Interview

Die Pflege wieder attraktiv gestalten

Kaum ein Beruf ist so menschennah wie der der Gesundheits- und Krankenpflege, aber auch mit so negativen Vorurteilen behaftet wie dieser. Die FH Burgenland möchte dieses Berufsfeld wieder attraktivieren.
Bachelor-Studiengangsleiterin Nadine Graf zeigt die wichtigsten Pro-Argumente für den Pflegeberuf auf.

(c) pixabay

 

Gerade in der Gesundheits- und Krankenpflege herrscht ein ziemlicher Notstand. Wo will man hier konkret ansetzen, um diesem entgegenzuwirken? 

Nadine Graf: Zunächst müsste beim Gesundheitssektor selbst angesetzt werden. Es gibt viele Bestrebungen, den Pflegesektor attraktiver zu gestalten, diese müssten jedoch endlich  umgesetzt werden. Nach vielen Ansprachen und Reden müssen endlich Taten folgen. Der Pflegenotstand wird seit Jahren thematisiert, Maßnahmen wurden jedoch bislang kaum umgesetzt. 

Ein Beruf in der Gesundheits- und Krankenpflege ist vor allem menschennah und breitgefächert. Es sind höchst qualifizierte Personen, welche diesen Beruf ausüben, wir müssen weggehen von dem Gedanken „pflegen kann jeder“. Wenn wir uns von diesem Gedanken verabschieden und Pflege als Profession anerkennen, wird dieser mit Sicherheit attraktiver. Natürlich spielen angemessene Entlohnung, flexible Arbeitszeitgestaltung, Work-Life-Balance und vieles mehr ebenfalls eine wichtige Rolle. 

Jetzt ist es so, dass die Ausbildung schon hauptsächlich im tertiären Bildungssektor geschieht.  Wird das in Zukunft zum Problem werden?

Ganz im Gegenteil, es bietet sogar Vorteile. Wenn man sich beispielsweise andere Länder wie Amerika oder Länder in Nordeuropa ansieht, ist es schon seit Mitte der 1900er-Jahre verpflichtend, die Ausbildung als Studium zu absolvieren. In diesen Ländern genießt die Pflege bereits ein höheres Ansehen. Außerdem, traue ich mich behaupten, hat die Wissenschaft in der Pflege wesentliche Bedeutung. Dazu gibt es zahlreiche internationale Studien. Es ist nicht mehr wie vor zwanzig Jahren. Auch auf der wissenschaftlichen Ebene, welche sehr relevant für die Pflegepraxis ist, verändert sich ständig etwas. Warum sollten dann Hebammen, Physiotherapeut*innen oder Radiolog*innen ein Studium absolvieren müssen, Gesundheits- und Krankenpfleger*innen aber nicht?

Was genau ist nun so besonders an einem Beruf in der Pflege und warum sollte man sich dafür entscheiden?

Der Beruf hat einfach so viel zu bieten. Man kann als Gesundheits- und Krankenpfleger*in beispielsweise in einem Krankenhaus arbeiten. Wenn man gut mit Kindern kann, ist die Kinderstation der richtige Arbeitsort. Möchte man lieber Menschen zurück ins Leben begleiten, ist man auf der Intensivstation gut aufgehoben. Hier sind keine Grenzen gesetzt. Ein weiterer und zunehmend bedeutender Einsatzort wären Alten- und Pflegeheime oder man entscheidet sich für die Arbeit in der mobilen Hauskrankenpflege. In den letzten Jahren haben sich außerdem neue Berufsfelder herauskristallisiert. Heutzutage kann man sich zum Beispiel auch in Gemeinden als „Community Health Nurse“ oder an Schulen als „School Nurse“ anstellen lassen. Hierbei organisiert man Gesundheitsevents, ist Ansprechpartner*in für alle gesundheitlichen Anliegen und leistet Aufklärungs- und vor allem Präventionsarbeit. 

Man ist schon lange kein „Mädchen für alles“ mehr, das  nur Hilfsdienste leistet. Immer mehr medizinische Tätigkeiten werden von den Gesundheits- und Krankenpflegepersonen übernommen. Man hat sehr viel mit Menschen zu tun und kann Erfolge jeden Tag beobachten. Schlussendlich kann man dann sagen, dass man einen wesentlichen Teil dazu beigetragen hat, Menschen beim Gesund-werden begleitet zu haben. 

Was spricht für eine Ausbildung an der FH Burgenland?
Unsere Absolvent*innen geben durchwegs positive Resonanzen. Auch im Praxisbereich haben sie die gleiche Ausbildung wie vergleichsweise an Schulen für Gesundheits- und Krankenpflege. Im Vorfeld der Praktika finden noch umfangreiche Theorieteile und praktische Übungen statt, welche schlussendlich in der Praxis umgesetzt werden können. Seit wenigen Monaten gibt es die Möglichkeit, sich während des Studiums in ein Anstellungsverhältnis zu begeben, einen Zuschuss zu erhalten und sich hierbei schon beinahe selbst finanzieren zu können. Außerdem können wir die Ausbildung ab dem Studienjahr 2023/2024 neben dem Standort Pinkafeld auch am Standort Eisenstadt anbieten. Somit ist es zentral, lokal und für alle gut zu erreichen. Das Statement, dass man mit der Einführung des Studiums interessierten Personen den Zugang zum Beruf Pflege erschwert, ist so nicht richtig. Es gibt Ausbildungen im Bereich der Assistenzberufe (Pflegefachassistenz, Pflegeassistenz) welche bei der Pflege und Versorgung von Patient*innen ebenso eine wesentliche und wichtige Rolle spielen. Dass man nur mit Matura studieren könne, stimmt so auch nicht. In unserem Fall kann auch die Studienberechtigungsprüfung oder ein Vorbereitungslehrgang ersatzweise absolviert werden, welche anschließend ein Studium ermöglichen. Früher wurde man bewundert, wenn man einem Pflegeberuf nachging, das hat irgendwann aufgehört. Gerne möchte ich, dass es wieder so wird, wie früher.

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