Kommentar

„Man hat nicht ein Herz für Menschen und eines für Tiere. Entweder man hat ein Herz oder man hat keines.“

"Ich habe da eine Streunermama mit drei Babys. Ich hab schon ein paar Streuner, aber die, die ist so schiach. Tuans des schiache Viech weg, i kauns gar net anschauen."  Dieser Anruf erreichte Alice Siebenbrunner, Obfrau des Vereins "Wir fürs Tier".
Ein Beitrag über Empathie und Menschlichkeit.

© Alice Siebenbrunner

Als „schiaches Viech“ wurde die schwache Katzenmama Lia bezeichnet. Glücklicherweise wurde sie vom Verein „Wir fürs Tier“ eingefangen und versorgt. Zurück bleibt die Frage nach Menschlichkeit und Empathie. 

 

Von einer Streunermama und drei Babys berichtete die Frau am anderen Ende der Leitung. Und dass wir das „schiache Viech wegtun“, sollen. Sie könne es gar nicht anschauen.

Man könnte meinen solche Anrufe belasten meinen Tag, aber nein, sie sind für mich völlig normal geworden. Unsere Gesellschaft funktioniert so; alles und jeder, der nicht reinpasst, wird ausgegrenzt oder dem wird sich entledigt. Da gibt es die Tierfreunde, die solange Tierfreunde sind, bis es unangenehm wird, bis die Katze unsauber oder krank wird oder das Schnitzel dann doch so lecker duftet. Da gibt es die Menschenfreunde, die ihren Nachbarn helfen, aber „diesen Asylanten“ nachstellen, weil die doch nur Ärger machen. In meinem Studium für Geschichte und politische Bildung habe ich besonderes Augenmerk auf Menschenrechtsbildung gelegt. Es war mir immer wichtig, meinen Schülerinnen und Schülern mitzugeben, dass es unumstößliche Rechte gibt. Für jeden. In meiner Arbeit als Tierschützerin habe ich diese Ethik für mich weitergeführt und bin der Ansicht, wir sollten uns dafür einsetzen, dass das Recht auf ein Leben in Würde, frei von Schmerz und Leid einem jeden Lebewesen zuteilwerden sollte. Die Inhalte in meinen Tierschutzunterrichtsstunden unterscheiden sich so gesehen nicht wesentlich von jenen in der Menschenrechtsbildung. Man versucht sich in andere hineinzuversetzen, um Ungerechtigkeiten zu erkennen, zu verstehen und Lösungswege zu finden. Den Kindern gelingt das mitunter immer großartig.

 

Kann man Empathie lernen?

Man kann sie jedenfalls verlernen. Denn eigentlich – so zeigt meine Erfahrung in den Unterrichtsstunden – ist sie immer da. Wir blenden sie nur allzu gerne aus, weil es sich so viel leichter lebt. Hätte mich ein Kind angerufen, wäre das oben erwähnte Telefonat auf jeden Fall anders verlaufen. Es wäre ein Hilferuf gewesen. Ein Hilferuf für ein Lebewesen. Zwischen all den Sorgen unserer westlichen Gesellschaft, die ganz ehrlich betrachtet vergleichsweise meistens keine sind, all den Bedürfnissen, sich einen Vorteil zu sichern, all dem Neid, den wir uns gegenseitig entgegenbringen, all dem Wettbewerb haben wir das Wesentlichste vergessen: Wenn es anderen schlecht geht, dann helfen wir! Man hat nicht ein Herz für Menschen und eines für Tiere. Entweder man hat ein Herz oder man hat keines. Da gibt es keinen Unterschied nach Herkunft, Aussehen, Geschlecht, sexueller Orientierung oder eben Art. Also helfen wir – denn das ist das einzig Richtige, das weiß auch jedes Kind.

 

Die Streunermama

Mama, Lia und ihre drei Babys sind übrigens wohlauf bei uns im Katzenhaus. Sie sind alle gesund. Lia hat durch eine Vorerkrankung ihr Auge verloren. Etwas, das sie – außer optisch – nicht beeinflusst. Sie beginnt bereits Vertrauen zu fassen und lässt sich schon streicheln. Sie ist eine großartige, fürsorgliche Mama. Sie und ihre kleine Familie werden hoffentlich schnell ein Zuhause finden und ihren zukünftigen Haushalt auf vielfältige Weisen bereichern.

Alice Siebenbrunner
... ist Gründerin und Obfrau des Tierschutzvereines "Wir fürs Tier" in Oberwart.
www.wirfuerstier.at

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