„Gut führen, heißt kommunizieren“
Ein gesundes Arbeitsklima, eine sinnerfüllende Tätigkeit und ein empathischer, kommunizierender Vorgesetzter – das sind Kompetenzen, die ein Unternehmen heute bieten sollte. Wer Mitarbeiter finden und binden will, muss Führungsqualitäten aufweisen! Ein Experteninterview mit Dr. Erwin Gollner.
(c) FH Burgenland
Prof.(FH) Mag.Dr. Erwin Gollner, MPH MBA Leiter des Departments Gesundheit an der FH Burgenland. Gemeinsam mit Heinz K. Strahl und Florian Schnabel hat er das Buch „Betriebe gesund managen“ verfasst – ein wissenschaftlich basiertes Werkzeug für eine gesunde Unternehmensführung.
Der Arbeitsplatz hat als jener Bereich, an dem man viel Zeit verbringt, großen Einfluss auf die Gesundheit. Der Obstkorb, die Mitgliedschaft im Fitnessstudio oder der Massagegutschein sind für Erwin Gollner, Leiter des Departments Gesundheit an der FH Burgenland, eher Alibiaktivitäten, die die Gesundheit der Mitarbeiter nicht nachhaltig fördern. Wer seinen Betrieb gesund managen will, muss seine Mitarbeiter führen. Kommunikation ist eines der Schlüsselelemente dabei, sagt er. Man kann nicht zu viel kommunizieren.
Vier-Tage-Woche, Bezahlung über Kollektiv, Homeoffice. Viele Betriebe lassen sich wirklich etwas einfallen, um Mitarbeiter zu finden. Warum ist es dennoch so schwer?
Dr. Erwin Gollner: Mitarbeiter zu finden, ist heute das große Thema. Die jüngere Generation hat andere Werte. Sie fragt nicht nur „was kann ich für das Unternehmen einbringen“, sondern auch „was kann das Unternehmen für mich tun, damit ich mich wohlfühle.“ Es wird immer wichtiger, den Sinn in der Arbeit zu erkennen und ein Klima vorzufinden, in dem man sich sozial wohlfühlt. Unternehmen müssen sich in diesem Bereich attraktiv machen. Ich habe unlängst mit einem Recruiter gesprochen, der ein Bewerbungsgespräch mit einem jungen Mann führte. Am Ende hat der Bewerber gesagt: „Vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch. Ich halte Sie in Evidenz.“ Die Situation hat sich völlig verändert. Natürlich müssen die Basics passen, also Gehalt, Arbeitsplatz etc. Aber das Wohlfühlen, das Eingebundensein im Betrieb, sind ebenso wichtig. Vor allem geht es den Mitarbeitern darum, dass sie in ihrer Arbeit Sinn erkennen. Wir wissen heute: Mitarbeiter suchen sich ihr Unternehmen nach dem Image aus. Sie bleiben wegen der Arbeitsanforderungen und sie verlassen den Betrieb wegen der Führungskraft.
Das bedeutet, der Hauptkündigungsgrund ist der Chef?
Wir haben diesbezüglich viele Untersuchungen gemacht. Es ist tatsächlich so, dass der psychische Hauptbelastungsfaktor für den Mitarbeiter zu 70 Prozent der unmittelbare Vorgesetzte ist. Das ist branchenübergreifend der Fall. Aus der Sicht des Mitarbeiters kann die Führungskraft zwei Aufgaben erfüllen. Er kann sie als eine Ressource sehen oder als einen Stressor. Zu 70 Prozent wird der Vorgesetzte leider als Stressor wahrgenommen.
Was raten Sie Führungskräften?
Führungskräfte müssen mehr zu Leadern werden. Mitarbeiter möchten geführt werden. Der schlechteste Führungsstil ist jener, nicht zu führen. Das Schlimmste, das man als Führungskraft machen kann, ist nicht zu kommunizieren, dem Mitarbeiter nicht zuzuhören und autokratisch über seinen Kopf hinweg zu entscheiden. Dann wird der Mitarbeiter nämlich innerlich resignieren. Der Chef als Kontrolleur der Mitarbeiter ist antiquiert und stammt aus den 50er-Jahren. Wir brauchen Führungskräfte, die empathisch sind und kommunizieren. Führen heißt zu 90% kommunizieren.
Kann man zu viel kommunizieren?
Das habe ich noch nie erlebt. Es geht ja dabei um das Gefühl, mit eingebunden zu sein. Jemanden von Informationskanälen abzuschneiden, ihn quasi links liegen zu lassen, ist eine Form von Mobbing bzw. Bossing. 20-25% der Fälle, die als Burnout bezeichnet werden, sind Boreout Fälle. Das beutetet, sie sind nicht überfordert, sondern unterfordert.
Hier spielt wieder die sinnerfüllende Arbeit eine wesentliche Rolle ?
Ja, denn das hängt ganz stark damit zusammen, wie ich meine Rolle im Unternehmen sehe. Es geht um die Fragen: Was kann ich zum Unternehmen beitragen? Wie wichtig ist meine Arbeit? Wird meine Leistung wahrgenommen? Da geht es um ein ehrliches Feedback der Führungskraft. Ich meine damit nicht eine Lobhudelei, sondern dem Mitarbeiter zu sagen, was das Unternehmen von ihm erwartet und sich wünscht. Auch Fließbandarbeit ist sinnerfüllend, wenn ich die Zusammenhänge sehe. Wenn ich sehe, wie wichtig die kleine Schraube ist, an der ich arbeite, damit der Motor funktioniert. Es ist überall möglich, Sinn zu vermitteln. Man muss sinnstiftend führen, den Mitarbeiter beteiligen und einbeziehen.
Was macht einen guten Leader aus?
Ein Manager hat die Organisation im Vordergrund und denkt die Menschen mit. Ein Leader sieht die Menschen im Vordergrund und denkt die Organisation mit. Das ist der Unterschied. Wir in Österreich sind eher Manager.
Wie merkt man, dass man sein Team gut führt?
Ein guter Indikator ist, wenn auch ohne die Führungskraft alles gut weiterläuft. Dann arbeiten die Mitarbeiter im Sinne des Unternehmens. Wenn die Mitarbeiter mit einem inneren Lächeln in die Arbeit gehen und sie die Arbeit mit einem inneren Lächeln verlassen, dann hat man als Leader seine Sache gut gemacht. Um diese innere Einstellung geht es. Ein gesundheitsförderliches Umfeld merkt man auch an der Kohäsion im Team – dass der eine für den anderen einspringt. Das ist auch ein guter Indikator dafür, dass die Kollegenschaft stimmt.
Kann man im Unternehmen einen solchen Prozess, wie es die Betriebliche Gesundheitsförderung anbietet, intern selbst durchführen? Also bringt es beispielsweise etwas, Mitarbeiterbefragungen zu machen?
Nein. Betriebliche Gesundheitsförderung ist deshalb wichtig, weil jemand mit einer Außenperspektive ganz neutral in ein Unternehmen hineinkommt. Das ist ein anderes Vertrauensverhältnis, als wenn das intern jemand macht. Wenn man ehrliche Antworten von den Mitarbeitern bekommen will, dann muss man jemanden von außen holen.
Wer führt eine solche Gesundheitsförderung im Unternehmen durch?
Es gibt ein interessantes Angebot der Österreichischen Gesundheitskasse. Ein Experte der ÖGK kommt in den Betrieb, macht eine Bestandsaufnahme und begleitet das Unternehmen in einigen Schritten bei der Umsetzung empfohlener Maßnahmen.
Wie also sehen der zukunftsfitte Mitarbeiter und die zukunftsfitte Führungskraft aus?
Das zukunftsorientierte Unternehmen legt Wert auf Soft Skills.
Der zukunftsfitte Mitarbeiter beherrscht die Balance, einerseits seine optimale Leistungsfähigkeit im Unternehmen einbringen zu können und andererseits regenerieren zu können. Wenn ich es mit dem Sport vergleiche, habe ich nie erlebt, dass im Leistungssport jene besser geworden sind, die mehr und intensiver trainiert hätten. Sondern es sind die besser geworden, die die Balance beherrscht haben, intensiv zu trainieren und sich gut zu erholen. Deswegen sind in einem Unternehmen auch Pausen wichtig. Man benötigt sie, um wieder die Leistung zu bringen. Führungskräfte haben auch hier eine Vorbildfunktion. Sie müssen sich dessen bewusst sein, dass sie ein Spiegel ihrer Mitarbeiter sind. Mitarbeiter machen nach, was ihr Leader vorlebt.
Haben Sie noch einen Tipp für Unternehmer bei der Mitarbeitersuche?
Man sollte bei Stellenausschreibungen auf diese Leader-Kompetenzen hinweisen. Wir konzentrieren uns üblicherweise nur auf fachliche Kompetenzen zukünftiger Mitarbeiter. Wir müssen mehr auf die eigenen sozialen Ressourcen und eine kohärente Führungskompetenz im Unternehmen eingehen.
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