Bericht

Was das Volk begehrt

Bildung, Gesundheit und Europäische Union. Grundeinkommen, Gleichberechtigung und Tierschutz. Demokratie, Klima und Asyl. All das sind Themen, die Österreich bewegen. Durch die Corona-Krise sind sie zwar etwas in den Hintergrund getreten, aber sie beschäftigen uns nach wie vor. So sehr, dass sich Bürger neue Gesetze wünschen und von ihrem Recht auf „direkte Demokratie“ Gebrauch machen, unter anderem in Form von Volksbegehren. So „direkt“ und vor allem unbürokratisch ist der Weg zu einem neuen Gesetz aber freilich nicht.

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Um ein Volksbegehren überhaupt starten zu können werden zuerst mindestens 8.401 Unterstützungserklärungen gesammelt (1 Promille der Bevölkerung). Innerhalb einer später festgesetzten Frist von einer Woche müssen mehr als 100.000 Wahlberechtigte das Volksbegehren unterschreiben, damit sich der Nationalrat mit der Thematik auseinandersetzen muss. Der Antrag wird also besprochen, Gesetz wird dadurch aber keines automatisch beschlossen. „Direkte Demokratie“ darf hier eben nicht falsch verstanden werden. Viele der bislang 45 Volksbegehren (Quelle: BMI) blieben ohne Konsequenz. So unterstützten zum Beispiel 1982 mehr als 1,3 Millionen Menschen das Volksbegehren gegen den Bau des Konferenzzentrums in Wien, das schließlich dennoch gebaut wurde und heute noch zu „bewundern“ ist.

Wozu unterschreiben?

Das Volksbegehren ist das häufigste Instrument der direkten Demokratie. Eine Unterschrift ist wichtig, denn der öffentliche und mediale Druck erhöht sich, je mehr Menschen sich für ein Thema einsetzen. Manchmal dauert es auch länger, bis ein Gesetz kommt.
Dem ersten Tierschutzvolksbegehren 1996 folgte erst neun Jahre später das bundeseinheitliche Tierschutzgesetz. Manchmal geht es auch gar nicht vorrangig um eine neue Gesetzgebung, sondern einfach nur darum, ein Thema medienwirksam publik zu machen, um den Finger auf eine gewisse Thematik zu legen und eine Diskussion anzuregen.

Wissen Sie noch….?

Das erste Volksbegehren in Österreich war das von Hugo Portisch initiierte Rundfunk-Volksbegehren aus dem Jahr 1964. Es ist wohl das „Cordoba“ unter den Volksbegehren, denn es erreichte 832.000 Unterschriften und führte zu einem neuen Mediengesetz.

Weitere bekannte Volksbegehren waren das Gentechnik-Volksbegehren 1997 oder die „Schilling-Volksabstimmung“ im selben Jahr. 2002 war die Debatte um das Atomkraftwerk Temelin aktuell, und aus 2017 ist vielen noch TTIP/CETA im Gedächtnis, ebenso wie „Don’t smoke“ aus dem Jahr 2018. Als nächstes können zwei Volksbegehren zum Thema Rauchen, eines für den EURATOM-Ausstieg Österreichs und das Volksbegehren „Asyl europagerecht umsetzen“ unterstützt werden. Dies kann von 22. bis 29. Juni 2020 entweder per Unterschrift vor einer Gemeinde oder über das Internet mit einer Handy-Signatur oder Bürgerkarte geschehen.

Noch bis Ende Juni 2020 werden Unterstützungserklärungen für das aktuelle Tierschutzvolksbegehren gesammelt, die auch schon für die Eintragungswoche im Herbst 2020 angerechnet werden. (siehe dazu auch das Interview mit Sebastian Mena >>).

Auch das neueste Volksbegehren hat bereits vor Bekanntwerden der eigentlichen Eintragungswoche die 100.000 Unterschriftenmarke geknackt – das Klimavolksbegehren. Darin werden gesetzliche Änderungen gefordert, die den Klimaschutz auf allen Ebenen ermöglichen und leistbar machen. Auch hier gilt: Obwohl viele Volksbegehren in der Schublade landen, wächst die Chance, dass die Politik zum Handeln bewegt wird, mit jeder einzelnen Stimme.


Volksbegehren, Volksbefragung, Petition & Co. – Daten und Fakten

Neben den Volksbegehren (damit das Thema im Parlament behandelt wird, sind 100.000 Unterschriften notwendig) gibt es auch noch andere, direktdemokratische Verfahren, wie die sehr seltenen Instrumente der Volksabstimmung und Volksbefragung. Beide können – im Gegensatz zum Volksbegehren – nicht von Einzelpersonen eingebracht werden.

So wird die Volksabstimmung vom Nationalrat oder Bundesrat initiiert. Im nächsten Schritt stimmen die Wahlberechtigten mit „ja“ oder „nein“ ab, und der Volkswille entscheidet schließlich bindend darüber, ob ein Gesetz belassen oder aufgehoben wird. Das Ergebnis muss also umgesetzt werden. Erst zwei Volksabstimmungen gab es bisher: 1987 sprach sich die Bevölkerung knapp gegen das bereits gebaute Atomkraftwerk Zwentendorf aus, es ging nie in Betrieb. 1994 beschlossen die Bürger den Beitritt zur Europäischen Union.

Eine Volksbefragung gab es bisher nur einmal in Österreich. 2013 wurde die Haltung der Bevölkerung zum Thema Wehrpflicht oder Berufsheer abgefragt. Obwohl das Ergebnis einer Volksbefragung rechtlich nicht bindend ist, hat die damalige Regierung versprochen, sich an das Ergebnis zu halten. 60% waren für die Beibehaltung der Wehrpflicht und gegen ein Berufsheer.

Petitionen sind eine Art Begehren. Bekannt sind sie oft als Online-Petitionen. Jeder kann sie selbst über eine Online-Plattform starten. Auch hier geht es in erster Linie darum, auf ein Thema durch viele Stimmen aufmerksam zu machen.

Parlamentarische Petitionen sind insbesondere für regionale Themen von Interesse, da Anliegen der Bürger von Nationalratsabgeordneten oder Bundesräten überreicht werden. Oft werden hierbei konkrete Anliegen, Gesuche und Beschwerden aus dem Wahlkreis der jeweiligen Politiker vorgebracht.

Bürgerinitiativen können, wie der Name schon sagt, von Bürgern ins Leben gerufen werden. Dazu braucht es die Unterstützung von 500 österreichischen, wahlberechtigten Staatsbürgern.

Fazit: Bindend für die Regierung ist nur die Volksabstimmung. Alle anderen Instrumente müssen nicht zwingend im Parlament behandelt werden. Sie sind aber wichtig, um ein öffentliches Interesse zu generieren, denn je mehr Stimmen erreicht werden, umso größer ist der Druck auf die Politik, das Thema zu behandeln.


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