Interview

„Es gibt Träume, die erfüllen ein ganzes Leben“

Ein Friedensschiff in einer Friedensburg. Eigentlich müsste die „Pax“ im Zuge der Landesausstellung „100 Jahre Burgenland“ auf Burg Schlaining als eine Besonderheit gewürdigt werden. Doch – um das naheliegende Wortspiel zu verwenden – das Schiff geht hier förmlich unter. Ein wenig verloren wirkt das ein Meter hohe Modell des Müllers Johann „Jani“ Stipkovits (1905 – 1993) aus Steinberg am Gang der Burg. Kaum jemand weiß, welch spannende Geschichte dahintersteckt. Der Journalist Walter Reiss hat drei Jahre lang das außergewöhnliche Leben des Schiffmüllers recherchiert und ein Buch darüber geschrieben. Ein zeitgeschichtliches Dokument. Aber auch die Vorlage für die romantische Vorstellung, dass die Pax zumindest in der Erinnerung an Jani Stipkovits auf den Meeren dahintreibt und seine Friedensmission erfüllt.

Foto©zVg

Die Pax im Hof der Mühle in Steinberg an der Rabnitz im mittleren Burgenland.

 

Das Buch hat den Titel „Der Müller als Kapitän. Leben und Traum des Jani Stipkovits“. Ist es eine Art Reisebericht?

Walter Reiss: Es ist ein biografisches Mosaik, ein lebenserzählendes Bilderbuch. Ich hab diesen Mann persönlich leider nie kennengelernt, aber ich habe im Filmarchiv Austria schon vor Jahrzehnten einen alten Film aus dem Jahr 1958 entdeckt. Und da war der Müller aus Steinberg an der Rabnitz im mittleren Burgenland zu sehen, der ein hochseetaugliches Schiff vom Dachboden seiner Mühle und seines Sägewerks vom Stapel lässt. Jani Stipkovits wollte nie Müller werden, doch weil sein älterer Bruder verunglückt ist, musste er die Mühle übernehmen. Er hat aber immer davon geträumt auf See zu gehen mit einem eigenen Schiff. Nachdem er auch ein Sägewerk hatte, hat er begonnen, seinen Traum zu verwirklichen und ein Schiff zu bauen.

Das Buch ist nach drei großen Kapiteln gegliedert.

Ja, nämlich nach den drei Reisen, die er unternommen hat. Mit seinem ersten Geld hat er ein Paddelboot gekauft und es bis ans Schwarze Meer bis Istanbul geschafft. Als er wieder daheim war, hat er beschlossen, ein Amphibienboot zu bauen. Das war im Jahr 1931. Das Schiff war sechs bis sieben Meter lang, hatte drei Räder, einen Automotor und eine Schiffsschraube. Er hat es „Burgenland“ getauft und ist damit sogar bis Gibraltar gekommen. Dort hat die „Burgenland“ leider Schiffbruch erlitten und Jani Stipkovits ist wieder nach Hause gekommen. Dann kam der zweite Weltkrieg und in dieser Zeit ist in ihm der Gedanke gereift, ein richtig großes Schiff zu bauen. Er hat auf dem Dachboden seiner Mühle fast zehn  Jahre an diesem Boot gearbeitet. Das war die Pax …

… sein Friedensschiff. 

Ja. 1958 war der Stapellauf. 1965 ist die Pax an der Schwarzen Meer-Küste aber leider auf Sand aufgelaufen und Jani Stipkovits hat in der Not einem türkischen Geschäftsmann das Schiff quasi geschenkt. Seine ganze Pension hindurch hat es ihn aber geplagt, was dieser Geschäftsmann mit seinem Schiff gemacht hat und er hat immer wieder danach gesucht. Das hat Jani Stipkovits bis an sein Lebensende verfolgt.

Das war aber nicht seine einzige Vision.

Er war fasziniert von der versunkenen Insel Atlantis und war der fixen Meinung, dass sie im Bereich von Tunis zu finden ist. Auch danach hat er in seiner Pension immer wieder gesucht. 

Was hat dich an Jani Stipkovits am meisten beeindruckt?

Seine Konsequenz. Er hat ein Jahrhundert mit zwei Kriegen erlebt und von diesem kleinen burgenländischen Ort Steinberg ausgehend die Idee des Weltfriedens verfolgt – ohne Unterstützung. Er hat dennoch nicht aufgegeben. Ich fange das Buch mit dem Satz an: „Es gibt Lebensträume, die nie in Erfüllung gehen. Aber diese Träume erfüllen oft ein ganzes Leben.“ Und das war bei ihm so.

Wie hast du die Mosaiksteine dieses Lebens zusammengetragen?

Es gibt Kurzfilme vom Stapellauf. Auf dem Dachboden hat Jani Stipkovits auf der Rückseite von alten Rechnungen – denn Papier war kostbar – seine Lebenserinnerungen aufgeschrieben. Oft ist er tagelang am Dachboden gesessen und hat sie niedergeschrieben. Er hat leider über die Pax-Reise nicht sehr viel aufgezeichnet. Aber hier habe ich versucht, über Wegbegleiter einiges zu erfahren. Und dann habe ich auf dem Dachboden auch zwei Besonderheiten entdeckt: Jani Stipkovits hat als Werbebroschüre ein Büchlein über die Pax herausgebracht, wo er in Gedichtform sein Projekt beschreibt: für den Frieden zu segeln, gegen den dritten Weltkrieg. Das Heftchen hat 30 Seiten und ist im Nachdruck dem Buch beigelegt. Er hat auch einen Wimpel machen lassen, ein Fähnchen mit der Aufschrift „Pax Austria Friedensmission“. Das hat er als Werbemittel verteilt. Diese zwei Erinnerungsstücke sind dem Buch beigelegt.

Ist es nicht eigentlich eine traurige Lebensgeschichte?

Es stimmt ein wenig traurig, dass er nie seine Ziele erreicht hat. Deshalb heißt es ja auch Leben und Traum des Jani Stipkovits. Er würde wahrscheinlich auch heute noch nach Atlantis und der Pax suchen – in der Gesinnung, dass der dritte Weltkrieg unbedingt verhindert werden muss. Er hat aber nie aufgehört zu träumen. Jani Stipkovits ist genau an seinem 88. Geburtstag gestorben. 


BUCHPRÄSENTATION
Walter Reiss
DER MÜLLER ALS KAPITÄN.
Leben und Traum des Jani Stipkovits

Do. 8. September 2022, 19:00 Uhr
Kino Oberpullendorf
Hauptstraße 55, 7350 Oberpullendorf

mit historischen Kurzfilmen und Interviews

Buchbestellung edition lex liszt 12, www.lexliszt12.at und im gut sortierten Buchhandel.
ISBN: 978-3-99016-200-2; ca. 180 Seiten, € 26,00


Am Foto ist Johann Jani Stipkovits mit dem Modell des Friedensschiffes Pax zu sehen. Dieses Modell ist bei der Landesausstellung „100 Jahre Burgenland“ auf Burg Schlaining zu sehen – am Gang platziert, wo es beinahe „untergeht“.

Modell des Pax Friedensschiffes bei der Landesausstellung auf Burg Schlaining.

Die "Burgenland" – Das Amphibienboot des Jani Stipkovits. Die Aufnahme stammt aus dem Jahr 1932.

Johann Jani Stipkovits. Er lebte von 1905 bis 1993 und starb an seinem 88. Geburtstag.

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