Interview

Wege zu einem erfüllten Leben

Wer lächelt, löst positive Gefühle aus. Das ist nur eine der Erfahrungen auf dem Weg zu einem erfüllten Leben. Fakt ist: Wir denken zu negativ und sind unseren Mitmenschen gegenüber zu intolerant geworden. Ein neuer psychologischer Ansatz definiert fünf Bereiche, die notwendig sind, damit wir ein gutes, glückliches Leben führen. Mit diesem PERMA-Modell beschäftigt sich Dr. Erwin Gollner, Leiter der Gesundheitsstudiengänge an der FH Burgenland, im Zuge seiner Forschungen. In der neuen prima! Serie erklärt er, wie es uns gelingt, das Positive in unser Leben lassen.

© FH Burgenland

Prof.(FH) Mag. Dr. Erwin Gollner, MPH MBA, Leiter des Departments Gesundheit an der FH Burgenland erläutert das PERMA-Modell. Dabei handelt es sich um einen Denkansatz aus der Positiven Psychologie für eine gesunde Lebensführung.

 

Die letzten Jahre haben den Menschen verstärkt das Gefühl gegeben, nicht mehr selbstbestimmt handeln zu können. Corona, der Krieg in Europa, die massiven Teuerungen und die täglichen Katastrophen-Meldungen tragen wesentlich dazu bei, dass negative Gefühle dominieren. Diese ablehnende Sichtweise auf Dinge wird zu einer Grundeinstellung. 

Die Unzufriedenheit ist in den letzten Jahren enorm gestiegen, weiß auch Dr. Erwin Gollner. Der Mensch ist den Mitmenschen gegenüber intoleranter geworden. Der Leiter des Gesundheitsdepartments an der FH Burgenland ist vor drei Jahren auf das PERMA-Modell gestoßen und beschäftigt sich seither damit, welchen Einfluss die einzelnen fünf Bereiche (siehe Kasten) auf eine gesunde Lebensführung haben. 

Wer positive Gefühle empfinden, sich engagieren kann, wer qualitätsvolle Beziehungen führt, einen Sinn in seinem Leben findet und sich erreichbare Ziele setzt, wird ein erfülltes Leben führen. In den kommenden Ausgaben betrachtet Dr. Erwin Gollner diese fünf Säulen genauer. Zu Beginn der Serie soll aber die Frage geklärt werden, woher das Modell kommt und auf welchem Denkansatz es basiert.

Herr Dr. Gollner, dass positive Gefühle zu einem erfüllten Leben führen, sollte doch eigentlich eine alte Erkenntnis sein.

Dr. Erwin Gollner: Eben nicht. Aaron Antonovsy, ein israelisch-amerikanischer Soziologe, war einer der ersten, der sich mit der Gesundheitsförderung beschäftigt hat. Er hat Menschen untersucht, die den Holocaust überlebt haben. Dabei hat er festgestellt, dass es welche gibt, die depressiv waren und das Trauma nicht überwinden konnten. Und es gab jene, die diese Gräuel überwunden haben und ein gutes Leben führen konnten. 

Welche Ressourcen haben diese, die andere nicht haben?

Der Unterschied ist das Kohärenzgefühl. Drei Aspekte sind dabei wichtig: Ich muss die Zusammenhänge des Lebens verstehen, um Herausforderungen einordnen zu können. Ich muss die Überzeugung haben, dass ich mein Leben im Griff habe, dass ich es handhabe und es für mich bewältigbar ist. Und der dritte wichtige Punkt ist die Sinnhaftigkeit, die man im Leben finden muss.  Menschen, die das Gefühl haben, dass sie keine Marionetten sind, sondern selbstbestimmt und sinnerfüllt leben, haben sich positiv entwickelt. Sie haben sogar den Holocaust psychisch verkraftet und konnten später ein gutes Leben führen. Auf diesem Prinzip der Kohärenz baut die Gesundheitsförderung auf. Sie fördert die Ressourcen im Menschen.

Wie können Menschen nun positive Gefühle wahrnehmen?

Diese Frage hat sich auch Martin Seligman um die Jahrtausendwende gestellt. Wir kennen diesen Ansatz ja schon von Viktor Frankl, dem Begründer der Logotherapie. Auch er hat den Holocaust überlebt und sich in seinem psychotherapeutischen Ansatz mit dem Sinn im Leben beschäftigt. Er hat den Gegenpol zur Psychoanalyse von Sigmund Freud gebildet und gemeint: Wir brauchen keine Tiefenpsychologie, sondern eine „Höhenpsychologie“. Wir müssen nicht alles bis zur Kindheit aufarbeiten, was schiefgegangen ist. 

Wichtig ist, die Sinnhaftigkeit im Leben darzustellen und diesen Sinn hervorzuheben. Es geht um die Frage, wie können Menschen Ressourcen aufbauen und Ängste überwinden. Das Ziel ist, das Leben lebenswerter zu machen. Auf Basis dieser Frage hat Martin Seligman um die Jahrtausendwende die Positive Psychologie begründet. Es geht um das „Flourishing“, also das „Aufblühen“ des Menschen. 

Sie selbst beschäftigen sich ja mit einem speziellen Modell.

Vor rund zehn Jahren ist aus dieser Positiven Psychologie das PERMA-Modell entstanden. Es ist ein Modell, das man in jedem Lebensbereich, wo es um Beziehungen geht, wunderbar anwenden kann. In der Familie, Partnerschaft, Freundschaft, in der Unternehmensführung. Das Modell hebt fünf Bereiche hervor und betont, dass ein gutes Leben aus einer Balance dieser fünf Bereiche besteht. Wenn man die einzelnen Bereiche stärkt, kann das das Wohlbefinden verbessern. Das Gute daran ist, dass wir alle Bereiche trainieren können. Wir können beispielsweise lernen, wieder positiv zu denken und das Bewusstsein darauf zu lenken. Dadurch können wir entscheidend unsere Lebensqualität und unser Glück beeinflussen.  

Über die Kraft der positiven Emotionen lesen Sie in der April Ausgabe 2023


Wir können lernen, positiv zu denken.“


Das PERMA-Modell

5 Säulen für ein erfülltes Leben

Das PERMA-Modell ist ein Konzept, das von Martin Seligman entwickelt wurde, um die verschiedenen Aspekte des menschlichen Wohlbefindens zu beschreiben. Das Akronym PERMA steht für die folgenden fünf Bereiche:

Positive Emotions (positive Emotionen) – bezieht sich auf die Fähigkeit, positive Gefühle wie Freude, Glück und Zufriedenheit zu empfinden bzw. beim Gegenüber auszulösen.

Engagement (sich einbringen können) – bezieht sich auf die Fähigkeit, sich in Aktivitäten zu engagieren, die für einen selbst bedeutsam und erfüllend sind.

Relationships (förderliche Beziehungen) – hier geht es darum, qualitative Beziehungen zu Menschen aufzubauen.

Meaning (Sinnhaftigkeit) – ist das Gefühl, einen Zweck oder eine Bedeutung im Leben zu entwickeln. Baut eng auf der Logotherapie von Viktor Frankl auf. Im Management findet es Anwendung auf der Suche nach dem „Purpose“.

Accomplishment (Zielerreichung) – bezieht sich darauf, Ziele zu setzen und diese nachhaltig zu verfolgen

 Das Modell betont, dass ein gutes Leben aus einer Balance dieser fünf Bereiche besteht und dass die Entwicklung und Stärkung jeder dieser Bereiche dazu beitragen kann, das Wohlbefinden zu verbessern.


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