Interview

Erntedank

Wir sollten erreichte Ziele viel mehr feiern, sagt Erwin Gollner. Der Leiter des Gesundheitsdepartments an der FH Burgenland ermutigt dazu, hin und wieder innezuhalten, Geschaffenes wahrzunehmen und sich ruhig auch einmal selbst auf die Schulter zu klopfen. Die letzte Säule des PERMA-Modells, das uns zu einem erfüllten Leben führt, beschäftigt sich also mit unseren Zielen, aber auch wie wichtig ein Rückblick dabei ist, was Dankbarkeit damit zu tun hat und warum wir uns selbst feiern sollten.

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Die gesetzten Ziele zu erreichen, ist eine wesentliche Säule auf dem Weg zu einem erfüllten Leben. Aber es ist ebenso wichtig, Erreichtes auch zu feiern.

 

Der Herbst steht vor der Tür und passend dazu sind auch wir bei der letzten Säule des PERMA-Modells angelangt. Es geht um die Zielerreichung (Accomplishment). Sie vergleichen es mit Erntedank. Warum das?

Dr. Erwin Gollner: Die Amerikaner denken sehr zielorientiert und setzen Accomplishment gleich mit der Erreichung von Zielen. Es ist aber für mich weitaus mehr. Es geht darum, die Ernte einzufahren. Sich nicht nur Ziele zu setzen, sondern innezuhalten und zu schauen, ob man diese Ziele erreicht hat – es geht auch darum, sie zu feiern und auch dankbar dafür zu sein.

 

Oft wird ja ein Ziel erreicht und dann ist es plötzlich gar nicht mehr so bedeutend. Sind wir alle zu sehr in einem Hamsterrad?

Ja, wir übersehen oft die Ernte und sind nur auf die Zukunft fokussiert und auf das nächste Ziel. Wir bleiben nicht stehen und machen uns bewusst, was wir schon erreicht haben. Wir feiern nicht, sondern gehen immer weiter. Dabei ist das Stehenbleiben, Rückblicken und Feiern von Erfolgen in allen Bereichen wichtig. In Unternehmen genauso wie in Beziehungen. Wir sollten uns auch selbst einmal auf die Schulter klopfen und sagen: „Toll gemacht.“

 

Privat ist das Feiern ja eher reduziert auf Geburtstage oder Hochzeitsjubiläen. Man feiert die Lebensjahre oder besondere Anlässe. Ist das zu wenig?

Diese ritualen Feiern sind natürlich wichtig. Aber es geht um mehr. Es geht zum Beispiel bei Hochzeitsjubiläen ja darum, als Paar zu erkennen, was man gemeinsam geschaffen hat. Und auch darum zu erfragen, was man gemeinsam noch erreichen will. Das ist auch zwischendurch immer wieder wichtig.

 

Eine Frage, vor der viele Angst haben, weil die Beziehung im Laufe der Jahre natürlich auch Tiefen erlebt hat.

Umso wichtiger ist, dass man gemeinsam stolz auf das Erreichte blickt und dieses bewusst wahrnimmt. Das relativiert vieles, was man im Alltag in Frage stellt. Oft wirft man in einer Beziehung alles viel zu schnell hin, weil man nur die momentane Belastung sieht. Man sieht aber nicht, was in all den Jahren davor erreicht wurde. Das Negative ist so erschlagend und überwältigend, dass man das Gefühl hat, dass die Beziehung mehr keinen Sinn macht. Das kann natürlich der Fall sein. Aber wichtig ist der Blick zurück und die Beantwortung der Fragen: Was haben wir gemeinsam aufgebaut? Welche Ziele haben wir gemeinsam schon erreicht? Das rückt vieles wieder gerade.

 

Oft wird eine Beziehung in schwierigen Phasen immer auf das Negative reduziert. Paare, die lange zusammen sind oder waren, berichten nur von den schlechten Dingen.

Das liegt in der Natur des Menschen. Aber es ist schade. Dabei wäre es ganz wichtig, die Helicopter Perspektive einzunehmen. Aus der Situation herauszugehen und quasi von oben auf das Paar zu blicken, in die Vergangenheit zurückschauen und zu sehen, welchen Weg es gegangen ist. Es hilft, wenn man sich die Lebenslinie der letzten 20 Jahre vorstellt und versucht, das Gefühl zu erfassen, das man im zweiten Jahr der Beziehung hatte, im fünften Jahr, im zehnten und so weiter. Dann merkt man, dass es nicht immer so gewesen ist, wie es gerade ist. Das Belastende wird dadurch oftmals relativiert.

 

Es kann also eine Beziehung retten, wenn man sich das gemeinsam Erreichte immer wieder bewusst macht?

Nun, ich würde sagen, sicherlich nicht immer. Aber in jedem Fall ist es förderlich, Erntedank zu halten. Dann sieht man auch das, was sch.n war – die schönen Seiten und Zeiten der Beziehung. Sogar im Jahreszyklus ist der Erntedank in der Landwirtschaft ein wichtiges Fest. Man ist dankbar, dass man das Jahr gut überstanden hat. Man ist dankbar für das Geerntete und zelebriert das Erntedankfest. Für mich ist im Zusammenhang mit der letzten Säule des PERMA Modells, dem Accomplishment, diese Metapher des Erntedanks und des Feierns ein ganz wichtiges Element.

 

Einer der wichtigsten Aufträge von Eltern ist es, die Stärken ihrer Kinder zu erkennen

und diese zu fördern.

 

Wie kann man sich dieses Danken und Feiern bewusst machen?

Das kann man üben. Fragen Sie sich jeden Abend, was Ihnen heute gut gelungen ist. Wenn man es sich immer wieder in Erinnerung ruft, dann stärkt das unsere Gedanken in diese Richtung und fördert unser weiteres Gelingen. Fragen Sie auch einmal andere, wie Sie wahrgenommen werden. Wo sehen diese Ihre Stärken? Viele wissen nämlich gar nicht, worin sie gut sind. Sie wissen nicht, was sie gut können. Das Feedback ist wichtig für das eigene Stärkenprofil. Einer der wichtigsten Aufträge von Eltern ist es, die Stärken ihrer Kinder zu erkennen, ihnen diese auch bewusst zu machen, darüber zu kommunizieren und sie zu fördern. Wir sind es kulturell nicht gewohnt, über unsere Stärken zu reden. Da hinkt leider auch unser Bildungssystem noch nach. Es sollte nicht nur um Noten gehen, sondern um Erkenntnisgewinn, um Kompetenzen. Nicht die Note alleine ist wichtig, sondern was das Kind gelernt hat. Wenn Eltern diese Aufgabe ernst nehmen und das Kind individuell in seinen Stärken fördern, würde das den Lebensweg des Kindes sicherlich positiv beeinflussen. Auch ein Mitarbeitergespräch sollte in diese Richtung geführt werden. Wo sieht man als Führungskraft den Mitarbeiter in seinen Stärken? Wir müssen uns einfach mehr auf das konzentrieren, was wir gut können und gerne machen. Das stärkt den Selbstwert.

 

Welche Bedeutung hat Erntedank für Sie persönlich?

Wir wissen nicht genau, ob es ein Leben nach dem Tod gibt. Aber wir wissen, dass es ein Leben VOR dem Tod gibt – daher dürfen wir nicht aufhören, die Ernte unseres Lebens zu feiern und uns dafür zu bedanken.

 

 


Das PERMA-Modell: 5 Säulen für ein erfülltes Leben

Das PERMA-Modell ist ein Konzept, das von Martin Seligman entwickelt wurde und steht für die folgenden fünf Bereiche:

Positive Emotions (positive Emotionen) – die Fähigkeit, positive Gefühle zu empfinden bzw. beim Gegenüber auszulösen.

Engagement (sich einbringen können) – die Fähigkeit, sich in Aktivitäten zu engagieren, die für einen selbst bedeutsam und erfüllend sind.

Relationships (förderliche Beziehungen) – qualitative Beziehungen zu Menschen aufzubauen.

Meaning (Sinnhaftigkeit) – ist das Gefühl, einen Zweck oder eine Bedeutung im Leben zu entwickeln.

Accomplishment (Zielerreichung) – Ziele setzen und diese verfolgen.

 

Das Modell betont, dass ein gutes Leben aus einer Balance dieser fünf Bereiche besteht und dass die Entwicklung und Stärkung jeder dieser Bereiche dazu beitragen kann, das Wohlbefinden zu verbessern.


Prof.(FH) Mag.Dr. Erwin Gollner, MPH MBA ist Leiter des Departments Gesundheit an der FH Burgenland und erläutert das PERMA-Modell.
Dabei handelt es sich um einen Denkansatz aus der Positiven Psychologie für eine gesunde Lebensführung.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar von Mag. Michaela Resetarics, Msc über die Anwendung des PERMA-Modells in Schulen

>> Ziel erreicht!


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