Interview

„Es geht immer um Beziehungen“

Wir brauchen sie wie die Luft zum Atmen. Ohne sie verkümmern wir. Sie stehen bei den meisten von uns auf der Wunschliste an erster Stelle: Beziehungen (Relationships) bilden die dritte Säule im PERMA-Modell. Dieses Konzept aus der Positiven Psychologie zeigt insgesamt fünf Bereiche auf, auf die wir achten müssen, um ein glückliches Leben zu führen. Dr. Erwin Gollner ist Leiter des Gesundheits-Departments an der FH Burgenland und beschäftigt sich intensiv damit.
In diesem Teil der Serie reden wir mit ihm also über Beziehungen. Was sich Menschen am meisten wünschen, warum kleine Gesten so wichtig sind und worauf es beim Streiten ankommt.

Foto©Alphavector/shutterstock.com

 

Sind Beziehungen eine Grundbasis zum Glücklichsein?

Dr. Erwin Gollner: Ja, denn der Mensch ist ja bekanntlich ein soziales Wesen und als solches braucht er die Beziehung zu anderen Menschen. Es geht dabei um positive, also gut funktionierende Beziehungen. Nicht um jene, die Energie rauben und uns hinunterziehen. Der Begriff Relationship im PERMA Modell meint die Kraft der Beziehung. Fördernde Beziehungen führen zu positiven Erfahrungen. Es macht uns glücklich, auf jemanden zu treffen, bei dem wir uns verstanden fühlen, den wir riechen können – man sagt ja auch: Da passt die Chemie. Wir erleben das in der Familie, bei Freunden, oft auch bei Kollegen, auf die wir uns verlassen können. Viele kompensieren dieses Bedürfnis nach Beziehungen auch durch Vereine oder Tiere. 

 

Warum sind Beziehungen so wichtig?

Sie sind ein Ausdruck gegenseitiger Wertschätzung. Wir erleben sie in der Arbeit, durch eine gute Beziehung zu den Kolleginnen und Kollegen, zur Führungskraft und es ist auch die Wertschätzung sich selbst gegenüber wichtig, indem wir auf eine gute Work-Life-Balance achten. Wertschätzung ist ein zentrales Bedürfnis des Menschen und hat gesundheitsfördernde Wirkung.

 

Nun drückt sich diese Wertschätzung ja besonders über die Sprache aus. Wie kommuniziert man wertschätzend?

Indem wir ein wenig mehr auf unser Wording, auf unsere Wortwahl, achten und generell aufmerksamer sind. Dinge, die Routine haben, nehmen wir oft als selbstverständlich hin. Wertschätzung drückt sich durch Kleinigkeiten aus. Durch ein „Danke“, durch eine Berührung oder ein Lächeln. Daran merkt unser Gegenüber, dass wir sie bzw. ihn wertschätzen. Es ist wichtig, dass wir uns bewusst machen, dass wir das auch zum Ausdruck bringen müssen.

 

Diese fehlenden kleinen Aufmerksamkeiten sind ja meist auch in Partnerschaften im Alltag das Problem.

Ja. Da versucht man es dann oft durch Geschenke zu kompensieren. Aber die kleinen Gesten zwischendurch sind doch viel mehr wert als der anlassbezogene Blumenstrauß, oder? Miteinander zu kommunizieren ist wichtig. Und ein Tipp: Wenn einer damit beginnt, tut es das Gegenüber auch. Wer anderen Wertschätzung entgegenbringt, bekommt sie zurück. Das ist auch in Unternehmen bei Führungskräften so. So wie der Unternehmer führt, so sind die Mitarbeiter. 

 

Kann man wertschätzend streiten?

Das sollte man sogar unbedingt. Denn wenn die Wertschätzung in einer Beziehung weg ist, ist auch die Beziehung zu Ende. Im Streit kommt das gut zum Ausdruck. Wertschätzend streiten heißt, nicht untergriffig werden. Auf der sachlichen Ebene bleiben. Wenn ich persönlich verletzend werde, ist eine Grenze überschritten. Das führt dann zu einer Reaktion und das wiederum zu einer Eskalation. Gerade im Streit ist es wichtig, nicht auf die emotional verletzende Ebene abzugleiten. Aber das ist natürlich meist herausfordernd.  

 

Ist Wertschätzung gleichzusetzen mit Respekt?

Die Grundlage der Wertschätzung ist Respekt. Ich glaube, dass wir uns auch darüber bewusst sein müssen, dass wir den sogenannten „geschuldeten“ Respekt jedem Menschen entgegenbringen müssen. Egal, woher er kommt und wer er ist. Es ist der Respekt, den wir uns gegenseitig als Menschen schulden. 

Und es gibt auch den verdienten Respekt. Auch diesen sollten wir zum Ausdruck bringen, wenn wir jemanden für seine Leistung wertschätzen. Wir tun das leider viel zu wenig.

 

In Zeiten der digitalen Kommunikation geht das wohl sehr leicht unter. Man redet ja viel weniger persönlich miteinander.

Das ist richtig. Früher hat man diese Beziehungen im Ort viel mehr gelebt. Mein Großvater zum Beispiel ist im Oberwarter Obertrum oft abends seine Runde gegangen und hat dabei mitbekommen, wo jemand etwas braucht und benötigt. Während seiner Runde hat er dann gleich vermittelt. Dafür ist er wiederum mit Kuchen und dergleichen beschenkt worden. Man hat sich umeinander gekümmert. Solches Kümmern braucht Personen, die diese Haltung leben. Mein Großvater war so einer. Heute müssen wir uns das viel mehr ins Bewusstsein rufen.

 

Ihr Großvater wäre wohl auch eine gute Führungskraft gewesen.

Ja, im weiteren Sinn und im engeren auf jeden Fall ein Vorbild. Eine gute Führungskraft sollte die Stärken der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kennen und schauen, wer im Team gut zusammenpasst. Denn das ist die Basis für eine gute Beziehung unter den Kollegen. Wenn sich zwei Menschen gut verstehen, ist man „im Flow“. Da läuft die Energie. Es gibt aber natürlich auch Energieräuber. Eine Führungskraft sollte ein Energiespender sein. Das wirkt im Team und kommt zurück. Doch die Realität sieht leider anders aus, denn zu 70 Prozent sind Führungskräfte aus Sicht der Mitarbeiter Energieräuber. Das wirkt sich auch wirtschaftlich auf den Betrieb aus. Denn ohne Wertschätzung gibt es keine Wertschöpfung. In einer Untersuchung der Boston Consulting Group von rund 500.000 Personen in 197 Ländern wurde ermittelt, was sich Mitarbeiter am meisten wünschen. Das Ergebnis ist in allen Kulturen und Ländern gleich: Die Menschen wünschen sich Wertschätzung und eine gute Beziehung zu ihren Kollegen und Führungskräften. Es geht also immer um Beziehungen. Das ist allgemein gültig. 


Das PERMA-Modell: 5 Säulen für ein erfülltes Leben

Das PERMA-Modell ist ein Konzept, das von Martin Seligman entwickelt wurde und steht für die folgenden fünf Bereiche:

Positive Emotions (positive Emotionen) – die Fähigkeit, positive Gefühle zu empfinden bzw. beim Gegenüber auszulösen.

Engagement (sich einbringen können) – die Fähigkeit, sich in Aktivitäten zu engagieren, die für einen selbst bedeutsam und erfüllend sind.

Relationships (förderliche Beziehungen) – qualitative Beziehungen zu Menschen aufzubauen.

Meaning (Sinnhaftigkeit) – ist das Gefühl, einen Zweck oder eine 

Bedeutung im Leben zu entwickeln. 

Accomplishment (Zielerreichung) – Ziele setzen und diese verfolgen.

 

Das Modell betont, dass ein gutes Leben aus einer Balance dieser fünf Bereiche besteht und dass die Entwicklung und Stärkung jeder dieser Bereiche dazu beitragen kann, das Wohlbefinden zu verbessern.


Prof.(FH) Mag.Dr. Erwin Gollner, MPH MBA
Leiter des Departments Gesundheit an der FH Burgenland erläutert das PERMA-Modell. Dabei handelt es sich um einen Denkansatz aus der Positiven Psychologie für eine gesunde Lebensführung.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar von Mag. Michaela Resetarics, Msc über die Anwendung des PERMA-Modells in Schulen

>> PERMA@school – Relationships


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