die Kansas State University. Sie und auch ihr Mann Dr. Kaiser wurden mehr als 100 Jahre alt und genossen ihren langen Lebensabend mit ausgedehnten Reisen in alle Welt.

Elektriker

Ignatz Tanczos, 1912 als Sohn von Immigranten aus Kroatisch Tschantschendorf (Vater) bzw. Kroatisch Ehrensdorf (Mutter) in Northampton, Pennsylvania, geboren, arbeitete für die Northampton Cement Company in Nazareth, einer Stadt in der Nähe von Northampton. Seine berufliche Haupttätigkeit war jedoch selbständiger Elektriker im Northampton County (Bezirk).

Fleischhauer

Eduard Dirnbeck wurde 1936 in Harmisch geboren und wanderte als junger Mann in die USA aus, wo er sich im Lehigh Valley im östlichen Pennsylvania niederließ, ca. 2 Autostunden entfernt von New York. Er war als Fleischschneider (Meat Cutter) tätig, ein Job, der bei uns eher unbekannt ist und als Spezialfall eines Fleischhauers gesehen werden kann.

Frauen und Männer der Kirchen

Reverend Felix A. Yanish wurde 1918 in Baltimore, Maryland, geboren. Seine Vorfahren väterlicherseits stammten aus Ollersdorf im Burgenland. Felix war Angehöriger der römisch-katholischen Ordensgemeinschaft der „Kongregation des Heiligsten Erlösers“ und damit ein Redemptorist. Dieser Orden hat sich überwiegend der Gemeindemission gewidmet. Seine Ausbildung erhielt Felix im Mount St. Alphonsus Seminary im Bundesstaat New York.

Reverend Josef Györög, geboren 1909 in Unterwart, landete nach seiner Einwanderung in die USA im Bundesstaat Oregon im Nordwesten. Obwohl katholisch getauft, wurde er 1949 Pastor der Congregational Church of Portland. Dieses Seelsorgeamt hat er bis zu seinem Tod im Jahre 1984 ausgeübt.

Reverend Michael Joseph Ruck wurde 1919 in Großpetersdorf geboren. Zusammen mit seiner Mutter, die aus Eisenzicken stammte, und seinen beiden Geschwistern ist er kurz vor Weihnachten 1923 in die USA eingereist. Das Ziel ihrer Reise war St. Louis, Missouri, wo ihr Vater einige Monate zuvor eingetroffen war. Michael entschied sich für die kirchliche Laufbahn und trat dem Maryknoll-Missionsorden bei, der sich der Missionierung widmete. Seine Wirkungsstätten umfassten die USA selbst sowie die Staaten Bolivien und Mexiko. 2004 ist er in Kalifornien verstorben, wo er auch begraben ist.

Reverend Robert Joseph Tomisser wurde 1914 in Chicago, Illinois, geboren. Sein Vater stammte aus Rotenturm an der Pinka, seine Mutter aus Kohfidisch. Die Familie übersiedelte von Chicago nach Washington, dem nordwestlichsten Bundesstaat der USA, wo der Geistliche auch starb.

Reverend Tobias Polster kam als einer der frühesten Auswanderer aus unserem Land im Jahre 1854 nach Amerika. Geboren 1831 in Oberschützen, war er zunächst als Lehrer tätig und reiste dann offenbar auf verschlungenen Pfaden aus seiner Heimat ab. Im Oktober 1856 ließ ihn nämlich die K. K. Komitatsbehörde Steinamanger über die Wiener Zeitung suchen: „Der seit dem Oktober 1854 unbefugt abwesende, und … der Auswanderung dringend verdächtige Tobias Polster, Lehrer in Oberschützen, … wird hiermit aufgefordert, …hieramts zu erscheinen, … widrigenfalls … die im Auswanderungs-Patente … angedrohte Strafe Platz greifen wird.“ Mit seiner unerlaubten Abreise zusammenhängen könnte auch die Namensänderung zu „De Cossy“, die er fallweise benützt hat. In der neuen Heimat USA wurde Tobias Polster (De Cossy) Pfarrer. In den ersten Jahren seiner Tätigkeit war er während des Amerikanischen Bürgerkriegs Militärkaplan der Nordstaaten-Armee. Zuletzt diente er seiner Gemeinde als Pastor der United Evangelical Church in Pennsylvania.

Gastwirte und Hoteliers

Mary Frances Musso wurde 1927 in New York als Tochter von Rudolf Siderits (aus St. Michael im Burgenland) und von Franziska Muhr (aus Kirchfidisch) geboren. Sie war zunächst als überaus tüchtige Sekretärin bekannt; u.a. arbeitete sie für einen Lieutenant Colonel (Oberstleutnant) der US Army.

Wie so oft im Leben, kam die Wende mit dem Mann fürs Leben, Lucien, den sie 1947 heiratete. Sie übersiedelten nach Kalifornien und bauten ein Motel mit Restaurant im Städtchen Gilroy am berühmten Highway 101. In ihrem Haus konnten sie sogar prominente Gäste aus Hollywood begrüßen. So wurde aus der erfolgreichen Sekretärin eine ebenso erfolgreiche Gastwirtin. Bei ihrer Familie, den Kindern und Enkelkindern, ist sie vor allem wegen ihrer Kochkünste unvergessen, sicher auch ein Erbe ihrer Vorfahren aus unserem Land.


Tanczos Beverages
(
https://www.facebook.com/TanczosNorth)

Getränkehändler

Joseph Farkas, als Sohn von Einwanderern aus Unterwart 1925 in Northampton, Pennsylvania, geboren, geründete und betrieb den Getränkehandel Farkas Beverages in seinem Geburtsort.

Edward Louis Tanczos, 1922 geboren in Northampton, Pennsylvania, war einer der Brüder von Ignatz Tanczos (siehe „Elekriker“) und der Schwager von Joseph Farkas. Auch Edward Louis gründete – mit tatkräftiger Unterstützung durch seine Frau Dorothy – ein Getränkeunternehmen, das als Tanczos Beverages bekannt wurde. Dieses Unternehmen wurde bald zum Wahrzeichen der Stadt Betlehem, Pennsylvania. Später kam eine weitere Filiale in Northampton, Pennsylvania, hinzu. Beide Unternehmen an diesen Standorten im Lehigh Valley sind auch heute noch in Betrieb, geführt von den Söhnen Mark und Daniel Tanczos.

Holzfäller

Josef Györög wurde 1890 in Unterwart geboren. Er wanderte in die USA aus und reiste an die Westküste, wo er sich im Bundestaat Washington als Holzfäller verdingte. Das war ein bekannt harter Job, der aber auch entsprechend gut bezahlt war.
Josef heiratete eine Kanadierin, mit der er vier Kinder hatte. Sein Glück schien perfekt – bis er bei einem schrecklichen Unfall mit nicht einmal 40 Jahren starb: ein fallender Baum erschlug ihn.

Rancher und Farmer

Friedrich Pelzmann kam 1898 in Bocksdorf zur Welt und emigrierte 1923 in die USA. Das Reiseziel Dutton, eine Kleinstadt in Montana, mehr als 3500 km westlich von New York, wo ein Cousin von ihm lebte, wurde seine neue Heimat. Einige Jahre später heiratete er Cäcilia Erkinger, die ebenfalls aus Bocksdorf stammte.

Gemeinsam schafften sie es, eine Farm und eine Ranch aufzubauen, mit den für den Westen der USA typischen enormen Ausmaßen, die weithin bekannt war. Das ging so weit, dass sogar eine Straße nach der Familie benannt wurde, die Pelzman Road. Die Pelzman Ranch ist sogar im offiziellen Geographic Names Information System (GNIS) verzeichnet, der Datenbank mit Millionen von geographischen Bezeichnungen in den USA.

Sattelbaum-Hersteller

Was ist ein Sattelbaum, werden sich (außer Pferdekennern) zunächst viele fragen. Ein Sattelbaum ist das Grundgerüst für einen Sattel, der ihm die nötige Festigkeit und Flexibilität verleiht.

Josef und Stefan Ringhofer mit Wurzeln in Rechnitz wanderten mit ihren Eltern und mit Schwester Theresia 1866 in die USA ein. Damals dauerte die Überfahrt nach ihren eigenen Angaben volle sechs Wochen. Nach einigen Jahre in Kansas und St. Louis, Missouri, übersiedelte die Ringhofer-Familie nach Walla Walla, einer Kleinstadt im Bundesstaat Washington. Mit ihrem guten Geschäftssinn erkannten Josef und Stefan einen riesigen Markt für Reittier-Sättel. Daher gründeten sie in Walla Walla eine Fabrik mit dem Namen Ringhoffer Brothers, die bald den ganzen Westen der USA mit Sattelbäumen belieferte, in jeder Hinsicht ein bemerkenswertes Unternehmen.

Webstuhlbetreuer und Instandhalter

Frank A. Feichtel wurde 1914 im Lehigh Valley, Pennsylvania, geboren. Sein Vater war aus Rönök (Oberradling), Ungarn, eingewandert, seine Mutter aus Litzelsdorf.
Frank begann seine berufliche Tätigkeit als Webstuhlbetreuer bei einer Textilfirma in Coplay und war anschließend bis zu seiner Pensionierung Leiter der Instandhaltung eines anderen Unternehmens in Allentown, Pennsylvania.

Die Hauptbeschäftigung der Immigranten war am Land gewöhnlich Farmer oder Farmarbeiter, in den Städten natürlich Arbeiter, häufig an Fließbändern, die damals bereits im Einsatz waren. Wie man jedoch an den geschilderten Beispielen sieht, waren die Einwanderer aus unserem Land bei der Wahl ihrer Berufe in der neuen Heimat durchaus flexibel, haben wagemutig die sich bietenden Gelegenheiten ergriffen und auch berufliche Nischen gefüllt.


 

Herbert Rehling ist Ahnenforscher und lebt in Bad Tatzmannsdorf

www.rehling.weebly.com


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