Summer of 1970
Der monatliche Kommentar von Feri Tschank.
© Foto Memed Nurrohmad/ Pixabay
Es gäbe wirklich viel zu motzen über dieses Land, seine Politiker und Institutionen. Aber diesmal lass ich es und beame mich zurück in das Jahr, in dem ich fast nach England gestoppt wäre. Das Jahr in dem ich 18 geworden bin, das Jahr 1970. Damals war England das Ziel aller Hippies, bei uns fälschlicherweise auch Gammler genannt. Dort kam die Musik her, die wir hörten (Mungo Jerry „In the Summertime” lief gerade rund um die Uhr), die Mode, die wir gerne getragen hätten und die coolen Mädchen, die wir gerne gekannt hätten. Juli, ein paar Tausender in der Tasche und gemeinsam mit meinem besten Freund gings mit kleinem Gepäck, Rucksack und ohne Schlafsack zur Auffahrt der Westautobahn. Wir waren nicht die einzigen, die auf Mitnahme hofften. Aber wir schafften es am ersten Tag bis in die Nähe von Nürnberg. In einer Jugendherberge geschlafen, zum ersten Mal Bier mit Limonade getrunken, um am zweiten Tag voll ausgeruht und voller Optimismus wieder auf die Piste zu gehen. Ein cooler Typ mit 2002er BMW und Doors-Kassetten im Rekorder hat uns ein schönes Stück Richtung Frankfurt mitgenommen und mit einem LKW schafften wir es bis zum Flughafen. Damit war unsere Reise nach England aber schon zu Ende. Keine Konzerte im Hydepark, keine coole Jeansjacke in der Carnaby-Street. Ich Dödel hab nämlich die Tasche mit unserem Geld und den Reisepässen vor lauter Freude über die letzte Mitfahrgelegenheit am Straßenrand stehen gelassen. Ein absoluter Tiefpunkt in meinem und dem Leben meines Freundes.
Nach einer halben Stunde, in der wir uns aber weder geschimpft noch geprügelt haben, haben wir beschlossen, uns den Urlaub durch sowas nicht verderben zu lassen. Ein kleiner Hoffnungsschimmer war noch das österreichische Konsulat in Frankfurt, wo wir zwar einen Zettel als provisorischen Reisepass bekommen haben, aber leider keinen Groschen Geld. Dafür den Rat: Geht‘s arbeiten! Ich habe zu diesem Zeitpunkt gerade gearbeitet und das war mein wohlverdienter Urlaub, du netter Zeitgenosse! Hippies wie wir, die uns dann mit ihrem Bully wieder ein Stück Richtung Heimat mitgenommen haben, waren so nett und haben uns mit Broten und Wasser versorgt. Den Rest des Urlaubes, also gut zwei Wochen, haben wir in einer selbst gebauten Hütte in Salzburg an der Salzach verbracht. Die erste Nacht allerdings in einer leeren Streusandkiste. Wir haben irgendwo eine Steppdecke aufgetrieben und die Nächte waren mild und das Leben noch voller Hoffnung. Keine Zeit zum Trübsalblasen. Ein Freund, der mit mir in Kleßheim zur Schule gegangen ist, hat eine Wechselstube am Mirabellplatz betrieben, DM in Schilling, und bis zum Abend immer etwas mehr Geld in der Kasse gehabt als er hätte haben sollen. Nett wie er war, hat er das mit uns geteilt. War nicht viel, aber für eine Weißwurst und einen Kakao mit Schlag hat es gereicht.
Auch in einem Bierzelt eines anderen Kollegen haben wir ausgeholfen. Unsere Eltern hatten keine Ahnung, wo wir waren und was wir taten. Wir waren einfach jung und ich noch halbe Jungfrau. Mein Freund Toni allerdings der geborene Ladykiller, der im Ranking um den besten Liebhaber aller Zeiten sicher ganz vorne mit dabei gewesen wäre. So als hätte er damals schon gewusst, dass ihm nicht viel Zeit beschieden sein wird. Er starb mit 25 bei einem Autounfall und fehlt mir noch heute.
Es war das Jahr des Bruno Kreisky, den ich damals irgendwie gar nicht mochte, später umso mehr. ORF2 kam, glaube ich, auch erst in diesem Jahr. Man schaute nicht ins Fernseh- sondern ins Kinoprogramm. Wenn das Geld gereicht hat, waren schon so drei bis vier Filme in der Woche drinnen. Ö3 gab es auch schon und mein Moderatorenvorbild Dieter Dorner. Und den Walter Richard Langer, der mit seiner Musik meinen Musikgeschmack bis heute geprägt hat. Ein einziges Idol hatte ich damals noch und zwar den Jochen Rindt, der im September dieses besagten Jahres verunfallte. Er war für mich der coolste Typ ever.
Irgendwann gingen die Sommertage in Salzburg zu Ende. Noch zwei Tage für die Heimreise. Eine rohe Zuckerrübe, die wir unterwegs gegessen haben, hat mir ein Jahr später einen Preis für ein Werbegedicht eingebracht.
Wer niemals auf der Straße saß und Zuckerrüben vom Felde aß,
der weiß auch nicht wie Smirnoff schmeckt,
wenn alle Gläser sind verdreckt.
Er schafft trotz allem edle Wonne
und bringt dich näher hin zur Sonne,
als Ikarus im Federkleid,
drum trinke Smirnoff jederzeit.
Keine Ahnung warum ich mir diesen Stuss gemerkt habe. Dann zog der Herbst ins Land, der 18. Geburtstag kam näher und ein Einberufungsbefehl flatterte ins Haus. Als ich mich dann zum ersten Mal mit geschnittenen Haaren und in der Dreier-Panier (eine Uniform aus Beständen des 1. Weltkrieges) im Waschraum der Kaserne in den Spiegel geschaut habe, wusste ich nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Der Rest des Jahres bestand aus parieren, marschieren und exerzieren. Und irgendwie wusste ich auch, dass jetzt meine unbeschwerte Jugend vorüber ist. Nein, ich möchte keine 18 mehr sein, aber von Zeit zu Zeit denke ich gerne daran zurück.
Noch einen schönen Sommer und eine hoffentlich unbeschwerte Zeit.
Ihr Feri Tschank
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